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Prüfungsaufgabe

Vorgestern las ich eine Prüfungsaufgabe: „Welche Richtung bat
in München ( ---48° 9') eine Straße, die am längsten vormittags
9 Uhr w. S. Z. schattenlos ist?"

Als ich diese Aufgabe las, bekam ich eine Art Schüttelfrost. Und
dann packte mich die Neugier: den Kopf zu sehen, der das Kunststück
raus hat, diese Sphärische Trigonometrie zu lösen.

Ein auserwählter Kopf muß das fein; ein verbüffelter Kopf, der
ganz gelb geworden ist vom Studierlicht. O Gott, wenn man mir
diese Aufgabe gestellt hätte, ich wäre glatt er-
schaffen gewesen. Man hätte mich damit gereizt
wie den Stier i» der Arena mit dem Spieß. Ich
wäre rot und grün geworden. So aber gibt es
Professoren, die diese Aufgabe ausgedacht baben,
und dann gibt es wohl auch Schüler, die sie lösen
können.

Nein, was man doch in seinerIugend für hohe,
gelehrte Sachen verpaßt hat! Aber offen gesagt:
ich bin gar nicht böse darüber, daß diese Aufgabe
ein böhmisches Dorf für mich ist.

Eine kleine Gegenrechnung möchte ich trotzdem
aufstellen: „Wieviel Stunden braucht der Schü-
ler, ehe er die Geisteskraft bekam, um an den
Grundzug dieferPreis-
aufgabe heran zu kom-
men?"

Doch mindestens 100
Stunden. Und was für
Stunden! Frühling
war darin, Sommer,

Herbst undweißerWin-
ter. Der Himmel kam
auf die Erde, vielleicht
gerade in jener Stun-
de, wo der Schüler-
verstand eine winzige
Säule zu dieser Auf-
gabe baute. Die Sonne
machte sich eineHerberge

zurecht, in einer Stunde, wo der Schüler mit gefalteter
Stirn ein Guckloch in dieser Aufgabe entdeckte. Der
Herbst war ganz gelb in einer Stunde, wo der Schüler
einen Schacht in dieser Aufgabe grub. Und der Winter
machte eine Stunde weiß und kristallklar, als der
Schüler in dieser Aufgabe hin und her lief wie eine
gelehrte Maus, die wiffenschaftlich aufgezogen wurde.

Ja, ja; und immer lernte der Schüler an dieser Auf-
gabe herum. Er sah nicht die Kostbarkeit der Stunde,
nicht ihre Gnade und Ewigkeit.

Was hätte er nicht alles tun können, wenn ihm
nicht die Aufgabe, mit gelehrten Krallen, diese Stun-
de entriffen hätte? — Er hätte vielleicht auf die Vogel-
sprache gehört. Wäre über einen rosenüberhangenen
Zaun gekrochen und hätte sich die Hosen zerriffen. Hätte vielleicht Äpfel
gegeffen, wonnesame Apfel. Der Saft wäre ihm bei jedem Biffen aus
den Mundwinkeln geronnen. Oder in einer Winterstunde wäre ihm

vielleicht ein schöner Weihnachtsgedanke gekommen mit einer Last von
Feierlichkeit und Seltsamkeit, daß sein Herz darunter vor Jubel
aufschrie.

Und das hat er nun alles versäumt.

Aber er hat eine Aufgabe gelernt. Eine große Aufgabe, eine ganz
gescheite Aufgabe. Darauf wird er stolz sein. Und diese Aufgabe wird
sich auch dankbar erweisen: So mit Gehrock und Amt und Pensions-
berechtigung. Ich danke dir, Gott, daß ich keinen blauen Dunst von
dieser Preisaufgabe habe. M-r Jungmcke,

Ordnungssinn

Im Sommer lagerten wir an einem idpllischen
Fleckchen im Walde.

Die Wipfel rauschten, Mücken spielten im
Sonnenlicht. Wir dehnten uns behaglich im
kühlen Moos.

Da auf einmal kroch Eugen Pinappel wie ein
Indianer auf allen Vieren zu einer Hecke hin.

„Was hast du?" fragte ich ihn erschreckt. „Sind
Feinde in der Nähe?"

„Ach was," knurrte er grimmig, als hätte ich
ihn verhöhnen wollen, und kroch weiter.

Ich beobachtete gespannt, wie er bei der Hecke
anhielt und etwas Weißes in die Hand
nahm.

„Hast du einen Hundertmarkschein
gefunden?" rief ich ihm zu.

Er fuchtelte mit denHänden in derLuft
herum und kam auf mich zugesprungen.
„Dahat wieder so einSchweinehund die
ganze Natur verschandelt. Warum die
Menschen nur immer ihren Dreck an
die schönsten Stellen abwerfen. Aber
warte, ich werde für Ordnung sorgen."

Damit lief er fort und kam lange
Zeit nicht wieder.

Ich wartete und wartete. Pinappel
kam nicht.

„Er wird doch nicht verunglückt
sein?" dachte ich.

Es wurde Abend. Ich konnte nicht länger warten.
Gerade wie ich ausstehen wollte, sah ich meinen
Freund des Weges kommen.

Er trug in beiden Händen einen großen Papierkorb.

„So", sagte er und wischte sich den Schweiß von
der Stirn, „wir wollen mal sehen, ob das nicht hilft."

Ich besuche die schöne Waldstelle nicht mehr. Der
Papierkorb stört mich. B°u>mn

Übersetzt

Ein Schriftsteller sitzt am Schreibtisch und schreibt
nieder: „Jeder hat die Frau, die er verdient!" Seine
Frau, die ihm über die Schultern blickt, ruft: „Und
das wagst du in meiner Gegenwart niederzuschreiben?Sofort berichtigst
du: „das heißt, Jeder verdient die Frau, die er hat!" — Und so ge-
schah'«, und der Hausfriede war durch diese Interpretation gerettet.

Sachsen in Bayern: „Amil, weste, das sinbe ich gomifch, was
die Bayern für enen ausgebrächten Dialegd haben, das haben
wir Sachsen nu wieder nich."

Heide am Mittag

In summender Heide
Der Mittag spinnt
Die sonnigste Seide
Im Sommerwind.

So still ist die Stunde,
Kein Klang wird laut
Aus moorigem Grunde
Iin Heidekraut.

Rings leuchten die Lande
So klar, so weit
Im rotem Gewände:

’s ist Blütezeit!

Albert Korn

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Sachsen in Bayern"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4278, S. 52

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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