Lügen
Lügen ist schon recht. Aber man muß es
auch können. Ich kann 's nicht.
Hab' ich da einen Bekannten, den Herrn
Rappenglück. Der ist ein lieber Mensch. Man
muß ihn gern haben. Sagen wir einmal, zwei-
mal die Woche oder dreimal. Viermal geht
schon über die Hutschnur. Aber siebenmal wenn
einer die Woche kommt, um einen Plausch
mit mir zu machen, dann wird 's brenzlig.
Wenn etwas brenzlig wird, das geht die
Köchin an. Die hat so was zu verhüten. Der
wurde heute eingeschärst: „Fanny, wenn heute
der Herr Rappenglück läuten sollte — ich bin
spazierengegangen — ".
Die Fanny — sie ist jenseits aller Lü-
gerei geboren - schaut erstaunt: „Des kön-
nen S' do net wiffen, wo er no gar net da is, der Herr Rappenglück."
„Auch wenn er da wäre," schloß ich mit einem Ruck das Fenster, „wenn
er jetzt im Augenblick läuten würde - ich bin spazieren gegangen, Sie Roß!"
Das mit dem Spazierengehen blieb ihr unklar. Nicht so das Roß. Und
als es gleich darauf läutete und sie eine Treppe tiefer öffnete, hörte ich sie
sehr energisch sagen: „Nix da! Spazierngangen is er, der Herr!"
Schweigen. LangesSchwei-
gen. Dann die tiefe Stimme
des Herrn Rappenglück: „So-
so, spazierngangen is er, der
Herr? Also dann sagn S'
ihm ein' schönen Gruß, wen»
er heimkimmt, und wenn er
des nächstemal wieder spaziern-
geht, nach« soll er net ver-
geffen, sein' Kopf aa mit-
z'nehma, den wo i vorhin am
Fenster g'sehn Hab' "
Fritz Müller.Partenkirchen
Entschuldigungszettel
„Ich bitte Herrn Lebrer
meinen Sohn Hans wegen
Kopfschmerzen zu entschuldi-
gen und ihn nicht zu hauen,
wenn er nicht da ist "
Beim Buchhändler
„Ich möchte ein Kochbuch
für Junggesellen!" - „Sie
wollen wohl heiraten ...?!"
Der Erfolg
Dein Vater zankte dich, als
du ihm mein Namenstagsge-
dicht vortrugst?"
„Ja, weil ich ihn mitten-
drunter geweckt habe."
Glückliche Unschuld
„Küßt die Erzieherin dich
auch manchmal, Fritzchen?"
„Nein; sie scheint sich noch
nichts aus den Männern zu
machen!"
Der Sachse im Zorn
Ein gebrechlicher alter Herr besteigt in
Leipzig die Straßenbahn, sagt dem Schaffner
das Fahrtziel und bittet ihn, ihn darauf auf-
merksam zu machen, wann er den Wagen
zu verlaffen habe. Kurz vor der betreffenden
Haltestelle kommteine jungeDame demSchaff-
ner zuvor, indem sie den alten Herrn nach der
Plattform geleitet und ihm Auskunft erteilt,
wie er seinen Weg weiter fortsetzen muß.
Aber da packt den biederen Schaffner der
kuror saxonicus. Mit rollenden Augen stürzt
er auf die vermeffene junge Dame zu und
kanzelt sie also ab: „Freilein, wie gennse sich
bloß unterschtehn, hier an dn Leiten rumzu-
mährn! Das ist doch meine Sache! Wenn
mir ä Fahrgast sagt, daß 'ch uffn uffbaffen
soll, dann wärd das ooch gemacht. Daderzu brauch 'ch gerne Gondrolle!"
Selbstverständlich war der erschrockenen Hilfsbereiten der Schreck derart
in die Glieder gefahren, daß sie es vorzog, zusammen mit dem alten Herrn
den Wagen zu verlaffen. Allein der cholerische Schaffner gab sich keines-
wegs zufrieden. Noch immer bebend vor Grimm hielt er den Weiterfahren-
den diese kleine Ansprache: „Nu babb'ch denn da nich rächt, meine Härr-
schaften? Unsereener iS nu
fuffzn (fünfzehn) Jahre bei
der Elektrischen, un da gommt
so änne Gaage (weiblicher
Grünschnabel) un nimmt sich
raus, een ins Handwärk zu
maffeln. (pfuschen). Awer bei
GunzenS Emil - das is näm-
lich mei Name — bat da geener
Schwein. Der weeßes, wasr
seiner elektrischen Berufsehre
schuldch is." r-°- V°ig,
Kindermund
Liesl (die zusieht, wie ihr
kleiner Bruder gestillt wird):
„Mama, — wer gießt eigent-
lich immer die Milch in Bubis
Amme 'rein?"
Schlechte
Beobachtungsgabe
Richter: „Wie sah der
Mann aus, dcrJhnen an dem
betreffenden Tage auf dem
Felde begegnete? Machte er
den Eindruck eines Idioten?"
Zeuge (unsicher): Ich weiß so
recht nicht, Herr Vorsitzender
— er sah so aus wie Sie!"
Anstrengend
„Was sind Sie?"
„Vereinsvorstand."
„Das »st doch keine Be-
schäftigung." — „Meinen
Sie? Da sind Sie mal bei 15
Vereinen Vorstand!"
Regnerischer Dorfsonntag
Ein Regen lastet auf den Strohdachdecken
Und wiegt im Dorf den Sonntag ein.
Wie stille Tränen perlen aus den Hecken
Die Glitjertropfen, demantfein.
Die Butzenscheiben alter Häuser glimmen
Und starren gläsern, w ie gebannt.
Auf ferne Wolkenschatten, die verschwimmen.
Sich schweigend breiten übers Land.
Die Bauersleute sitzen still am Feuer:
In warmen Ställen scharrt das Rind.
Die Hähne krähen in der vollen Scheuer
Wie Vögel, die gefangen sind. kn«, Mid.ei
Unterschied. .,Den einen Vorzug hat das Auto sicher vor dem Hug-
y.eug: es liegt mehr Reiz, in den ..Zmischenlandungen!“
80
Lügen ist schon recht. Aber man muß es
auch können. Ich kann 's nicht.
Hab' ich da einen Bekannten, den Herrn
Rappenglück. Der ist ein lieber Mensch. Man
muß ihn gern haben. Sagen wir einmal, zwei-
mal die Woche oder dreimal. Viermal geht
schon über die Hutschnur. Aber siebenmal wenn
einer die Woche kommt, um einen Plausch
mit mir zu machen, dann wird 's brenzlig.
Wenn etwas brenzlig wird, das geht die
Köchin an. Die hat so was zu verhüten. Der
wurde heute eingeschärst: „Fanny, wenn heute
der Herr Rappenglück läuten sollte — ich bin
spazierengegangen — ".
Die Fanny — sie ist jenseits aller Lü-
gerei geboren - schaut erstaunt: „Des kön-
nen S' do net wiffen, wo er no gar net da is, der Herr Rappenglück."
„Auch wenn er da wäre," schloß ich mit einem Ruck das Fenster, „wenn
er jetzt im Augenblick läuten würde - ich bin spazieren gegangen, Sie Roß!"
Das mit dem Spazierengehen blieb ihr unklar. Nicht so das Roß. Und
als es gleich darauf läutete und sie eine Treppe tiefer öffnete, hörte ich sie
sehr energisch sagen: „Nix da! Spazierngangen is er, der Herr!"
Schweigen. LangesSchwei-
gen. Dann die tiefe Stimme
des Herrn Rappenglück: „So-
so, spazierngangen is er, der
Herr? Also dann sagn S'
ihm ein' schönen Gruß, wen»
er heimkimmt, und wenn er
des nächstemal wieder spaziern-
geht, nach« soll er net ver-
geffen, sein' Kopf aa mit-
z'nehma, den wo i vorhin am
Fenster g'sehn Hab' "
Fritz Müller.Partenkirchen
Entschuldigungszettel
„Ich bitte Herrn Lebrer
meinen Sohn Hans wegen
Kopfschmerzen zu entschuldi-
gen und ihn nicht zu hauen,
wenn er nicht da ist "
Beim Buchhändler
„Ich möchte ein Kochbuch
für Junggesellen!" - „Sie
wollen wohl heiraten ...?!"
Der Erfolg
Dein Vater zankte dich, als
du ihm mein Namenstagsge-
dicht vortrugst?"
„Ja, weil ich ihn mitten-
drunter geweckt habe."
Glückliche Unschuld
„Küßt die Erzieherin dich
auch manchmal, Fritzchen?"
„Nein; sie scheint sich noch
nichts aus den Männern zu
machen!"
Der Sachse im Zorn
Ein gebrechlicher alter Herr besteigt in
Leipzig die Straßenbahn, sagt dem Schaffner
das Fahrtziel und bittet ihn, ihn darauf auf-
merksam zu machen, wann er den Wagen
zu verlaffen habe. Kurz vor der betreffenden
Haltestelle kommteine jungeDame demSchaff-
ner zuvor, indem sie den alten Herrn nach der
Plattform geleitet und ihm Auskunft erteilt,
wie er seinen Weg weiter fortsetzen muß.
Aber da packt den biederen Schaffner der
kuror saxonicus. Mit rollenden Augen stürzt
er auf die vermeffene junge Dame zu und
kanzelt sie also ab: „Freilein, wie gennse sich
bloß unterschtehn, hier an dn Leiten rumzu-
mährn! Das ist doch meine Sache! Wenn
mir ä Fahrgast sagt, daß 'ch uffn uffbaffen
soll, dann wärd das ooch gemacht. Daderzu brauch 'ch gerne Gondrolle!"
Selbstverständlich war der erschrockenen Hilfsbereiten der Schreck derart
in die Glieder gefahren, daß sie es vorzog, zusammen mit dem alten Herrn
den Wagen zu verlaffen. Allein der cholerische Schaffner gab sich keines-
wegs zufrieden. Noch immer bebend vor Grimm hielt er den Weiterfahren-
den diese kleine Ansprache: „Nu babb'ch denn da nich rächt, meine Härr-
schaften? Unsereener iS nu
fuffzn (fünfzehn) Jahre bei
der Elektrischen, un da gommt
so änne Gaage (weiblicher
Grünschnabel) un nimmt sich
raus, een ins Handwärk zu
maffeln. (pfuschen). Awer bei
GunzenS Emil - das is näm-
lich mei Name — bat da geener
Schwein. Der weeßes, wasr
seiner elektrischen Berufsehre
schuldch is." r-°- V°ig,
Kindermund
Liesl (die zusieht, wie ihr
kleiner Bruder gestillt wird):
„Mama, — wer gießt eigent-
lich immer die Milch in Bubis
Amme 'rein?"
Schlechte
Beobachtungsgabe
Richter: „Wie sah der
Mann aus, dcrJhnen an dem
betreffenden Tage auf dem
Felde begegnete? Machte er
den Eindruck eines Idioten?"
Zeuge (unsicher): Ich weiß so
recht nicht, Herr Vorsitzender
— er sah so aus wie Sie!"
Anstrengend
„Was sind Sie?"
„Vereinsvorstand."
„Das »st doch keine Be-
schäftigung." — „Meinen
Sie? Da sind Sie mal bei 15
Vereinen Vorstand!"
Regnerischer Dorfsonntag
Ein Regen lastet auf den Strohdachdecken
Und wiegt im Dorf den Sonntag ein.
Wie stille Tränen perlen aus den Hecken
Die Glitjertropfen, demantfein.
Die Butzenscheiben alter Häuser glimmen
Und starren gläsern, w ie gebannt.
Auf ferne Wolkenschatten, die verschwimmen.
Sich schweigend breiten übers Land.
Die Bauersleute sitzen still am Feuer:
In warmen Ställen scharrt das Rind.
Die Hähne krähen in der vollen Scheuer
Wie Vögel, die gefangen sind. kn«, Mid.ei
Unterschied. .,Den einen Vorzug hat das Auto sicher vor dem Hug-
y.eug: es liegt mehr Reiz, in den ..Zmischenlandungen!“
80
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unterschied"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4280, S. 80
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg