Treibjagd
Eine aufregende Geschichte von
Abendfrieden am Deutschen Rhein
Nun schweigt sich aus der hehren Glocken Mund. -
Er gab mit erzgebornen weiten Lungen
Im deutschen Land den stillen Abend kund,
Hat lauten Tages Grabeslied gesungen.
Auf fernen Türmen, trauten Giebeln ruht
In kurzer Rast auf ihrer Weltenreise
Der Abendsonne letzte Feuerglut
Und spiegelt sich in altgewohnter Weise
In deutschen Rheines eilig-grüner Flut.
Und ringsumher, auf lauen Windesflügeln,
Soweit das trunkne Auge forschend schweift,
Schickt sie den Abschiedsgruß nach stolzen Hügeln
Wo rein und keusch die edle Traube reift.
Der alten Burgen längst entseelt Gemäuer
Gibt sie sich flüchtig und liebkosend hin,
Haucht ihm in 's fahle Grau des Lebens Feuer
In ihrem angebornen Werdesinn.
Und dort.... an Hütten schlanke Weinftockreben,
Wie klettert sie so lustig und gewandt -
Und setzt in ihrem heißen Aufwärtsstreben
Das höchste Fenster jetzt in hellen Brand.
Auf breitem Strom eilt emsig Schiff und Nachen
Mit schwerem Gut dem nahen Ziele zu
Und sonngebräunter Schiffer frohes Lachen
Durchbricht des Abendfriedens süße Ruh.
Auö weiter Flur, auf staub'gen Landeswegen,
Naht schleppend sich in seiner Überlast
Des Jahres reicher, goldner Erntesegen,
Den, wohlverwahrt, die leere Tenne faßt.
Doch aus des grünen Tales stiller Enge
Steigt ein Choral heraus zum Abendstern,
Ein Völklein zieht mit kirchlichem Gepränge
Und lobt und preiset seinen Gott und Herrn.
Zu viel — zu schön - um es nur auszudenken,
Wenn sanft von diesem Frieden hier ein Stück
Sich würde in des Volkes Seele senken
Und führen es zur Einigkeit zurück! B-r»h.Wmgi-m
Otto Grüne
Tante Malchen hatte eine Warze.
Auf der Nase.
Gleich links am Eingang.
Eine gut gewachsene, soweit ganz gesund aussehende Warze in
oer Blüte ihrer Jahre.
Es war wirklich aufregend.
Wann man auch mit Tante Malchen zusammentraf, immer drehte
sich die Unterhaltung um die Warze. Überhaupt drehte sich bei Tante
Malchen die Erde nicht um die Sonne, sondern um ihre Warze.
Tante Malchen war dankbar für jeden Rat.
Unermüdlich probierte sie neue Mittel.
Der Apotheker und zwei Drogisten aus ihrem Viertel wurden
wohlhabende Leute: der Apotheker kaufte sich ein Landhäuschen, der
eine Drogist ein Motorboot, der zweite führte einen ausschweifenden
Lebenswandel.
Tante Malchen mußte sich schließlich eine Kartothek anlegen, damit
sie mit ihren Experimenten nicht durcheinander kam.
Trotz der fortgesetzten Mißhandlungen durch Bäder, Warzenftifte,
Pillen, Pinzetten, Maffagen, Röntgenstrahlen, Salben, Messer,
Säuren, Zangen, Gifte, Brennscheren und Ofenhaken ging es der
Warze wie ihrer Besitzerin, sie blühte und gedieh.
Aus purer Langeweile hatte sie sich in der Zwischenzeit einen blonden
Vollbart stehen lassen.
Die Warze, nicht die Tante.
Bis Tante Malchen eines Tages zufällig ein Mittel zum Ent-
fernen von Rostflecken aus Damasttischtüchern in die Hand bekam.
Gewohnheitsmäßig betupfte sie mit dem Fleckenwasser zunächst ihr
Sorgenkind.
Worauf die Warze verschwand.
Tante Malchen stieß einen spitzen Schrei aus, rannte aufgeregt
zu allen Mitgliedern ihrer weitverzweigten Familie und zeigte trium-
phierend ihren warzenfreien Giebel.
Sie hatte zu früh gejubelt: nach einer Woche erschien die Warze,
verjüngt und verschönt, auf dem rechten Daumen.
Tante Malchen pinselte eifrig, worauf sie verduftete.
Um nach einigen Tagen am Kinn aufzutreten.
1*2
Eine aufregende Geschichte von
Abendfrieden am Deutschen Rhein
Nun schweigt sich aus der hehren Glocken Mund. -
Er gab mit erzgebornen weiten Lungen
Im deutschen Land den stillen Abend kund,
Hat lauten Tages Grabeslied gesungen.
Auf fernen Türmen, trauten Giebeln ruht
In kurzer Rast auf ihrer Weltenreise
Der Abendsonne letzte Feuerglut
Und spiegelt sich in altgewohnter Weise
In deutschen Rheines eilig-grüner Flut.
Und ringsumher, auf lauen Windesflügeln,
Soweit das trunkne Auge forschend schweift,
Schickt sie den Abschiedsgruß nach stolzen Hügeln
Wo rein und keusch die edle Traube reift.
Der alten Burgen längst entseelt Gemäuer
Gibt sie sich flüchtig und liebkosend hin,
Haucht ihm in 's fahle Grau des Lebens Feuer
In ihrem angebornen Werdesinn.
Und dort.... an Hütten schlanke Weinftockreben,
Wie klettert sie so lustig und gewandt -
Und setzt in ihrem heißen Aufwärtsstreben
Das höchste Fenster jetzt in hellen Brand.
Auf breitem Strom eilt emsig Schiff und Nachen
Mit schwerem Gut dem nahen Ziele zu
Und sonngebräunter Schiffer frohes Lachen
Durchbricht des Abendfriedens süße Ruh.
Auö weiter Flur, auf staub'gen Landeswegen,
Naht schleppend sich in seiner Überlast
Des Jahres reicher, goldner Erntesegen,
Den, wohlverwahrt, die leere Tenne faßt.
Doch aus des grünen Tales stiller Enge
Steigt ein Choral heraus zum Abendstern,
Ein Völklein zieht mit kirchlichem Gepränge
Und lobt und preiset seinen Gott und Herrn.
Zu viel — zu schön - um es nur auszudenken,
Wenn sanft von diesem Frieden hier ein Stück
Sich würde in des Volkes Seele senken
Und führen es zur Einigkeit zurück! B-r»h.Wmgi-m
Otto Grüne
Tante Malchen hatte eine Warze.
Auf der Nase.
Gleich links am Eingang.
Eine gut gewachsene, soweit ganz gesund aussehende Warze in
oer Blüte ihrer Jahre.
Es war wirklich aufregend.
Wann man auch mit Tante Malchen zusammentraf, immer drehte
sich die Unterhaltung um die Warze. Überhaupt drehte sich bei Tante
Malchen die Erde nicht um die Sonne, sondern um ihre Warze.
Tante Malchen war dankbar für jeden Rat.
Unermüdlich probierte sie neue Mittel.
Der Apotheker und zwei Drogisten aus ihrem Viertel wurden
wohlhabende Leute: der Apotheker kaufte sich ein Landhäuschen, der
eine Drogist ein Motorboot, der zweite führte einen ausschweifenden
Lebenswandel.
Tante Malchen mußte sich schließlich eine Kartothek anlegen, damit
sie mit ihren Experimenten nicht durcheinander kam.
Trotz der fortgesetzten Mißhandlungen durch Bäder, Warzenftifte,
Pillen, Pinzetten, Maffagen, Röntgenstrahlen, Salben, Messer,
Säuren, Zangen, Gifte, Brennscheren und Ofenhaken ging es der
Warze wie ihrer Besitzerin, sie blühte und gedieh.
Aus purer Langeweile hatte sie sich in der Zwischenzeit einen blonden
Vollbart stehen lassen.
Die Warze, nicht die Tante.
Bis Tante Malchen eines Tages zufällig ein Mittel zum Ent-
fernen von Rostflecken aus Damasttischtüchern in die Hand bekam.
Gewohnheitsmäßig betupfte sie mit dem Fleckenwasser zunächst ihr
Sorgenkind.
Worauf die Warze verschwand.
Tante Malchen stieß einen spitzen Schrei aus, rannte aufgeregt
zu allen Mitgliedern ihrer weitverzweigten Familie und zeigte trium-
phierend ihren warzenfreien Giebel.
Sie hatte zu früh gejubelt: nach einer Woche erschien die Warze,
verjüngt und verschönt, auf dem rechten Daumen.
Tante Malchen pinselte eifrig, worauf sie verduftete.
Um nach einigen Tagen am Kinn aufzutreten.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Abendfrieden am Deutschen Rhein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4234, S. 152
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg