Splitter
Mach’, plötzlich frei den Sklaven, und
ich wette.
Er hängt noch an der abgerissenen
Kette. O.E.W.
Einem Tyrannen
Der Sklave duckt sich? Doch sei auf
der Hut,
Ob er’s nicht einmal „zum Sprunge“
tut! O.E.W.
Glosse
Man braucht in dieser Welt nicht viel
Gehirn,
Wenn man zu allem eins nur hat:
die Stirn. O.E.W.
DerHochzeitskasten
„Anton, jetzt muffen wir endlich - - „Ach, das dumme Hei-
raten!" — „Was dumm? Du wolltest ja schon vor einem Jahr — "
„Ach Verene, ich meine doch die dumme Klausel in den Heirats-
vorschristen! Wer die ersunden hat,
war sicher schon verheiratet. Ich
habe geglaubt, die Geschichte ginge
geringer." — „Ja, ich auch! Soll
mir ewig eine Warnung sein für
's nächstemal!"
„Nun gut, spute dich, dann wol-
len wir den Schrecken halt pro-
bieren. Pack du Brot und Besteck
ein und ich hole mir drüben den
Hinterschinken und einige Pfund
Käse. Das wird wohl für 14 Tage
reichen."-„Aber zum Trinken?"
„Herrgott, ja, das Trinken!
Nehmen wir halt 5 Liter Tiroler.
Nicht?" — „Ich hätte halt lieber
Waadtländer."
„Ach, daß du auch immer das
Gegenteilwillstalsich! GutlAlso!"
Anderntags wanderten die bei-
den zum Standesamt. Anton trug
auf dem Rücken einen alten Sack,
den er mit einem Hinterschinken,
gut geräuchert, mit zwei Fünf-
pfündern Brot und einem Laib-
chen Käse vollgepropft hatte. Ve-
rene hielt in ihrem ansehnlichen
Handkörbchen den Wein, Besteck
und diverse Kleinigkeiten verborgen.
Endlich langten die zwei „Hei-
ratslustigen" im Gemeindehause
an: Standesamt im dritten Stock!
orientierte eine große Tafel.
„Wo nur der Kasten ist?" meinte
die Braut beim Treppenaufgang.
„Natürlich im Standesamt
droben," bemerkt Anton weisheitsvoll, „aber, das verstehst du ja doch
nicht. — Nun schau, da sind wir ja schon am Ziel."
„Was wünschen Sie?" srug der Standesbeamte, indem er er-
staunt die Beiden und besonders Korb und Sack betrachtete.
Anton gab sich einen Ruck und sagte: „Herr Beamter, wir sind
gekommen — ach Sie wiffen schon — "
„Habe wirklich keine Ahnung! Wer sind Sie denn eigentlich?"
„Aber, ich bin doch der Anton
und das da ist meine Verene und
wir wollen nun endlich hei — hei-
raten - — "
„Ach so," lachte nun der Be-
amte, „nun dämmerts in meinem
Kopfe. Sie hatten sich ja ange-
meldet. Gut, ja. Ihre Schriften
sind in Ordnung. In sechs Wochen
können Sie heiraten." Er machte
dabei eine Handbewegung der Ent-
lastung, die Anton aber nicht ver-
stand. Er frug vielmehr: „Das ist
recht, Herr Beamter. Aber wo ist
"denn nun der Kasten?"
„Kasten? Was für ein Kasten?"
„Ach, doch der Hochzeitskasten!
Hier haben wir das Esten dazu."
Der Mann verstand natürlich
nicht und bat um eine Erklärung.
Etwas verlegen erwiderte nun
Anton: „Nun, in der Vorschrift
steht doch, daß wir, bevor wir hei-
raten können, 14 Tage lang in den
Kasten hinein müffen. Und deshalb
haben wir den Schinken und den
Wein hier mitgenommen. Wir
können doch nicht 14 Tage lang von
der Luft leben!"
Da dämmerte es in dem Kopfe
des Beamten. Und er lachte, wie
er noch nie gelacht, lachte Tränen,
und da ihn die beiden verständnis-
los anftarrten, erklärte er ihnen
endlich, daß nicht sie, sondern nur
ihre Schriften 14 Tage im Kasten
ausgestellt werden müffen, daß alle Welt davon Notiz oder Anstoß,
je nachdem, nehmen könne!
Da mußten die beiden selber lachen und schenkten in ihrer großen
Freud'den ganzen Hinterschinken dem Standesbeamten. z«rd.B«n
dBTä.
Betrachtung. „Die Eva war schon wirklich blöde. Sonst
hält’ sie die Schlange einfach gepackt und hätt' sich ein
modernes Kleidchen draus machen lasten!"
GLEICHNIS
Es steht am hohen Himmelszelt
Ein goldner Stern,
Er blickt hinunter auf die Welt:
„Wie liegt sie fern!
Wie liegt sie weit, wie schaut sie klein,
W ie arm und bloß!
Und glaubt doch Wunder, was zu sein,
Und dünkt sich groß!“
Die Menschen aber fühlen sich
Als mädit’ge Herrn:
„Er will uns höhnen! Lächerlich!
Der — winz’ge Stern!“ K.sdirader
28
Mach’, plötzlich frei den Sklaven, und
ich wette.
Er hängt noch an der abgerissenen
Kette. O.E.W.
Einem Tyrannen
Der Sklave duckt sich? Doch sei auf
der Hut,
Ob er’s nicht einmal „zum Sprunge“
tut! O.E.W.
Glosse
Man braucht in dieser Welt nicht viel
Gehirn,
Wenn man zu allem eins nur hat:
die Stirn. O.E.W.
DerHochzeitskasten
„Anton, jetzt muffen wir endlich - - „Ach, das dumme Hei-
raten!" — „Was dumm? Du wolltest ja schon vor einem Jahr — "
„Ach Verene, ich meine doch die dumme Klausel in den Heirats-
vorschristen! Wer die ersunden hat,
war sicher schon verheiratet. Ich
habe geglaubt, die Geschichte ginge
geringer." — „Ja, ich auch! Soll
mir ewig eine Warnung sein für
's nächstemal!"
„Nun gut, spute dich, dann wol-
len wir den Schrecken halt pro-
bieren. Pack du Brot und Besteck
ein und ich hole mir drüben den
Hinterschinken und einige Pfund
Käse. Das wird wohl für 14 Tage
reichen."-„Aber zum Trinken?"
„Herrgott, ja, das Trinken!
Nehmen wir halt 5 Liter Tiroler.
Nicht?" — „Ich hätte halt lieber
Waadtländer."
„Ach, daß du auch immer das
Gegenteilwillstalsich! GutlAlso!"
Anderntags wanderten die bei-
den zum Standesamt. Anton trug
auf dem Rücken einen alten Sack,
den er mit einem Hinterschinken,
gut geräuchert, mit zwei Fünf-
pfündern Brot und einem Laib-
chen Käse vollgepropft hatte. Ve-
rene hielt in ihrem ansehnlichen
Handkörbchen den Wein, Besteck
und diverse Kleinigkeiten verborgen.
Endlich langten die zwei „Hei-
ratslustigen" im Gemeindehause
an: Standesamt im dritten Stock!
orientierte eine große Tafel.
„Wo nur der Kasten ist?" meinte
die Braut beim Treppenaufgang.
„Natürlich im Standesamt
droben," bemerkt Anton weisheitsvoll, „aber, das verstehst du ja doch
nicht. — Nun schau, da sind wir ja schon am Ziel."
„Was wünschen Sie?" srug der Standesbeamte, indem er er-
staunt die Beiden und besonders Korb und Sack betrachtete.
Anton gab sich einen Ruck und sagte: „Herr Beamter, wir sind
gekommen — ach Sie wiffen schon — "
„Habe wirklich keine Ahnung! Wer sind Sie denn eigentlich?"
„Aber, ich bin doch der Anton
und das da ist meine Verene und
wir wollen nun endlich hei — hei-
raten - — "
„Ach so," lachte nun der Be-
amte, „nun dämmerts in meinem
Kopfe. Sie hatten sich ja ange-
meldet. Gut, ja. Ihre Schriften
sind in Ordnung. In sechs Wochen
können Sie heiraten." Er machte
dabei eine Handbewegung der Ent-
lastung, die Anton aber nicht ver-
stand. Er frug vielmehr: „Das ist
recht, Herr Beamter. Aber wo ist
"denn nun der Kasten?"
„Kasten? Was für ein Kasten?"
„Ach, doch der Hochzeitskasten!
Hier haben wir das Esten dazu."
Der Mann verstand natürlich
nicht und bat um eine Erklärung.
Etwas verlegen erwiderte nun
Anton: „Nun, in der Vorschrift
steht doch, daß wir, bevor wir hei-
raten können, 14 Tage lang in den
Kasten hinein müffen. Und deshalb
haben wir den Schinken und den
Wein hier mitgenommen. Wir
können doch nicht 14 Tage lang von
der Luft leben!"
Da dämmerte es in dem Kopfe
des Beamten. Und er lachte, wie
er noch nie gelacht, lachte Tränen,
und da ihn die beiden verständnis-
los anftarrten, erklärte er ihnen
endlich, daß nicht sie, sondern nur
ihre Schriften 14 Tage im Kasten
ausgestellt werden müffen, daß alle Welt davon Notiz oder Anstoß,
je nachdem, nehmen könne!
Da mußten die beiden selber lachen und schenkten in ihrer großen
Freud'den ganzen Hinterschinken dem Standesbeamten. z«rd.B«n
dBTä.
Betrachtung. „Die Eva war schon wirklich blöde. Sonst
hält’ sie die Schlange einfach gepackt und hätt' sich ein
modernes Kleidchen draus machen lasten!"
GLEICHNIS
Es steht am hohen Himmelszelt
Ein goldner Stern,
Er blickt hinunter auf die Welt:
„Wie liegt sie fern!
Wie liegt sie weit, wie schaut sie klein,
W ie arm und bloß!
Und glaubt doch Wunder, was zu sein,
Und dünkt sich groß!“
Die Menschen aber fühlen sich
Als mädit’ge Herrn:
„Er will uns höhnen! Lächerlich!
Der — winz’ge Stern!“ K.sdirader
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Betrachtung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4276, S. 28
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg