Zeichnung von E. Niemeyer-Moxter
„Auf dieser Bank hatte ich ein peinliches Erlebnis. Ich sitze da, kommt ein Mann auf mich
zu, spricht mich an und sagt — und sagt: —" — „Was denn?" — „Frisch gestrichen!"
Kalkulationen eines Schriftstellers
gestanden: ich bekam Angst um mein Geld. Ich hatte noch
keine Ahnung, wie famos ein Schriftsteller daran ist. Erst
heute hat mir Waldemar das klar gemacht. Er hatte mich
eingeladen, ihn recht bald zu besuchen, und ich war hingegangen,
um mir einige Beruhigung wegen der tausend Mark zu ver-
schaffen. Sie wurde mir in vollstem Maße zuteil.
Waldemar war sehr heiter. „So leben wir, so leben wir!"
pfiff er, als er mir die Tür öffnete. „Famos, daß du kommst!
Gerade bin ich mit einem ganzen Schwung Arbeit fertig. Jetzt
kann ich mir etwas Ruhe gönnen, - der Karren läuft. Sieh
her, wie fleißig ich gewesen bin!"
Er zeigte auf einen kleinen Stapel Briese, die fertig ge-
macht auf dem Schreibtisch lagen. „Ein Dutzend Sendungen
an Redaktionen. Ich habe mich tüchtig hingesetzt und forsch
aufgearbeitet, was ich, flüchtig entworfen, schon mitgebracht
hatte. Neun Novellen habe ich geschrieben. Sie gehen an
Magazine und Wochenschriften ersten Ranges: an die ,Acker-
märkischen Monatsheftes an den ,Kakadw, an die,Gute Stube^
usw. Im Durchschnitt werde ich für jede 300 Mark erhalten,
macht 2700 Mark. Dann habe ich noch verschiedenes Klein-
zeug: ernste und heitere Gedichte, Anekdoten und Witze, —
drei Sendungen, jede mit hundert Mark zu veranschlckgen.
184
Macht alles in allem 3000 Mark. Ich wäre vielleicht nicht so
rührig gewesen, aber ich brauche das Geld. Ich will mir zwei
Anzüge machen lassen, einen schwarzen Cut und dito Weste
mit gestreiften Beinkleidern dazu und einen Abendanzug, Frack
oder Smoking. 600 Mark rechne ich für beide. Dann will ich
ein Motorrad mit Beiwagen anschaffen; da genügen 400 Mark
als Anzahlung. Ich habe nämlich eine reizende junge Dame
kennen gelernt, die gern eine größere Tour unternehmen möchte,
— Thüringen, Larz usw. Etwa zehn Tage. Na, das wird
auch gegen 500 Mark kosten. Einige kleine Aufmerksamkeiten
für die besagte junge Dame veranschlage ich aus 300 Mark.
Dann sollst du natürlich deine 1000 Mark kriegen, — — du
siehst, es ist bereits so ziemlich über das Geld disponiert. Aber
was macht das? Ich kann ja jeden Tag was Neues schreiben."
Zehn Tage später. Leute bin ich wieder bei Vetter Wal-
demar gewesen. Eigentlich hatte ich nur eine Woche warten
wollen, aber anstandshalber legte ich dann noch drei Tage zu;
ich dachte auch, er würde dann desto sicherer meine tausend
Mark schon beisammen haben.
Auf der Treppe begegnete ich dem Briefträger, der gerade
herunterkam. Waldemar hatte einen Brief bekommen; er hielt
ihn noch in der Land, als er mir die Tür öffnete, und sah
„Auf dieser Bank hatte ich ein peinliches Erlebnis. Ich sitze da, kommt ein Mann auf mich
zu, spricht mich an und sagt — und sagt: —" — „Was denn?" — „Frisch gestrichen!"
Kalkulationen eines Schriftstellers
gestanden: ich bekam Angst um mein Geld. Ich hatte noch
keine Ahnung, wie famos ein Schriftsteller daran ist. Erst
heute hat mir Waldemar das klar gemacht. Er hatte mich
eingeladen, ihn recht bald zu besuchen, und ich war hingegangen,
um mir einige Beruhigung wegen der tausend Mark zu ver-
schaffen. Sie wurde mir in vollstem Maße zuteil.
Waldemar war sehr heiter. „So leben wir, so leben wir!"
pfiff er, als er mir die Tür öffnete. „Famos, daß du kommst!
Gerade bin ich mit einem ganzen Schwung Arbeit fertig. Jetzt
kann ich mir etwas Ruhe gönnen, - der Karren läuft. Sieh
her, wie fleißig ich gewesen bin!"
Er zeigte auf einen kleinen Stapel Briese, die fertig ge-
macht auf dem Schreibtisch lagen. „Ein Dutzend Sendungen
an Redaktionen. Ich habe mich tüchtig hingesetzt und forsch
aufgearbeitet, was ich, flüchtig entworfen, schon mitgebracht
hatte. Neun Novellen habe ich geschrieben. Sie gehen an
Magazine und Wochenschriften ersten Ranges: an die ,Acker-
märkischen Monatsheftes an den ,Kakadw, an die,Gute Stube^
usw. Im Durchschnitt werde ich für jede 300 Mark erhalten,
macht 2700 Mark. Dann habe ich noch verschiedenes Klein-
zeug: ernste und heitere Gedichte, Anekdoten und Witze, —
drei Sendungen, jede mit hundert Mark zu veranschlckgen.
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Macht alles in allem 3000 Mark. Ich wäre vielleicht nicht so
rührig gewesen, aber ich brauche das Geld. Ich will mir zwei
Anzüge machen lassen, einen schwarzen Cut und dito Weste
mit gestreiften Beinkleidern dazu und einen Abendanzug, Frack
oder Smoking. 600 Mark rechne ich für beide. Dann will ich
ein Motorrad mit Beiwagen anschaffen; da genügen 400 Mark
als Anzahlung. Ich habe nämlich eine reizende junge Dame
kennen gelernt, die gern eine größere Tour unternehmen möchte,
— Thüringen, Larz usw. Etwa zehn Tage. Na, das wird
auch gegen 500 Mark kosten. Einige kleine Aufmerksamkeiten
für die besagte junge Dame veranschlage ich aus 300 Mark.
Dann sollst du natürlich deine 1000 Mark kriegen, — — du
siehst, es ist bereits so ziemlich über das Geld disponiert. Aber
was macht das? Ich kann ja jeden Tag was Neues schreiben."
Zehn Tage später. Leute bin ich wieder bei Vetter Wal-
demar gewesen. Eigentlich hatte ich nur eine Woche warten
wollen, aber anstandshalber legte ich dann noch drei Tage zu;
ich dachte auch, er würde dann desto sicherer meine tausend
Mark schon beisammen haben.
Auf der Treppe begegnete ich dem Briefträger, der gerade
herunterkam. Waldemar hatte einen Brief bekommen; er hielt
ihn noch in der Land, als er mir die Tür öffnete, und sah
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Auf dieser Bank hatte ich ein peinliches Erlebnis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4364, S. 184
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg