Umzug
Frau 31act)barin, Frau Nachbarin,
Kaum trau' ich mich zu fragen,
Vor Eurem Haus seit Tagsbeginn
Steht schon der Möbelwagen!? —
Und Schritte dröhnen plump und schwer.
So sprecht doch nur ein Wort!
Gefällt's Euch hier denn gar nicht mehr,
bind wollt Ihr wirklich fort? —
Ost schenktet Ihr, Frau Nachbarin,
Dem dankbaren Poeten
Ein Blickchen her, ein Lächeln hin
Und flüchtiges Erröten,
Flog gar ein Grützen wundersam
Und sonnig mir ins Haus.
Ich weiß halt selbst nicht, wie es kam,
Dann wurden, Verse draus!-
Wenn man
„3a, meine Herren, wenn man Pech hat!" sagte am Stammtisch
der alte Gymnasialprofessor Bücherwurm. „Da könnte ich Ihnen eine
Geschichte zum besten geben!"
„Erzählen! Erzählen!" tönte cs von allen Seiten."
„Also hören Sie. Doch vorher geben Sie mir erst noch ein Glas
Bier, Herr Ober, die Sache regt mich heute immer noch auf. Vor vielen
Jahre»' sitze ich eines schönen Nachmittags in meinem Zimmer und
sehe die Hefte meiner Quintaner nach. Auf einmal klopft es und auf
mein ,Herein' tritt ein Reisender ins Zimmer und bietet mir Stoffe
zu Anzügen und Beinkleidern an. Trotzdem ich keinen Bedarf hatte,
nahm ich ihm aber, nur um ihn loszuwerden, schließlich doch eine
Hose ab. Das Zeug sah nicht schlecht aus, schön schwarz und weift
korricrt, wie es damals Mode war, und ich ließ mir die Hose machen.
Nach einiger Zeit wollte ich mit meiner Klasse einen Ausflug unter-
nehmen, und da es herrliches Wetter war, zog ich das neue Kleidungs-
stück an und zog mit den Jungen los. Unterwegs wurden wir von
einem tüchtigen Gewitter überrascht und alle bis auf die Haut naß.
Na, das schadete nichts weiter, die warme Sonne würde uns bald
wieder trocknen. Das geschah denn auch, doch zu meinem größten
Schrecken mußte ich die unangenehme Wahrnehmung machen, daß
meine Hose, je trockener sie wurde, desto mehr an Länge einbüßte.
Zuletzt reichte sie mir kaum noch bis zu den Waden. In diesem Auf-
zuge konnte ich unmöglich mit meinen Quintanern in die Stadt ein-
ziehen, und so warteten wir denn in einem Gartenlokal die Dunkel-
heit ab. Spätabends kamen wir endlich wieder an und ich wurde
schon mit Ungeduld und heftigen Vorwürfen der Eltern empfangen,
die ihrer Sprößlinge wegen eine Todesangst ausgestanden hatten.
— In meiner Wohnung wieder angelangt, nahm ich das unglückselige
So haben zwanglos wir uns schon
Gar mancherlei versprochen.
Jedoch — abzüglich Illusion
So gut wie nichts verbrochen.
Froh lachte Euer roter Mund,
Wenn ich im Fenster lag,
Ein Leuchten Eurer Augen — und;
Glückselig war der Tag!
Bestellt dem Schicksal Euren Dank,
Daß wir uns niemals trafen
Im Garten an der Ulmenbank,
Wo nachts die Amseln schlafen.
Ich weiß, daß ich ein Leichtfink bin,
Selbst wenn's gefährlich ist:
Frau Nachbarin, Frau Nachbarin-
Ich hätte dich geküßt!-
Max £a cf mann
)3ech hat!
Stück und hing es in den Kleiderschrank, wo er am tiefsten war. Ich
dachte schon gar nicht mehr daran, als eines schönen Tages ein .Hand-
werksbursche mich um Kleidungsstücke ansprach. Blitzartig fuhr cs mir
durch den Sinn, daß dies eine günstige Gelegenheit wäre, die schöne
Hose aus anständige Art und Weise loszuwerden und außerdem
noch ein gutes Werk zu tun. Also: Gedacht, getan. Mit vielen Dankes-
worten zog der Ritter der Landstraße ab und ich war den Stein des
Anstoßes los. Nach einigen Tagen kam ich früh in die Klasse und
merkte sofort, daß irgendein Ereignis die Gemüter der Zungen leb-
haft bewegte. Ein Raunen und Tuscheln, Kichern und Lachen ringsum.
Schließlich fragte ich den ersten, was das bedeuten solle. Unter all-
gemeinem Gelächter erklärte mir dieser, daß meine Hose bei dem Trödler
Levi hänge. Nach Schulschluß ging ich hin, und richtig, an einer Stange,
so daß man sie recht schön sehen konnte, hing meine Hose als paradc-
stück vor der Ladentüre und flatterte lustig im Winde hin und her.
Meine Bitte an den Ladeninhaber, sie doch herunterzunehmen, blieb er-
folglos. So zog ich denn meinen mageren Beutel, kaufte dem Manne
für teures Geld meine eigene Hose ab und trug sie wieder nach meiner
Behausung. Dort hängt sie noch heute in den tiefsten Tiefen des Kleider-
schrankes, trotzdem mich im Laufe der Zahre noch viele Handwcrks-
burschen um Kleidungsstücke angesprochen haben.
Za, ja, meine Herren, so kann es einem gehen, wenn man eben
Pech haben soll!"
34
Frau 31act)barin, Frau Nachbarin,
Kaum trau' ich mich zu fragen,
Vor Eurem Haus seit Tagsbeginn
Steht schon der Möbelwagen!? —
Und Schritte dröhnen plump und schwer.
So sprecht doch nur ein Wort!
Gefällt's Euch hier denn gar nicht mehr,
bind wollt Ihr wirklich fort? —
Ost schenktet Ihr, Frau Nachbarin,
Dem dankbaren Poeten
Ein Blickchen her, ein Lächeln hin
Und flüchtiges Erröten,
Flog gar ein Grützen wundersam
Und sonnig mir ins Haus.
Ich weiß halt selbst nicht, wie es kam,
Dann wurden, Verse draus!-
Wenn man
„3a, meine Herren, wenn man Pech hat!" sagte am Stammtisch
der alte Gymnasialprofessor Bücherwurm. „Da könnte ich Ihnen eine
Geschichte zum besten geben!"
„Erzählen! Erzählen!" tönte cs von allen Seiten."
„Also hören Sie. Doch vorher geben Sie mir erst noch ein Glas
Bier, Herr Ober, die Sache regt mich heute immer noch auf. Vor vielen
Jahre»' sitze ich eines schönen Nachmittags in meinem Zimmer und
sehe die Hefte meiner Quintaner nach. Auf einmal klopft es und auf
mein ,Herein' tritt ein Reisender ins Zimmer und bietet mir Stoffe
zu Anzügen und Beinkleidern an. Trotzdem ich keinen Bedarf hatte,
nahm ich ihm aber, nur um ihn loszuwerden, schließlich doch eine
Hose ab. Das Zeug sah nicht schlecht aus, schön schwarz und weift
korricrt, wie es damals Mode war, und ich ließ mir die Hose machen.
Nach einiger Zeit wollte ich mit meiner Klasse einen Ausflug unter-
nehmen, und da es herrliches Wetter war, zog ich das neue Kleidungs-
stück an und zog mit den Jungen los. Unterwegs wurden wir von
einem tüchtigen Gewitter überrascht und alle bis auf die Haut naß.
Na, das schadete nichts weiter, die warme Sonne würde uns bald
wieder trocknen. Das geschah denn auch, doch zu meinem größten
Schrecken mußte ich die unangenehme Wahrnehmung machen, daß
meine Hose, je trockener sie wurde, desto mehr an Länge einbüßte.
Zuletzt reichte sie mir kaum noch bis zu den Waden. In diesem Auf-
zuge konnte ich unmöglich mit meinen Quintanern in die Stadt ein-
ziehen, und so warteten wir denn in einem Gartenlokal die Dunkel-
heit ab. Spätabends kamen wir endlich wieder an und ich wurde
schon mit Ungeduld und heftigen Vorwürfen der Eltern empfangen,
die ihrer Sprößlinge wegen eine Todesangst ausgestanden hatten.
— In meiner Wohnung wieder angelangt, nahm ich das unglückselige
So haben zwanglos wir uns schon
Gar mancherlei versprochen.
Jedoch — abzüglich Illusion
So gut wie nichts verbrochen.
Froh lachte Euer roter Mund,
Wenn ich im Fenster lag,
Ein Leuchten Eurer Augen — und;
Glückselig war der Tag!
Bestellt dem Schicksal Euren Dank,
Daß wir uns niemals trafen
Im Garten an der Ulmenbank,
Wo nachts die Amseln schlafen.
Ich weiß, daß ich ein Leichtfink bin,
Selbst wenn's gefährlich ist:
Frau Nachbarin, Frau Nachbarin-
Ich hätte dich geküßt!-
Max £a cf mann
)3ech hat!
Stück und hing es in den Kleiderschrank, wo er am tiefsten war. Ich
dachte schon gar nicht mehr daran, als eines schönen Tages ein .Hand-
werksbursche mich um Kleidungsstücke ansprach. Blitzartig fuhr cs mir
durch den Sinn, daß dies eine günstige Gelegenheit wäre, die schöne
Hose aus anständige Art und Weise loszuwerden und außerdem
noch ein gutes Werk zu tun. Also: Gedacht, getan. Mit vielen Dankes-
worten zog der Ritter der Landstraße ab und ich war den Stein des
Anstoßes los. Nach einigen Tagen kam ich früh in die Klasse und
merkte sofort, daß irgendein Ereignis die Gemüter der Zungen leb-
haft bewegte. Ein Raunen und Tuscheln, Kichern und Lachen ringsum.
Schließlich fragte ich den ersten, was das bedeuten solle. Unter all-
gemeinem Gelächter erklärte mir dieser, daß meine Hose bei dem Trödler
Levi hänge. Nach Schulschluß ging ich hin, und richtig, an einer Stange,
so daß man sie recht schön sehen konnte, hing meine Hose als paradc-
stück vor der Ladentüre und flatterte lustig im Winde hin und her.
Meine Bitte an den Ladeninhaber, sie doch herunterzunehmen, blieb er-
folglos. So zog ich denn meinen mageren Beutel, kaufte dem Manne
für teures Geld meine eigene Hose ab und trug sie wieder nach meiner
Behausung. Dort hängt sie noch heute in den tiefsten Tiefen des Kleider-
schrankes, trotzdem mich im Laufe der Zahre noch viele Handwcrks-
burschen um Kleidungsstücke angesprochen haben.
Za, ja, meine Herren, so kann es einem gehen, wenn man eben
Pech haben soll!"
34
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn man Pech hat!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4224, S. 34
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg