2)cr Toni Erl, ein junger, aber begeisterter Sportfischer, hatte ein Waffer,
eine lange Flufistrecke gepachtet, in der zu seinem Leidwesen so manche
Unberufene sich zu schaffen machten. Teils kamen sie von der Stadt heraus,
teils sasien die Fischdiebe in Bruckdorf, einem malerischen Orte, durch den sein
Fluß sich hindurchschlängelte. Da der Toni Erl aber ein Prügelmensch war
und scharf anfaßte, wurde es mit dem Fischfrevel ein wenig bester. Doch er
mußte ständig hinterher sein. Und dieses Bewußtsein, sich mit dem Pacht-
waffereine nicht endenwollende Snstphuearbeit aufgeladen zu haben, versetzte
unseren Toni allmählich in einen etwas gereizten Zustand.
Eines schönen Sountagnachmittags im August patroullierte er wieder
einmal seinen Fluß ab, tat dabei manchmal mit der Svinngerte an einer
besonders verlockenden Stelle
den und jenen Wurf. Hier
und dort zeigten sich Menschen
am Ufer. Aber sie badeten nur,
trieben Nacktkultur und ver-
übten Allotria ähnlicher Art,
vergriffen sich jedoch nicht an
seinen Fischen. Auch an ver-
schiedenen Faltbooten, die
rasch die Strömung herab-
trieben, war weiter nichts zu
beanstanden. Zufrieden konnte
Toni Erl seinen Weg weiter
verfolgen . . . Die schönen
kiesigen Badeplätze verschwan-
den, der Fluß wurde tiefgrün-
dig, die Ufer schlammig, Bin-
sen und Schilf standen daran, Wafferpflanzen wucherten überall. Hier
wurde es still, kein Mensch war mehr zu sehen. Plötzlich aber tauchte in der
Ferne wieder ein Faltboot auf. Es kam nicht flußabwärts daher, wie alle
anderen, sondern arbeitete sich langsam gegen die Strömung empor. Toni Erl
lag schon auf dem Boden und beobachtete das ihm verdächtig erscheinende
Fahrzeug genauer. Vorne saß ein junges Mädchen in leichtem Badeanzug.
Scheinbar recht hübsch. Rückwärts paddelte sein Begleiter. Beide mochten
etwa 17 oder IL Iabre alt sein. Das alles aber intereffierte den Toni im
Augenblicke sehr viel weniger, als die Talsache, daß das Faltboot immer
der Schilfgaffe des jenseitigen Ufers entlangfuhr. Jetzt im August standen
die Hechte zumeist noch nicht im freien Waffer, hielten sich noch in Schilf'
und Binsen. Sollten die Kajakleute es auf den esox abgesehen haben?
Als diese auf die gleiche Höhe mit Toni gekommen waren, wußte er auch
schon Bescheid. Der junge Bursche hatte eine Schnur um die Hand gewickelt,
die er hinter dem Boote im Waffer nach sich zog. Kein Zweifel, die Beiden
da trieben Schleppsischerei. Wenn Toni Erl noch da etwa im Unklaren
gewesen wäre, so hätte er sich jetzt noch beffer überzeugen können. Denn der
Junge tat plötzlich einen freudigen Ausruf, legte fein Ruder weg, schrie er-
regt seiner Begleiterin zu — Elli hieß die jugendliche Fischfrevlerin — land-
einwärts zu halten, zog die Leine ein und warf einen Hecht von etwa vier
Pfunden kurz entschloffen auf's Ufer. Der schlug dort wild um sich. Aber
die beiden Miffetäter waren rasch zur Stelle. Triumphierend und mit einem
wahren Indianergeheul hob-der Junge den Fisch empor. Ein hübsches Bild,
sagte das Unterbewußtsein Tonis: die beiden jungen, frischen Menschen in
ihrer Hellen Freude über die unerwartete Beute, die verbotene Frucht. Aber der
Fischpächter in Toni ließ ihn doch nicht ganz zum reinen Genuffe des eben
Geschauten kommen. Als das Faltboot sich wieder in Bewegung setzte, — die
Beiden hatten, nachdem sie ihren Fisch im Kajak verstaut, etwas gerastet -
rief er die Ruderer rauh an, befahl ihnen, zu ihm herüber zu kommen.
Die beiden jungen Leute erschraken sichtlich, beratschlagten leise mit-
einander. „Fahr' zu, fahr' zu, Elli" rief der Junge sodann, „zum Teufel,
Elli, willst du endlich zufahren."
„Zu mir, zu mir herüber", rief der Toni fuchsteufelswild dagegen. Als
das Boot aber weiterglitt, machte er rasch Stock und Rolle wurfbereit.
Ein Surren, ein leichtes Schwirren der Schnur. Rasch durchschnitt der
Köder die Luft, blitzte wie ein Silbervogel, wie ein fliegender Fisch über
den Fluß hinüber, fiel treffsicher auf der Spitze des Kajaks ein. Ein scharfer
und kurzer, ein wuchtiger Anhieb. Das Faltboot quittierte ihn schwankend,
zwei oder drei Haken saßen im feuchten Tuche fest. So viel er Kraft im
Arm hatte und was nur die Gerte herhielt, zog der Toni jetzt an. Lang-
sam wandte sich das Boot aus seiner Schilfgaffenrichtung und glitt dem
Ufer zu, auf dem der Toni stand und schwer arbeitete, eilig seine Schnur
einrollte.
„Fest entgegenrudern, Elli, entgegenrudern!" rief der Junge.
Es half nicht mehr viel. Der Toni war der Stärkere. „Laß ihm das
alte Vehikel!" Kopfüber sprang der Bursche in den Fluß und schwamm
dem anderen Ufer zu. Seine Begleiterin kam nicht mebr dazu, das Gleiche
zu tun. Durch die Wucht des Absprunges kentert« das Boot. Schon batte
es auch der Toni gefaßt, zog das Fahrzeug, zog besten triefende Jnsaffin
auf's Land, während der
Junge drüben bereits das
Ufer erkletterte, in Schilf und
Binsen verschwand.
Sie waren allein. Über das
Erste, über Schrecken und an-
fängliche Verlegenheit des
Mädchens siegte nun die helle
Empörung. Was dem Herrn
da nur einfiele? Friedliche
Faltbootfahrer dermaßen zu
belästigen und anzugreifen?
Toni Erl tat einen tiefen
Griff in das Fahrzeug, brachte
den Hecht zum Vorschein.
„Deshalb", sagte er.
Das Mädchen — es war
wirklich bildhübsch — wurde etwas stutzig, daß der Fremde da dem Fisch-
fang scheinbar zugesehen. „Hier angelt ja alles", meinte es dann wenig
beschwert. „Wir dachten, es sei erlaubt."
„Das ungefähr sagt jeder Lump, den ich erwische. Bei gebildeten Menschen
44
eine lange Flufistrecke gepachtet, in der zu seinem Leidwesen so manche
Unberufene sich zu schaffen machten. Teils kamen sie von der Stadt heraus,
teils sasien die Fischdiebe in Bruckdorf, einem malerischen Orte, durch den sein
Fluß sich hindurchschlängelte. Da der Toni Erl aber ein Prügelmensch war
und scharf anfaßte, wurde es mit dem Fischfrevel ein wenig bester. Doch er
mußte ständig hinterher sein. Und dieses Bewußtsein, sich mit dem Pacht-
waffereine nicht endenwollende Snstphuearbeit aufgeladen zu haben, versetzte
unseren Toni allmählich in einen etwas gereizten Zustand.
Eines schönen Sountagnachmittags im August patroullierte er wieder
einmal seinen Fluß ab, tat dabei manchmal mit der Svinngerte an einer
besonders verlockenden Stelle
den und jenen Wurf. Hier
und dort zeigten sich Menschen
am Ufer. Aber sie badeten nur,
trieben Nacktkultur und ver-
übten Allotria ähnlicher Art,
vergriffen sich jedoch nicht an
seinen Fischen. Auch an ver-
schiedenen Faltbooten, die
rasch die Strömung herab-
trieben, war weiter nichts zu
beanstanden. Zufrieden konnte
Toni Erl seinen Weg weiter
verfolgen . . . Die schönen
kiesigen Badeplätze verschwan-
den, der Fluß wurde tiefgrün-
dig, die Ufer schlammig, Bin-
sen und Schilf standen daran, Wafferpflanzen wucherten überall. Hier
wurde es still, kein Mensch war mehr zu sehen. Plötzlich aber tauchte in der
Ferne wieder ein Faltboot auf. Es kam nicht flußabwärts daher, wie alle
anderen, sondern arbeitete sich langsam gegen die Strömung empor. Toni Erl
lag schon auf dem Boden und beobachtete das ihm verdächtig erscheinende
Fahrzeug genauer. Vorne saß ein junges Mädchen in leichtem Badeanzug.
Scheinbar recht hübsch. Rückwärts paddelte sein Begleiter. Beide mochten
etwa 17 oder IL Iabre alt sein. Das alles aber intereffierte den Toni im
Augenblicke sehr viel weniger, als die Talsache, daß das Faltboot immer
der Schilfgaffe des jenseitigen Ufers entlangfuhr. Jetzt im August standen
die Hechte zumeist noch nicht im freien Waffer, hielten sich noch in Schilf'
und Binsen. Sollten die Kajakleute es auf den esox abgesehen haben?
Als diese auf die gleiche Höhe mit Toni gekommen waren, wußte er auch
schon Bescheid. Der junge Bursche hatte eine Schnur um die Hand gewickelt,
die er hinter dem Boote im Waffer nach sich zog. Kein Zweifel, die Beiden
da trieben Schleppsischerei. Wenn Toni Erl noch da etwa im Unklaren
gewesen wäre, so hätte er sich jetzt noch beffer überzeugen können. Denn der
Junge tat plötzlich einen freudigen Ausruf, legte fein Ruder weg, schrie er-
regt seiner Begleiterin zu — Elli hieß die jugendliche Fischfrevlerin — land-
einwärts zu halten, zog die Leine ein und warf einen Hecht von etwa vier
Pfunden kurz entschloffen auf's Ufer. Der schlug dort wild um sich. Aber
die beiden Miffetäter waren rasch zur Stelle. Triumphierend und mit einem
wahren Indianergeheul hob-der Junge den Fisch empor. Ein hübsches Bild,
sagte das Unterbewußtsein Tonis: die beiden jungen, frischen Menschen in
ihrer Hellen Freude über die unerwartete Beute, die verbotene Frucht. Aber der
Fischpächter in Toni ließ ihn doch nicht ganz zum reinen Genuffe des eben
Geschauten kommen. Als das Faltboot sich wieder in Bewegung setzte, — die
Beiden hatten, nachdem sie ihren Fisch im Kajak verstaut, etwas gerastet -
rief er die Ruderer rauh an, befahl ihnen, zu ihm herüber zu kommen.
Die beiden jungen Leute erschraken sichtlich, beratschlagten leise mit-
einander. „Fahr' zu, fahr' zu, Elli" rief der Junge sodann, „zum Teufel,
Elli, willst du endlich zufahren."
„Zu mir, zu mir herüber", rief der Toni fuchsteufelswild dagegen. Als
das Boot aber weiterglitt, machte er rasch Stock und Rolle wurfbereit.
Ein Surren, ein leichtes Schwirren der Schnur. Rasch durchschnitt der
Köder die Luft, blitzte wie ein Silbervogel, wie ein fliegender Fisch über
den Fluß hinüber, fiel treffsicher auf der Spitze des Kajaks ein. Ein scharfer
und kurzer, ein wuchtiger Anhieb. Das Faltboot quittierte ihn schwankend,
zwei oder drei Haken saßen im feuchten Tuche fest. So viel er Kraft im
Arm hatte und was nur die Gerte herhielt, zog der Toni jetzt an. Lang-
sam wandte sich das Boot aus seiner Schilfgaffenrichtung und glitt dem
Ufer zu, auf dem der Toni stand und schwer arbeitete, eilig seine Schnur
einrollte.
„Fest entgegenrudern, Elli, entgegenrudern!" rief der Junge.
Es half nicht mehr viel. Der Toni war der Stärkere. „Laß ihm das
alte Vehikel!" Kopfüber sprang der Bursche in den Fluß und schwamm
dem anderen Ufer zu. Seine Begleiterin kam nicht mebr dazu, das Gleiche
zu tun. Durch die Wucht des Absprunges kentert« das Boot. Schon batte
es auch der Toni gefaßt, zog das Fahrzeug, zog besten triefende Jnsaffin
auf's Land, während der
Junge drüben bereits das
Ufer erkletterte, in Schilf und
Binsen verschwand.
Sie waren allein. Über das
Erste, über Schrecken und an-
fängliche Verlegenheit des
Mädchens siegte nun die helle
Empörung. Was dem Herrn
da nur einfiele? Friedliche
Faltbootfahrer dermaßen zu
belästigen und anzugreifen?
Toni Erl tat einen tiefen
Griff in das Fahrzeug, brachte
den Hecht zum Vorschein.
„Deshalb", sagte er.
Das Mädchen — es war
wirklich bildhübsch — wurde etwas stutzig, daß der Fremde da dem Fisch-
fang scheinbar zugesehen. „Hier angelt ja alles", meinte es dann wenig
beschwert. „Wir dachten, es sei erlaubt."
„Das ungefähr sagt jeder Lump, den ich erwische. Bei gebildeten Menschen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die geangelte Braut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4277, S. 44
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg