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rieb sich voller Befriedigung über diesen so vorbildlich arbeitenden
Schriftsteller die Hände. Aber die nächsten Lieferungen brachten nicht

— wie erwartet — Blitz und Donner. Bein, das Gewitter verzog
sich - die unheilschwangeren Wolken wichen - der Held hatte schein-
bar nur neue Kraft aus ihnen gesaugt — und die Sonne des Erfolgs
strahlte schließlich heller denn je — —. Zudem schien der Autor so
lebhaft mit seinem Helden zu fühlen, daß er recht harte Worte gegen
die ihn bedrohenden Bank- und Börsenkreise fand, die doch der

„Westdeutsche Kurier" vertrat-. Der Roman wurde nicht nur

langweilig, sondern auch gefährlich, was zahlreiche Abbestellungen zu
Quartalswechsel zur Folge hatte.

Der Verlagsdirektor, der Or. Balöcin seinerzeit eine Gehalts-
erhöhung in Aussicht gestellt hatte, ließ diesen zu sich kommen: aber
von der Gehaltserhöhung wurde diesmal durchaus nicht gesprochen.
Das Ergebnis war ein sehr energischer Brief des Redakteurs an
Toni von Geldern, in dem er sofortigen Biedergang des Meteors
forderte. Der Dichter aber antwortöle unter Berufung auf den abge-
schlossenen Vertrag mit überraschender Schärfe, daß er sich in seinen
künstlerischen Plänen in keiner Weise stören lasse - ja, daß er sich
jede Einmischung dieser Art ver-
bitten müsse. Zugleich lagen drei
weitereFortsetzungen bei, die neue
ungeahnte Erfolge schilderten.

Or. Balöcin schäumte vor Wut.

Ein Jahr lang lief dieser unglück-
selige Roman schon - die Auflage
der Zeitung sank von Tag zu Tag

- und zudem stand sein dies-
jähriger Urlaub vor der Tür. Der
Berlagsdirektor hatte nicht miß-
zuverstehend angedeutet, daß er
diesen Urlaub nach Belieben ausdehnen könne, wenn der Meteor nicht
baldigst erlösche.

Der Rechtsanwalt des Verlags drohte Sperrung der Auszah-
lungen sowie Abbruch der Veröffentlichung an, falls der Autor
nicht - dem Untertitel des Romans entsprechend - den Biedergang
mit tunlichster Beschleunigung herbeiführe, woraus der Anwalt des
Dichters aus Erfüllung des rechtsgültigen Vertrags bestand mit dem
Bemerken, daß es seinem Mandanten unbenommen sein müsse,
sowohl als Ehemann und demnächstiger Vater in wirtschaftlicher
Hinsicht wie auch als Dichter in künstlerischer Hinsicht seine Pläne
zu verwirklichen. Auch einem deutschen Schriftsteller könne es nicht
verwehrt werden, Romane vom Ausmaß der Balzacschen Some-

die humaine zu schreiben-. Und vom Dichter trafen zwei neue

Fortsetzungen ein, die die Gründung dreier Riesenkonzerne im Kau-
kasus, in Australien und im südlichen Lappland ausführlich schil-
derten.

Mit diesem Schreiben in der Tasche, das er dem Verlagsdirektor
nicht zu zeigen wagte, betrank sich Or. Balöcin entsetzlich. Hätte er
es nur eher getan! Denn dieser Abend brachte ihm die rettende
Zdce. Mit noch schmerzendem Schädel machte er sich andern Morgens
an die Arbeit und schrieb selbst zwei Fortsetzungen und den Schluß.

Bankkrach — Streik — Explosion — Börsenkatastrophe —: der
Meteor sinkt! Die Kinder sterben — die Frau vergiftet sich — der unter
solchen Schkcksalsschlägen zusammenbrechende Held trifft, nächtlich um-
herirrend, die verlassene Iugendgeliebte —: Schlaganfall! Ein betrun-
kener Arbeiter stolpert über die unerkannte Leiche, geht schimpfend
weiter —: Schluß.

Schmunzelnd vernichtet Or.Balöcin die noch lagernden Fortsehungen
Toni von Gelderns, übergibt seinem ahnungslosen Stellvertreter die
eigenen Elaborate mit dem Endvermerk „Schluß folgt" und steckt den
genialen Schluß zu sich, um ihn vom Urlaubsort einzusenden. Trium-
phierend fährt er ab.

Seht: da liegt er im Schaukelstuhl in der warmen Frühlingssonne
und liest — ein Bild innerster Zufriedenheit — die selbst ersonnenen
Katastrophen!

Die nächste Bummer aber mit dem erlösenden „Schluß folgt" ver-
seht ihn geradezu in einen Freudentaumel! Kaum kann er die Post
erwarten, die ihm die Zeitung mit dem Wort „Ende" bringt. Mit
fiebernden Händen greift er danach — —

— — Warum
weiten sich die
Augen des Herrn
Or. Balöcin plötz-
lich so schreckhaft?

Warum weicht
alles Blut aus
seinen Wangen?

Ach, die drei klei-
nen, winzig ge-
druckten Worte
sind's, die ihn so erregen: „Fortsetzung statt Schluß!"

Der rechtmäßige Autor hat die Arbeit wieder ausgenommen und
biegt — ein Herkules — den Schicksalsweg seines Helden wieder zur
Höhe! Alle Katastrophen umsonst — mehr als umsonst —: Erbschaften,
Versicherungssummen von schwindelerregender Größe stärken dem
Giganten von neuem das Rückgrat. Und der nichts ahnende Ver-
treter des Redakteurs druckt alles in bestem Glauben-: Dr. Balöcin

aber, der den Meteor meuchlerisch zum Erlöschen bringen wollte, bricht
verzweifelt zusammen-

-Ich erfuhr diese Geschichte neulich vom Chefarzt der Irren-
anstalt, die Or. Balöcin seitdem beherbergt.

„Sein Zustand ist hoffnungslos," sagte der Arzt, „er fühlt sich
von Fortsetzungen verfolgt. Anfangs habe ich versucht, ihn zu heilen,
indem ich ihm mitteilte, Toni von Geldern sek plötzlich gestorben. Da
leuchtete ein kleines Licht auf in seinen Augen — aber dann erlosch es
wieder und er schüttelte traurig den Kopf. ,Was hilst's - ?‘ sagte er,
,nun wird sein Sohn das Recht der Fortsetzungen erben — und dann

sein Enkel und Urenkel-‘ Und sofort fiel er wieder in gänzliche

Umnachtung —: Mißtrauisch hinter sich blickend, schlich er davon mit
seinem stereotypen Murmeln: ,Fortsetzung folgt — Fortsetzung
folgt-' Er wird nicht mehr zu heilen sein -"

Es ist wirklich schade um diesen tüchtigen Zeitungsmann!

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fortsetzung folgt --. Der Roman eines Romans"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4213, S. 212

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