Politik
Zwei Männer unterhalten sich politisch. Es ist auch früher schon
mal modern gewesen. Nur war eS da so, nach Bismarck, daß fünf
Meinungen auf drei Deutsche kamen. Heute hat man überhaupt
keine Meinungen mehr, sondern ein Parteibuch. Manchmal auch
mehrere — gehabt. — „Und das Bier ist alleweil noch zu teuer!"
grollt Herr Armfest. - „Stinkreich werden die Kapitalisten bei
dennane Bierpreis!" erbost sich Beilschlag.
„WaS woll'n S' denn," mischt sich der wohltemperierte Herr
Celsius ein. „trinken S' halt keins mehr, dann sind die Kapitalisten
gleich hin!" —„Sie fand aa so a Reaktionär!" knurrt der Armfest.
„Und so a vakappta Trockenleger, Herrr!" wurmt sich Beilhieb.
„Gehn S', reden S' net so g'schwoll'n daher. Was hat denn
nach« des Bier mit der Politik z'tun, möcht ich schon wissen!"
„Sie fand aa so ein politisch unreifer Kopf. Was des Bier mit
der Politik z'tun hat, fragt der. Ja so was!"entrüstetsich Beilhieb.
Armfest aber lächelt verzeihend. „Der trinkt halt seine Maßl'n aus
Kosten der berufstätigen Allgemeinheit, der Bazi!"
„Augenblicklich nehmen S' den Bazi zurück!"
„Nix nehm i z'ruck. Meine politische Überzeugung üst mür heutig!"
Der Schaffner, der neutralerweise zugehört hat, denkt: Aha, jetzt
wird 'S hochdeutsch, gleich wird 's einen parlamentarischen Krach
absetzen. Und freundlich sagt er: „Wenn S' streiten wollen, steigen
S' bittschön aus, meine Herrn!" Die drei schauen sich mit lohender
Entrüstung an. Und als der Schaffner in den Wagen geht, schimpfen
sie viribus unitis auf die unhaltbaren Zustände im heimischen
Verkehrswesen. Weil 'S Schimpfen die modernste Politik ist. Die
weltbeglückende.
Gründliche Auskunft
Da man die Schönheiten von Waldburg in allen Tonarten rühmte,
beschloß ich, diesem Orte einen Besuch abzustatten. Lange und einsam
war der Weg. Endlich glaubte ich über einem blauen Hügel eine
Turmspitze zu erkennen und zu meiner Freude bog ei» Mann um die
Krümmung der Straße, den ich über die Entfernung von Waldburg
und über sonstiges Nützliche ausholen wollte.
„Entschuldigen Sie," rief ich, als er in Hörweite gekommen war,
„wie lange brauche ich noch nach Waldburg?"
„Gehen Sie!" brummte jener, ohne in seinem gemächlichen
Schritt innezuhalten.
Ich glaubte nicht recht verstanden zu haben und fragte nochmals:
„Wie lange ist es noch bis Waldburg?"
„Gehen Sie!" wiederholte der sonderbare Mensch achsel-
zuckend.
Diese Rücksichtslosigkeit verdroß mich. Man konnte doch wohl einem
Fremden auf eine artige Frage eine Auskunft erteilen! Ich erwiderte
gereizt:
„Danke! Nachdem ich nicht fliegen und nicht reiten kann, muß ich
wohl gehen. Wenn es mit Waldburg so weit her ist, wie mit Ihrer
Höflichkeit, dann bin ich bald dort!"
Sprach 's und entfernte mich im Fünfkilometertempo. Der Mann
schrie mir nach: „Hallo! Wenn Sie so gehen, brauchen Sie nur
noch eine Stunde. Ich wollte doch zuerst sehen, wie rasch Sie weiter-
kommen, um Ihnen richtige Auskunft zu geben!"
Da begriff ich erst seine drollige Antwort und schwenkte dankend
den Hut. g
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Zwei Männer unterhalten sich politisch. Es ist auch früher schon
mal modern gewesen. Nur war eS da so, nach Bismarck, daß fünf
Meinungen auf drei Deutsche kamen. Heute hat man überhaupt
keine Meinungen mehr, sondern ein Parteibuch. Manchmal auch
mehrere — gehabt. — „Und das Bier ist alleweil noch zu teuer!"
grollt Herr Armfest. - „Stinkreich werden die Kapitalisten bei
dennane Bierpreis!" erbost sich Beilschlag.
„WaS woll'n S' denn," mischt sich der wohltemperierte Herr
Celsius ein. „trinken S' halt keins mehr, dann sind die Kapitalisten
gleich hin!" —„Sie fand aa so a Reaktionär!" knurrt der Armfest.
„Und so a vakappta Trockenleger, Herrr!" wurmt sich Beilhieb.
„Gehn S', reden S' net so g'schwoll'n daher. Was hat denn
nach« des Bier mit der Politik z'tun, möcht ich schon wissen!"
„Sie fand aa so ein politisch unreifer Kopf. Was des Bier mit
der Politik z'tun hat, fragt der. Ja so was!"entrüstetsich Beilhieb.
Armfest aber lächelt verzeihend. „Der trinkt halt seine Maßl'n aus
Kosten der berufstätigen Allgemeinheit, der Bazi!"
„Augenblicklich nehmen S' den Bazi zurück!"
„Nix nehm i z'ruck. Meine politische Überzeugung üst mür heutig!"
Der Schaffner, der neutralerweise zugehört hat, denkt: Aha, jetzt
wird 'S hochdeutsch, gleich wird 's einen parlamentarischen Krach
absetzen. Und freundlich sagt er: „Wenn S' streiten wollen, steigen
S' bittschön aus, meine Herrn!" Die drei schauen sich mit lohender
Entrüstung an. Und als der Schaffner in den Wagen geht, schimpfen
sie viribus unitis auf die unhaltbaren Zustände im heimischen
Verkehrswesen. Weil 'S Schimpfen die modernste Politik ist. Die
weltbeglückende.
Gründliche Auskunft
Da man die Schönheiten von Waldburg in allen Tonarten rühmte,
beschloß ich, diesem Orte einen Besuch abzustatten. Lange und einsam
war der Weg. Endlich glaubte ich über einem blauen Hügel eine
Turmspitze zu erkennen und zu meiner Freude bog ei» Mann um die
Krümmung der Straße, den ich über die Entfernung von Waldburg
und über sonstiges Nützliche ausholen wollte.
„Entschuldigen Sie," rief ich, als er in Hörweite gekommen war,
„wie lange brauche ich noch nach Waldburg?"
„Gehen Sie!" brummte jener, ohne in seinem gemächlichen
Schritt innezuhalten.
Ich glaubte nicht recht verstanden zu haben und fragte nochmals:
„Wie lange ist es noch bis Waldburg?"
„Gehen Sie!" wiederholte der sonderbare Mensch achsel-
zuckend.
Diese Rücksichtslosigkeit verdroß mich. Man konnte doch wohl einem
Fremden auf eine artige Frage eine Auskunft erteilen! Ich erwiderte
gereizt:
„Danke! Nachdem ich nicht fliegen und nicht reiten kann, muß ich
wohl gehen. Wenn es mit Waldburg so weit her ist, wie mit Ihrer
Höflichkeit, dann bin ich bald dort!"
Sprach 's und entfernte mich im Fünfkilometertempo. Der Mann
schrie mir nach: „Hallo! Wenn Sie so gehen, brauchen Sie nur
noch eine Stunde. Ich wollte doch zuerst sehen, wie rasch Sie weiter-
kommen, um Ihnen richtige Auskunft zu geben!"
Da begriff ich erst seine drollige Antwort und schwenkte dankend
den Hut. g
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Verkehrtes Sprichwort"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4245, S. 280
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg