Aus einer kleinen Grenzstation
Die Station T. lag im alten Oesterreich ebenso wie heute im
böhmischen Grenzgebiet, womit man bekanntlich jene Bezirke bezeichnet,
die unmittelbar an einen Nachbar-
staat grenzen. Das Städtchen 3.
ist wegen seiner landschaftlichen
Schönheit bekannt und wird gern
von Reisenden und Wandersleuten
ausgesucht.
Kurz nach Beendigung desKrie-
ges, der ja gar nicht an der böhmisch-
sächsischen Grenze abgehalten wurde,
fiel eS plötzlich den neuen Macht-
habern ein, in dieser Station ge-
gewaltige Umgruppierungen vor-
zunehmen, wie dies im Kriege vor
großen Offensiven geschah. Die freundnach-
barlichen Beziehungen zwischen Böhmen und
Sachsen wurden in T. am allerwenigsten ge-
stört und gerade dieser Jdealzustand war ge-
wiffen Leuten ein Dorn im Auge. Innerhalb
drei Tagen waren die alten Zoll- und Eisen-
bahnbeamten ausgewechselt, das heißt man
hat sie einige Kilometer weit ins Innere des
Böhmerlandes versetzt, wo es nach der
Meinung Unberufener Powidelbergwerke
geben soll. Von diesem Augenblick an wurde
die Station T. aus dem Verzeichnis der
Zoll-und Eisenbahnstationen gestrichen. Sie
hieß von nun an D. und bekam zum Zeichen
daß sie im „Böhmischen" liegt, ein Hakerl.
Das Hakerl wurde von da an geradezu zum
Symbol der Station, denn alles was da
kam und ging, hatte ein Hakerl. Nicht nur,
daß der Grenzverkehr, der sich bisher in leid-
lichen Bahnen abwickelte, auf einmal zu einem
waghalsigen Wagnis wurde, das mit Schi-
kanen verschiedener Art gewürzt wurde, es
fanden kleine und größere Zusammenstöße
auf den Schienen statt, kurz es wollte nicht
mehr klappen. Zu dieser Zeit ereignete sich
in D. (bitte mit Hakerl!) eine Verzollung.
Der Kaufmann Niedermeyer hatte sich eine
Tonne Matjesheringe bestellt, die dann auf
dem schnellsten Wege über die Grenze „ge-
rollt" kam. Er ging selber mit einem Fracht-
brief bewaffnet zum Bahnhof, um die Ware
auözulösen. Der neue Beamte (bitte auch mit Hakerl!)
sah ihn sehr von oben herab an und sagte: „Do
miffenö erst Zoll bazohlen."
„Ja seit wann denn? Ich habe Heringe immer
zollfrei bezogen!"
Darauf der neue Beamte: „Jo, dos wor in alte
Esterreich, mir seine me heite in Ceökoslowenska republika, alsdann
do heißtS zohlen."
Der Kaufmann Niedermayer sah schon im Geiste seine Heringe
wieder abrollen, denn Zoll konnte er nicht zahlen und wenn die
Matjesheringe »och so schön waren. Er verlegte sich daher aufs
Bitten: „Sehen Sie einmal, Herr
Oberrespizient, Zoll wird ja nur
für jene Waren eingehoben, die
auch im Inlande erzeugt werden,
um die eigene Industrie und den
eigenen Handel zu schützen. Aber
wir haben in Böhmen nirgends
Heringe gefangen, deshalb müffen
wir sie aus Deutschland beziehen."
„Nir Deitschland, müffens nur
Zoll zahlen."
Der Kaufmann ging nun auf
den Zoll ein und frug: „Wieviel
Kronen muß ich also Zoll zahlen?"
Nun war der Zöllner auf einmal aus dem
Gleichgewicht geworfen; wo sollte er denn das
finden? Dann ging ein Aufleuchten über sein
grüblerisches Antlitz.
„Dos iS Fleischeinfuhr und kostet pro
Kilo eine Katschee, mochts zusommen ein-
hundertfünfundzwanzig !"
„Das ist ja unmöglich, wenn das also
eine Fleischeinfuhr ist, dann muß eine ord-
nungsmäßige Beschau stattfinden."
„Machen me olleS, werd ich telerfurnieren
den Tierdoktoc."
Der Tierarzt kam wirklich und zum ersten,
male wurde einem Matjeshering die Ehre
einer veterinären Untersuchung zu teil.
Der Tierarzt hatte sofort die Situation er-
kannt, warf dem ihm bekannten Kaufmann
einen verständnisvollen Blick zu, und machte
sich mit Instrumenten und Mikroskop an die
Untersuchung einiger Prachtexemplare. Der
Zollbeamte war schon neugierig: „Hodens
Strichninen gefunden?"
Der Tierarzt verbiß ein Lachen: „Etwas
viel Schlimmeres. Die Tiere sind alle eines
gewaltsamen Todes gestorben. Was aber das
Schlimmste ist, in den von mir untersuch-
ten Heringen habe ich große Mengen von
Leichengift gefunden und müßte demnach auf
sofortiger Vernichtung bestehen. Das wäre
aber für Sie unangenehm, weshalb ichIhnen
vorschlage, laffen Sie den Kaufmann damit ziehen.
Er wird schweigen, Sie und ich haben schließlich auch
einige Ursache, die Geschichte nicht an die Öffent-
lichkeit dringen zu laffen."
So bekam der Kaufmann Niedermayer doch noch
seine Heringe, der Zollbeamte einen Backschisch und
der Tierarzt am Abend eine Flasche Wein, deren Genuß sich in der
Erinnerung an den Streich, den er dem Zollbeamten gespielt hatte,
wesentlich erhöhte . . . s»n,Hüm
Drei Freunde besahen die Körbe der Bienen.
Da sprach der eine mit Kennermienen
Und sehr gelehrt:
„Die Leute machen das meistens verkehrt.
Wenn dich mal eine Biene sticht,
So schrei' und schlag' und mehr’ dich nicht!
Halt' still und sei nicht aggressiv,
Dann gehts nicht tief;
Es wird die Biene nicht so milcl
Und sticht nur mild.“
Der zweite sprach ganz überlegen:
„Mir fällts nicht ein mich aufzuregen;
Denn wenn mich eine Biene sticht,
So spür’ ich's nicht.
’s ist nur ein Zeichen von Nervenschwäche
Sich einzubilden, die Biene steche.“
Hierauf der dritte mit heitern Gesicht :
„Ob eine Biene wirklich sticht,
Das weiß ich nicht;
Bestimmt aber weif* ich nur das Eine:
An mich geht keine.
- Da sieh! In heftigster Ekstase
Schlug jeder ßink auf Stirn’ und Nase
Und hinters Ohr und auf die Hand'
Und fluchte: „Himmelsapperment,
Verdammtes Luder — wie das brennt!“
Und benahm sich ganz
Wie ein Sioux beim Tanz
Und floh um die Ecke
Zur Apotheke,
Den Schmerz zu lindern
Und die Schwellung zu mindern.
Und als sie mit verbundenen Nasen
Beim Dämmerschoppen beisammensaßen,
Da meinte jeder recht gottergeben:
„Ausnahmen bestätigen die Regel eben.
D. A. Hustas
2
Die Station T. lag im alten Oesterreich ebenso wie heute im
böhmischen Grenzgebiet, womit man bekanntlich jene Bezirke bezeichnet,
die unmittelbar an einen Nachbar-
staat grenzen. Das Städtchen 3.
ist wegen seiner landschaftlichen
Schönheit bekannt und wird gern
von Reisenden und Wandersleuten
ausgesucht.
Kurz nach Beendigung desKrie-
ges, der ja gar nicht an der böhmisch-
sächsischen Grenze abgehalten wurde,
fiel eS plötzlich den neuen Macht-
habern ein, in dieser Station ge-
gewaltige Umgruppierungen vor-
zunehmen, wie dies im Kriege vor
großen Offensiven geschah. Die freundnach-
barlichen Beziehungen zwischen Böhmen und
Sachsen wurden in T. am allerwenigsten ge-
stört und gerade dieser Jdealzustand war ge-
wiffen Leuten ein Dorn im Auge. Innerhalb
drei Tagen waren die alten Zoll- und Eisen-
bahnbeamten ausgewechselt, das heißt man
hat sie einige Kilometer weit ins Innere des
Böhmerlandes versetzt, wo es nach der
Meinung Unberufener Powidelbergwerke
geben soll. Von diesem Augenblick an wurde
die Station T. aus dem Verzeichnis der
Zoll-und Eisenbahnstationen gestrichen. Sie
hieß von nun an D. und bekam zum Zeichen
daß sie im „Böhmischen" liegt, ein Hakerl.
Das Hakerl wurde von da an geradezu zum
Symbol der Station, denn alles was da
kam und ging, hatte ein Hakerl. Nicht nur,
daß der Grenzverkehr, der sich bisher in leid-
lichen Bahnen abwickelte, auf einmal zu einem
waghalsigen Wagnis wurde, das mit Schi-
kanen verschiedener Art gewürzt wurde, es
fanden kleine und größere Zusammenstöße
auf den Schienen statt, kurz es wollte nicht
mehr klappen. Zu dieser Zeit ereignete sich
in D. (bitte mit Hakerl!) eine Verzollung.
Der Kaufmann Niedermeyer hatte sich eine
Tonne Matjesheringe bestellt, die dann auf
dem schnellsten Wege über die Grenze „ge-
rollt" kam. Er ging selber mit einem Fracht-
brief bewaffnet zum Bahnhof, um die Ware
auözulösen. Der neue Beamte (bitte auch mit Hakerl!)
sah ihn sehr von oben herab an und sagte: „Do
miffenö erst Zoll bazohlen."
„Ja seit wann denn? Ich habe Heringe immer
zollfrei bezogen!"
Darauf der neue Beamte: „Jo, dos wor in alte
Esterreich, mir seine me heite in Ceökoslowenska republika, alsdann
do heißtS zohlen."
Der Kaufmann Niedermayer sah schon im Geiste seine Heringe
wieder abrollen, denn Zoll konnte er nicht zahlen und wenn die
Matjesheringe »och so schön waren. Er verlegte sich daher aufs
Bitten: „Sehen Sie einmal, Herr
Oberrespizient, Zoll wird ja nur
für jene Waren eingehoben, die
auch im Inlande erzeugt werden,
um die eigene Industrie und den
eigenen Handel zu schützen. Aber
wir haben in Böhmen nirgends
Heringe gefangen, deshalb müffen
wir sie aus Deutschland beziehen."
„Nir Deitschland, müffens nur
Zoll zahlen."
Der Kaufmann ging nun auf
den Zoll ein und frug: „Wieviel
Kronen muß ich also Zoll zahlen?"
Nun war der Zöllner auf einmal aus dem
Gleichgewicht geworfen; wo sollte er denn das
finden? Dann ging ein Aufleuchten über sein
grüblerisches Antlitz.
„Dos iS Fleischeinfuhr und kostet pro
Kilo eine Katschee, mochts zusommen ein-
hundertfünfundzwanzig !"
„Das ist ja unmöglich, wenn das also
eine Fleischeinfuhr ist, dann muß eine ord-
nungsmäßige Beschau stattfinden."
„Machen me olleS, werd ich telerfurnieren
den Tierdoktoc."
Der Tierarzt kam wirklich und zum ersten,
male wurde einem Matjeshering die Ehre
einer veterinären Untersuchung zu teil.
Der Tierarzt hatte sofort die Situation er-
kannt, warf dem ihm bekannten Kaufmann
einen verständnisvollen Blick zu, und machte
sich mit Instrumenten und Mikroskop an die
Untersuchung einiger Prachtexemplare. Der
Zollbeamte war schon neugierig: „Hodens
Strichninen gefunden?"
Der Tierarzt verbiß ein Lachen: „Etwas
viel Schlimmeres. Die Tiere sind alle eines
gewaltsamen Todes gestorben. Was aber das
Schlimmste ist, in den von mir untersuch-
ten Heringen habe ich große Mengen von
Leichengift gefunden und müßte demnach auf
sofortiger Vernichtung bestehen. Das wäre
aber für Sie unangenehm, weshalb ichIhnen
vorschlage, laffen Sie den Kaufmann damit ziehen.
Er wird schweigen, Sie und ich haben schließlich auch
einige Ursache, die Geschichte nicht an die Öffent-
lichkeit dringen zu laffen."
So bekam der Kaufmann Niedermayer doch noch
seine Heringe, der Zollbeamte einen Backschisch und
der Tierarzt am Abend eine Flasche Wein, deren Genuß sich in der
Erinnerung an den Streich, den er dem Zollbeamten gespielt hatte,
wesentlich erhöhte . . . s»n,Hüm
Drei Freunde besahen die Körbe der Bienen.
Da sprach der eine mit Kennermienen
Und sehr gelehrt:
„Die Leute machen das meistens verkehrt.
Wenn dich mal eine Biene sticht,
So schrei' und schlag' und mehr’ dich nicht!
Halt' still und sei nicht aggressiv,
Dann gehts nicht tief;
Es wird die Biene nicht so milcl
Und sticht nur mild.“
Der zweite sprach ganz überlegen:
„Mir fällts nicht ein mich aufzuregen;
Denn wenn mich eine Biene sticht,
So spür’ ich's nicht.
’s ist nur ein Zeichen von Nervenschwäche
Sich einzubilden, die Biene steche.“
Hierauf der dritte mit heitern Gesicht :
„Ob eine Biene wirklich sticht,
Das weiß ich nicht;
Bestimmt aber weif* ich nur das Eine:
An mich geht keine.
- Da sieh! In heftigster Ekstase
Schlug jeder ßink auf Stirn’ und Nase
Und hinters Ohr und auf die Hand'
Und fluchte: „Himmelsapperment,
Verdammtes Luder — wie das brennt!“
Und benahm sich ganz
Wie ein Sioux beim Tanz
Und floh um die Ecke
Zur Apotheke,
Den Schmerz zu lindern
Und die Schwellung zu mindern.
Und als sie mit verbundenen Nasen
Beim Dämmerschoppen beisammensaßen,
Da meinte jeder recht gottergeben:
„Ausnahmen bestätigen die Regel eben.
D. A. Hustas
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Bienen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4274, S. 2
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg