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„Merkwürdig wie das Gedächtnis nachläßt! — Hat jetzt gestern
unsere zweite Tochter zum drittenmal geheiratet oder unsere dritte
erst zum zweitenmal?"

Gespräch mit dem Teufel

Draußen, an der Peripherie von Wien, gegen den Galitzinberg zu,
wo die Wachleute zu ihrer eigenen Sicherheit paarweise patrouillie-
ren, steht ein kleines Wirtshaus mit einem Schanigarten. So nennt
der Wiener den IranSportabeln Garten, bestehend aus zwei Oleander-
kübeln, den der Schani bei Bedarf hinauöträgt.

Als ich das Etabliffement betrat, saß an dem einzigen halbwegs
beschatteten Tisch eine hagere Figur in fliegendem Radmantel, wie
ihn ältere Komödianten gerne tragen, und döste über einem Viertel
Rotwein. Ich setzte mich mit einer Höflichkeitsphrase zu ihm und wir
waren bald im Plaudern. Nämlich er erzählte und ich hörte zu.

„Wenn Sie wissen wollen, wer ich bin" — ich hatte keinen solchen
Wunsch geäußert, aber er setzte ihn voraus - „so gerate ich schier
in Verlegenheit, so viele Namen eignen mir. Ich bin Luzifer und
Satan und Fliegengott, vorzüglich aber Mephistopheles, seine höl-
lische Majestät von Goethes Gnaden. Und wenn ich Sie von meiner
Verwandtschaft unterhalten darf. Ich bin des Chaos vielgeliebter
Sohn - Vers 8027 in Faust 2 — und daher der Bruder der Phor-
kpaden, denn die sind des Chaos Töchter unbestritten — Vers 8028
-. Und da ich weiter der Vater aller Hindernisse bin - Vers 6205
- sind die Phorkpadcn die Tanten der Hindernisse und diese die
Enkel des Chaos. Doch gerät man hier leicht in's Ungewisse. Sind
doch laut Vers 7990 die Parzen die Schwestern des Chaos und der
PhorkyadenIo daß diese zugleich Schwestern und Töchter des Chaos
sind, ich also gleichzeitig Bruder und Neffe dieser Urbilder aller Mies-
heit. Kann man das Chaos schlagender charakterisieren? Freilich,
wer weiß, vielleicht war hier keine künstlerische Absicht Goethes am
Werke, sondern es ist einfach ein Vers achtlos, wie ein Regenschirm
stehen geblieben, der dann zu dem Übrigen nicht mehr paßte. Ver-
zeihen Sie das BlaSphemische dieser Vermutung, aber mich däucht,
sie trifft zu.

Und womit ich mich beschäftige? Ich habe mich als Vater aller
Hindernisse spezialisiert und da gibt es reichlich zu tun. So reichlich,

daß ich nicht alles bewältigen kann. Da habe ich also eine Anzahl
Subteufelchen in Sold, die gute Arbeit leisten. Einer von ihnen —
er führt den Namen Aribold, aber wir rufen ihn bei dem Kosenamen
Kurzschluß - besitzt einen elektrisch leitenden Schweif. Den braucht
er nur um ein paar Drähte zu schlingen und ein Stadtteil ist ohne
Licht. Die Wagen der Straßenbahn bleibewstehen und in den Kinos
finden die Lippen zueinander, besser als bei hellster Beleuchtung. Zu
meinen Günstlingen zählt der Druckfehlerteufel. Er ist mit der Technik
fortgeschritten. Seit mit der Linotype gesetzt wird, begnügt er sich nicht
mehr, einzelne Buchstaben zu vertauschen, sondern verhebt gleich ganze
Zeilen, so daß der Leser glaubt, der Teufel muß ihn holen. Der guckt
ihm aber nur über die Schulter und grinst. Am liebsten freilich
tummelt er sich in Ziehungslisten herum. Gaukelt einem armen Teufel
(der aber kein Kollege, sondern nur symbolisch aufzufaffen ist) vor, er
habe das große Los gewonnen, während es bloß ein Druckfehler war.
Den andern aber, der das Haupttrefferlos wirklich besitzt, verführt
er, es in das Feuer zu werfen. Dann führt er die zwei noch zusammen
und läßt sie einander ihr Mißgeschick erzählen. Es ist ein Hauptjur.

Der kleine Jthuriel, noch kein ausgewachsener Teufel, sondern eine
Novize ohne die schwarzen Weihen, macht sich auch schon nützlich. Er
treibt sich in Parks herum und entfernt bei frischgestrichenen Bänken
die warnenden Papierchen. Da sitzt dann das Publikum auf feuchter
Farbe und geht grüngestreift nachhause, daß es eine Pracht ist. Auch
der Fernsprecher ist eine Erfindung des Teufels.

Wichtige Sachen behalte ich mir selbst vor. Hat einer mit einem
affenjungen Ding ein Stelldichein, so bin ich es, der die Hindernisse
aus dem Wege räumt und dem Unfug freie Bahn schafft. Hab' ich
doch meine Freude dran. Schön ist es auch, bei der Eisenbahn die

Kennzeichen

„Heut hat mir a besserer Herr scho a Maß Bier zahlt."

„Dös glaab i net, daß a Beffana g'we'n iö."

„Freili is' 's a Beffana g'we'n, er hat ja ganz nach der Schrift
g'red't."

„Dös glaab i net, daß er naa, ver Schrift g'red't hat."

„Sell is g'wiß wahr, weil ihn koana vo' uns verstand'» hat, so
noblig hat er g'red't."

I 16
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Alten" "Kennzeichen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Hesse, Rudolf
Krombach, Paul
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4231, S. 116

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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