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Affeubehendigkeit vorwärts. Und stehe blitzplötzlich vor ihr - jeder
Zoll ein Retter! Denn — daß ste sich in irgend einer brenzligen
Situation befindet, ist mir augenblicklich klar. Ganz blaß lehnt sie
an einer Tanne und äugt wie ein verwundetes Schmalticr hilflos
umher. Neben ihr aus dem Schnee ragen wie ein drohendes Mene-
tekel die abgeknicktcn Brettln. Ihre Verlaffenheit rührte mich tief.

Der eilige Fall

Bezirksamtmann: „Ihre Gemeinde hat eine Arztstelle ausgeschrieben,
und zwar für sofort. Warum ist denn das auf einmal gar so eilig?"

Dorfbürgermeifter: „Ja wistens — unser alter Badersimmerl niöcht
von Neujahr ab privatisiern — und zuvor muß er doch de» neuen
Doktor a bißl einarbeit'n!"

„Verzeihen Sie ... es scheint, Sie haben Malheur gehabt" —
stotterte ich direkt geistvoll. Sie blickte mit fatalistischem Lächeln auf
die zerbrochenen Skier. „Ja - es scheint so." Die zarte Ironie
biß sich in mein Herz. Aber nein — jetzt nicht locker laste»! Hier
vollend' ich 's — die Gelegenheit ist günstig! „Kann ich — — dürfte
ich Ihnen vielleicht mit irgend etwas .. behilflich . . fein?" Gleich-
zeitig bemerkte ich, daß ihr das Auftreten Schwierigkeiten machte.
Nach zwei Schritten war sie grün im Gesicht. „Um Gotteswille»
— sind Sie verletzt? Haben Sie — Schmerzen??" Sie versuchte
noch einen letzten Anlauf ins Heroische und lachte. Ein keckes,
knabenhaft helles Lachen, das mir wonnig durch 's Gebein rieselte.
Ich weiß nicht — ich liebe nun mal an Frauen dieses Herbe,
entzückend Burschikose. Es hat so was Erquickendes! „Schmer-
zen — ach wo!" log sie tapfer. „Bloß der linke Fuß streikt ein
bistcl. Aber die paar Schritte schaff' ich 's schon noch, 's ist mir
ja bloß wegen Mama ... die macht sich immer gleich Sorgen
um m . . ." Das letzte Wort ging unter in einem kläglichen
Gewimmer. Und plötzlich wurde sie kreideweiß und klappte zu-
sammen . . . Mit meinem Taschenmesser schnitt ich den Stiefel
auf — betastete den verletzten Knöchel. Er war dick angeschwol-
len - offenbar eine Sehnenzerrung. Keine Rede davon, daß sie
den beschwerlichen Weg bis ins Tal machen konnte! Und immer
schneller fiel di« Dunkelheit. Was also tun . . ? Rasch entschlosten
hob ich sie hoch. Lud sie mir auf den Rücken. Klemmte mir noch
ihre Skier unter den Arm. Und startete unerschrocken talwärts.
Sie war doch schwerer, als ich gedacht hätte, »ach ihrem Wuchs
zu schließen. Aber die Liebe verlieh mir Gigantenkräste. Wunder-
bar belebend durchströmte mich die sanfte Wärme ihres Körpers.
Der hilflose Druck ihrer Arme, der zarte, lauwarme Atem an
meinem Hals . . . Stolz in der Brust — siegesbewußt, kämpfte
ich mich »nverdrosten durch Nacht und Eis, über Stock und Stein.
Bis die ersten Lichter der kleinen Ortschaft uns tröstlich entgegen-
blinkten und ich wieder halbwegs horizontalen Boden unter den
Füßen spürte. Zum Überfluß des Glückes kam auch noch ei» leerer
Hörnerschlitten des Weges daher, der uns bis vor ihr Hotel
brachte. Sie erlaubte mir nicht, sie in die Halle zu führen, und
quälte sich allein aus dem Schlitten. „Das sieht so dumm aus -
wiffen Sie", erklärte sie mit verzerrtem Lächeln. „So weibisch!
Aber kommen Sie doch nach dem Abendbrot noch ein bißchen
herüber ins Hotel. Wir erwarten Sie in der Halle. Mama wird
sich sicher freuen, Sie kennenzulernen ..."

Alle Englein sangen in mir: „Mama wird sich sicher freuen .."
Wenn das nicht ein versteckter Heiratsantrag war — dann
heiß' ich Nepomuk! Knapp vor Ladenschluß stürme ich noch ein
Blumengeschäft. Kaufe alles auf, was an roten Rosen auf Lager
ist. Werfe mich in meinen Smoking. Und bin um 9 Uhr im
Hotel. Mein Rücke» schmerzte infernalisch. Aber es war ein süßer
Schmerz. Suchend ließ ich meine strahlenden Blicke über das
Rosenbukett hinweg durch die Halle schweifen. Da erhebt sich
aus einem Klubfeffel eine ältliche Dame. Dieselbe liebe, ältliche
Dame wie vormittags — droben am Sportplatz. Sie hält in
direkter Richtung auf mich zu. Streckt mir wohlwollend die Hand
entgegen und sagt sehr freundlich: „Sie sind Herr Helbig -
nicht wahr? Vielen, vielen Dank für Ihre Freundlichkeit . . !
Leider kann mein Sohn nicht herunterkommen. Sein Fuß
schmerzt zu sehr" ...??! Care»

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der eilige Fall"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Krombach, Paul
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1928
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 169.1928, Nr. 4352, S. 320

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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