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3m Zirkus Barsoli war Aufregung. Flix, der Terrier von der
Starnummer Flix und Flax, war entwischt. Herr Flax, der Menschen-
partner, blieb untröstlich, soviel man ihm auch zusprach, daß der Hund
sich schon zu der gewohnten Mahlzeit wieder einfinden würde.

„Wir müssen probieren," jammerte er, „der Hund muß täglich
üben,- jeden Mittag Punkt zwölf Uhr ist er es gewohnt, seine drei,
vier Saltomortalsprünge zu machen und wenigstens ein paar Minuten
auf den Vorderpfoten zu laufen. Die Bummer klappt heute abend
nicht. Sie werden sehen, Herr Direktor - Sie werden es erleben ..."

Flix — frei ist der Bursch — jagte über den Marktplatz der kleinen
Stadt. Sperlinge waren reizlos, qber die Katze des Kolonialwaren-
händlers — das war Wild nach seinen Wünschen.

Er erwischte sie am Schwanz im letzten Moment, als sie sich auf ein
Faß im Laden rettete. So schnell ging das, daß dem Flix nur der
rauhe Geschmack von Haaren aus der Zunge blieb. — Aber da geschah
etwas Merkwürdiges! Eine Art Verwandlung, wie er sie aus dem
Zirkus kannte, ging vor sich. Der Deckel des Fasses drehte sich um sich
selber, die Katze verschwand in der Versenkung - und der Deckel lag
wieder auf dem Faß, als wäre nichts geschehen. Als sich hinter dem
Ladentisch Geschrei erhob, zog Flix es vor, zu verschwinden. Der junge
Verkäufer aber zog entsetzt die Katze aus dem süßen Sumpf, in dem sie
am Versinken war. Dann setzte er sie in den Hof, ein klebriges selt-
sames Tier, das mit Begeisterung sich abzulecken begann. — Denn so.ist
das Leben: wenn wir am allerwenigsten darandenken, schenkt es uns Ge-
währung unserer Wünsche. Mancher träumt vom Ruhm lind findet eine
Braut.EineKatze mag an Honig denken—und fällt in einMarmeladenfaß.

Flix strolchte die Bäckergasse entlang, als die erwähnte Braut auf-
tauchte. Sie war keineswegs seiner Rasse,- dem Größenverhältnis
nach konnte sie -' ine Mutter sein, aber Flix liebte sie auf den ersten
Blick. Er ging auf sie zu, gravitätisch und im Takt eines Marsches,
der ihm im Blut war nach so vielen Abenden. Als er vor ihr stand,
warf er sich zur Erde und legte sich auf den Rücken. Mußte das nicht
gefallen! Aber sie schien mehr erstaunt als bewundernd. Zwar knurrte
fie nicht mehr, aber ihr Blick bestrich ihn fassungslos. Da beschloß er,
sie vollends zu betören, und wie er es gelernt hatte, begann er sich zu
wälzen,- eine Nudelwalze rollte da
um ihre eigene Achse Es war ge-
wiß sehr schwer, denn als er sich er-
hob, warTriumph in seinenAugen.

Aber sie begriff das nicht! Als er
sich ihr näherte, sehr näherte, tat

sie eine rasche Bewegung und stand wieder Auge in Auge mit ihm. Er
zog den Rest seines Schwanzes ein. Also war das nicht gut ? Er hatte nicht
gefallen? Merkwürdig, die Menschen pflegten doch sogar zu klatschen!

Er stieß ein kurzes Bellen aus, so etwa: Pass' auf! Jetzt aber!
Und schon schnellte er sich in die Lust und flog um sich selbst. „Wau!"
rief er, das hieß: Salto! „Wauwau" — doppelt! Sein kleiner weißer
Körper wirbelte nur so. Dann, als er zur Erde kam, warf er seinen
Hinterleib in die Höhe und lief auf den Vorderpfoten. Spazierte hin
und her vor ihrer Schnauze, wanderte auf diesen kleinen Pfoten und
Beinchen - ein unwahrscheinliches, nie gesehenes Bild, plötzlich aber
mußte er sich auf seine vier Beine fallen lassen, denn — unbegreiflich,
als ob der Teufel sie jage, raste die Hündin davon. Flix, im Augen-
blick starr, fand sich rasch und sauste hinterdrein. Was! er, ein Künstler,
warb um diese Bürgerin! Er, der den Menschen imponierte — und
das jeden Abend! — er sollte verschmäht werden von dieser dummen
Person! Und seine Liebe kehrte sich in Trotz. Dies Nun-gerade saß
ihm im Nacken, hetzte ihn, daß er an der Ecke des Marktes tatsächlich
die viel schnellere Hündin einholte. Und der Zorn machte ihn sinnlos.
Wie eine Katze saß er ihr im Genick, packte sie am Ohr, zerrte sie,
daß sie aufjaulte. Hin und her riß er sie. Und merkwürdig, ganz un-
erwartet, die Hündin hielt still. Es kam etwas Schmeichelndes, Weiches
in ihre Bewegungen. Als er einen Augenblick vor ihr stand und sie
grimmig anstarrte, leckte sie über seine Schnauze. -

Flix war durchaus nicht nachtragend, das konnte niemand sagen.
Er machte gute Miene zum beabsichtigten Spiel. -

Als eine gutgezielte leere Konservendose, von der wütenden Faust
des Kolonialwarenhändlers geschleudert, sie trennte, hatten sie sich nichts
mehr zu sagen.

Merkwürdig, dachte Flix, als er nach Hause trollte, höchst unbe-
greiflich, diese Weiber. Ich, ein Künstler, muß zur rohen Gewalt
greifen, um zu gefallen! Oder hängt das vielleicht mit der Liebe zu-
sammen ? Kurlos, kurios...

Punkt zwölf Uhr betrat Flix den Zirkus, lief den Gang hinunter,
geradewegs in die Arena. Hier begann er seine Kunststücke zu probieren,
auch ohne seinen Menschenpartner, den die lachenden Kollegen erst aus

der Garderobe holen mußten. —
„ Wo warst du denn, mein Flix?"
Flix schwieg. Ties in Gedanken.
Das Leben hate ihn angerührt,
das wirkliche Leben mit seinen Un-
begreiflichkeiten. —

j I

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Künstler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flechtner, Otto
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4217, S. 259

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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