Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Lackschuhe

Eines Morgens bekleidete sich der Held im Zeitungsroman auf
unwiderstehlich suggestible Weise mit solchen Glanznummern, und
bei Fortsetzung folgt stand es fest, daß auch ich nun welche haben
müsie. „Wenn schon — denn schon", sagte ich zur Verkäuferin. Sie
machte eine Schachtel auf, und aus dieser Schachtel strahlte es
heraus wie die Oktoberwiese bei Beleuchtung. „Ich will keinen
Christbaumschmuck kaufen" sagte ich, aber die Verkäuferin überredete
mich, daß eö Schuhe seien.

Sie waren wunderschön!

Die Sohle sogar erstrahl-
te,^ schimmerte in wärm-
stem Braun wie der ge-
höhnte Tisch in Hermann
und Dorothea. „Daß ihr
so schön seid, das ist mein
Verderben", lispelte ich
und wankte der Dame zu,
die schonungslos an der
Kaste sitzt. Ich zog sie
natürlich gleich an. Ihre
schmeichlerische Form er-
innerte mit kühler lästiger
Noblesse an verwunschene
Silbersische in noch ver-
wunscheneren Brunnen im
verwunschensten Schloß.

Und die Naht, wo die
Kappe abgesetzt ist, blin-
zelte unaufhörlich: Schau
her, hier ist ganz genau
der goldene Schnitt! Und
wie sie glänzten! Wie Luna
zur Zeit der Romantiker,
wie Tautröpflein am Gra-
be Virginiens, wie das
Schneewittchenspiegelein
an der Wand. Ich war
stolz! Ein Pfau mit Rad
ist Demut im Vergleich
mit meinem damals ge-
habten Lackschuhstolz. Mit-
leidig blinzelte ich auf die
Mammutsftiefelchen des
Verkehrereglers am Ma-
rienplatz herab. Und dann
machte ich Furore. Das
ging so: Im Cafe, gleich
unter dem Stehgeiger, saß
ich einer sebr appetitlich in Skunks eingewickelten jungen Dame
gegenüber, und schon hatten die Glanzlichter meiner illuftren Schuhe
tief in ihre dunklen Augen geschaut. Deshalb sagte ich: „Schlechtes
Wetter heute, waS'i!" Ich fange nämlich grundsätzlich immer mit
den, Wetter an; das ist altmodisch, ich weiß es, aber ehrlich, und
alle andern Gesprächsauftakte halte ich für unfair. Ich sagte also:
„Schlechtes Wetter beute, was?!" Und ohne Umschweife gebt sie

sogleich darauf ein und sagt: „Besonders für so blendende Lack-
schuhe!" Ein fader Kerl hätte das für schnippisch gehalten, ich aber
lächelte verstehend, was reichlich Zinsen trug. Ich durste sie nämlich
mit dem Vorortszug nachhause begleiten. Es muß ewig vorherbe-
stimmt gewesen sein, daß gerade sie die Tochter eines Ziegeleidirektors
sein mußte. Da Ziegelsteine nicht aus Parkettboden gemacht werden,
so stand die Fabrik, da sie wohnte, mitten im Lehm. Auf diesem

Wege bedauerte ich über
alle Maßen, nicht Seil-
tänzer geworden zu sein;
oben auf den Spitzen
der Staketzäune wär es
so schön trocken gewesen!
Dann sagten wir gute
Nacht und auf Wieder-
sehen. Letzteres bezweifelte
ich bei mir imStillen stark.
Nun wandelte ich also wie-
der zurück. Der Boden litt
offenkundig an Kleptoma-
nie. Auf diesem Wege er-
eignete sich mein innerer
Abfall von der Geologie.
Alsichzuhause ankam,tele-
fonierte ich sofort meinem
Freund Pepi von den kera-
mischen Werkstätten. Ich
fragte ihn, ob man sie viel-
leicht glasieren und bren-
nen kann, es wären schöne
Vasen für den Schreib-
tisch, voll von Erinnerun-
gen und von ertravaganter
Form. Das Gespräch wur-
de dadurch illusorisch, daß
mittlerweile die Rest meine
inkrustierten Schube schon
mit Stahlspänen bearbei-
tet hatte. Ich machte ihr
wilde Augen hin, als der
Zerstörerin süßer Renn-
niszenzen. In ihrer Be-
stürzung verwechselte sie
die Schuhcreme mit dem
Fleischertrakt. Sie wur-
den davon nicht glänzend,
dufteten aber anregend.
In einem unbewachten
Augenblick erwischte sie Nero, der Kettenhund, und fraß sie. Nur die
Gummiabsätze ließ er übrig. Er mag wahrscheinlich keinen Kau-
gummi, den mögen bloß die Amerikaner. Schuk-r

Inserat

„Tüchtige, erfahrene Büro-Angestellte, im Büro zu allem fähig,
wünscht Vertrauensposten auf Bank oder Sparkaffe."

Originelle Filmaufnahmen werden glänzend honoriert. 8000 Mark hat der
Operateur Schlauerl gekriegt, als es ihm gelungen war, einen Taucher auf-
zunehmen, wie dieser seine» Füllfederhalter von einem
Tintenfisch nachfüllte.

185
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Originelle Filmaufnahmen..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schaberschul, Max
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4289, S. 185

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen