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KNILLIN

VON BALDUIN REICHE NWALLN ER

Der Apotheker Knille hatte die Entdeckung gemacht, daß ein Ge-
misch aus Kalkstaub, Zucker und Natron, in Waffer aufgelöst, die
Lebenskraft steigert, den Blutkreislauf fördert, den Stoffwechsel an-
regt, mumienhaste Greise verjüngt und, wenn in Maffen verkauft,
ihn zum reichen Mann machen muh. Er setzte sich daher mit der
chemischen Fabrik Sch. Windler und Nepp zwecks Lanzierung des
Präparates in Verbindung. Man war geneigt, das Geschäft im
Großen aufzuziehen, und alsbald brachten die Zeitungen seitengroße
Ankündigungen des Wundermittels „Knillin," das alle bisherigen
Medikamente dieser Art in den Schatten stelle und mit ähnlicher
Schwindelware nicht zu verwechseln sei. Von den Tausenden von
Dankschreiben, die unausgefordert eingelaufen seien, hieß es darin,
könne nur ein Teil abgedruckk werden. Da schrieb ein gewiffer M.
N. in S., er sei 85 Jahre alt gewesen und habe keinen einzigen
Zahn mehr im Munde gehabt. Nach Genuß einer halben Packung
Knillin seien ihm die Milchzähne durchgebrocheu. Eine Frau B.K.
in A. schrieb: „ . . . nicht ge-
nug danken. Ich litt jahrelang
an Gicht und Haarausfall.

Nach sechswöchentlicher Kur
konnte ich Charleston tanzen.

Mein prächtiger Bubikopf
wird überall bewundert. Man
rät mir, zum Film zu gehen."

Ein Lehrer Sch. in T. schrieb:

„Ich bedaure, Ihr herrlicher
Mittel nicht längst gekannt zu
haben. Bisher tanzten mir
meine Schüler auf der Nase
herum, heute verprügele ich
die stärksten Rangen wieder
ausgiebig wie in meinen Ju-
gendjahren. Es ist nicht zu viel
gesagt: Knillin ist ein Segen
für die Menschheit."

Um aber das Jntereffe des
Publikums ganz besonders auf
die Firma hinzulenken, ent-
schloß man sich, den heute nicht
mehr ganz ungewöhnlichen
Weg des Preisausschreibens
zu beschreiten. Ein Merkvers,
der sich unauslöschlich, wie ein
Operettenschlager, dem Ge-
dächtnis einprägt, sollte ge-
schaffen werden. Als Haupt-
preis wurden 5000 Mark in
bar, als 2. Preis ein Fordauto
mit Chauffeur, als 3. eine
Reise »ach Afghanistan, als

4. ein lebenslängliches Abon-
nement im Zirkus Sarraffan i,
sowie 20000 Trostpreise aus-

gesetzt, darunter 202 Paar Motorschlittschuhe, 200 Salonmause,
fallen, 150 Kinderwagen mit Wasserspülung, 3000 Gipsbüsten
Goethes mit zugehörigem Büstenhalter und andere wertvolle Haus-
haltungsgegenstände, sowie zahlreiche Packungen Knillin. Jeder
Einsender brauchte nur >0 leere Schachtel» Knillin einzusenden, die
Packung zu 2.20 Mk.

Die 95 Dichter und Denker, aus denen sich erwiesenermaßen
das deutsche Volk zusammensetzr, hatten seit dem Erscheinen der An-
kündigung endlich wieder einen Sroff. Knillin wurde — wegen der
Packungen —wie rasend gekauft, Apotheken und Drogerien wurden
belagert wie die Fleischerläden in Kriegszeiten. Der nüchternste
Magistratsschreiber wurde zum Dichter. Die Atmosphäre über den
Großstädten vibrierte infolge elektrischer Spannungen, welche durch
die Krastwellcn der Millionen angestrengt nachdenkender Dichter-
hirne erzeugt wurden. Menschen, die sich niemals gesehen hatten,
fragten sich auf der Straße: „Knillinieren Sie?" Köchinnen würzten

die Suppe mit Terpentin,
weil sie über den Merkvers
nachgrübelten, die Löschblätter
der Kanzleibeamten füllten sich
mit Reimversuchen,Verkehrs-
schutzleute standen stundenlang
mit ausgestreckten Armen wie
Fakire an den Straßenkreu-
zungen und dichteten Knille-
verse. Das Preisrichterkolle-
gium machte täglich Über-
stunden.

Zu Tausenden liefen die
Bewerbungen ein. Die Post
mußte zahlreiche Hilfsstellen
einrichren, damit der Andrang
der Sendungen bewältigt
werden könne. Das Knille'sche
Fabrikat wurde waggonweise
verschlungen.

Tag und Nacht lasen die
Preisrichter Verse wie diese:
„Knillin macht jung und lebens-
frisch,

Drum fehle es auf keinem Tisch."
oder

„Friß Knillin. Die ältesten Ochsen
Bringt'» zum Tanzen oder Boxen."
oder

„Schon ist die Jugend, die verlieh»
Mir wieder wurde durch Knillin."
oder

„Selbst die alte Schachtel wird
v«r,üngt

Mit jeder neuen Schachtel Knillin,
die sie trinkt."

oder

„Verjünge dich, o Balduin,

Durch Knilles Pillensaft Knillin."

storNetzUttg Seil, >80

Sturm

oder: Wie kriege ich einen modernen Winterhut?

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Sturm"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Rost, Richard
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 169.1928, Nr. 4349, S. 278

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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