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Ein gänzlich Unbrauchbarer

Von Girg Gilderich

Auf der Lokalbahn Wieszell-Kochpulling hat es wieder ein-
mal nicht geklappt. Sei es, daß der Stationsvorstand in Mozling
den Zug nach Wieszell zu früh abgelaffen hat, oder der Lo-
komotivführer des Wieszeller „Knasterers," wie man dort
den von Wieszell herpustenden Expreß nennt, noch langsamer
als vorgeschrieben gefahren ist, kurz und gut, der Gute-Nacht-
Zug von Wieszell und der Guten-Morgen-Zug von Kochpulling
sind mittwegs zwischen Mozling und Wieszell auseinander
aufgefahren. And sofort hat man gesehen, was es für ein
Glück ist, daß auch in den Tagen der Schnelligkeitsrekorde noch
Verkehrsmittel vorhanden sind, die sich Zeit lassen. Denn nur
dadurch ist es zu begreifen, daß der Gute-Racht-Zug von
Wieszell, so genannt, weil er, obwohl schon vormittags in
Wieszell abgelassen, doch erst gegen den Abend hin in Koch-
pulling eintrifft, und der Guten-Morgen-Zug von Lochpulling,
der zwar in aller Früh von Lochpulling abdampst, aber doch
nicht vor dem Mittagessen nach Wieszell kommt, sich nicht
allzu weh tun, wenn sie aufeinanderprallen. Dieses Mal aber
ist es schärfer hergegangen. Man sieht Leute mit blutigen Köpfen
lausen oder mit schleppenden Füßen dem Wieszeller Bahnhof zu-
wanken und vernimmt ihre ingrimmigen Versicherungen, daß
diese Verlehrsmode der Reichseisenbahn einen gehörigen Batzen
Geld kosten werde. And auch der Weitmoser Mich! ist unter den
Schimpfenden und Fluchenden, obscho» er allen Grund hätte, zu-
frieden zu sein; denn ihm ist kein
Laar gekrümmt worden.

Diese Anzufriedenheit hat eine
besondere Bewandtnis und ihren
berechtigten Grund. Der Weit-
moser Mich! war nämlich ehe-
dem ein wohlhabender Bauer,
der nur durch seine Faul-
heit aus seinem warmen Rest
heraus — und zu guter Letzt,
mit lauter Bier und Spiel, auf
den Kund gekommen ist, und das
so unzweideutig, daß jetzt ihn sein
Weib mit Lohnwaschen bei den
Leuten herum erhalten muß. Den
Michl geniert das nicht; denn so
viel Kandelschaft und Schmus
geht ja immer, daß das Biergeld
herausspringt und das Bissel
Fahrt auf der Lokalbahn hin und
her. And überdies: hat der Michl
gestern seinen Los verloren, kann
er morgen ein dreimal größeres
Vermögen finden oder vielleicht

gar heute schon; man muß es nur anzustelle» wissen, und der
Michl weiß es. Freilich, für den Augenblick ist es ihm mißglückt,
und darum flucht und schimpft er. And also fluchend und schimpfend
geht er der Station Wieszell zu, weil ja doch kein Mensch weiß,
wann der Ersayzug für den Lochpullinger „Lusterer" eintrifft, der
nun einmal aus der Strecke liegt und nicht mehr weiter kann. In
Wieszell aber hat der Michl seinen Wohnsitz d. i. den Mittelpunkt
seiner bürgerlichen Tätigkeit aufgeschlagen. And die Kunde von
dem Eisenbahnunfall ist ihm schon vorausgeeilt, und darum steht
sein Weib erwartungsvoll vor dem niedern Käusel und - wie son-
derbar!—auch sie ist nichtfrohgestimmt und dankbar dem Geschick,
da sie den Gatten unverletzt auf sich zukommen sieht. Im Gegenteil.

„O Iessas," sagt sie, „a so kiminst du daher! Woaßt
'leicht nimmer, was d' gsagt hast, wia ma auf Wieszell Her-
zogen san? ,Du gehst ins Waschen', hast gsagt, ,und i schau,
daß i mit inserner Lokalbahn, aus der a so alle Augenblick
was passiert, zu an Nervenschock kimm. Auf dö Weis', hast gsagt,
,kriag i a lebenslängliche Rente und mit der san ma gschwind
in der Köh'. Wo hast denn nacher iatz dein Nervenschock und
die lebenslängliche Rente? Kan? 's Geld hast verfahren, ja,
aber Nervenschock hast koan!"

„No ja, freili, vorderhand no nöt," tröstet der Michl,
„dafür bin i aber halt a gsund wieder da."

„I dank schö," sagt die Weitmoserin, die Andankbare. „Schau
an Gramminger Kansei o'! Is
der vielleicht nöt aa gsund, und
kann er vielleicht mit seim Ner-
venschock nöt laufa wie a Kas,
wenn 's sei muaß! And do kriagt
er alle Monat von der Eisenbahn
dreißig Markl! Warum? Weil
er's verstanden hat. Loamfahren
hat er si lassen 's selbig Mal!
Schier nimmer außergsehgn hat
er aus dö Kissen! And du? Du
kiminst ja glei frischer hoam, als
wiast furt bist!"

„Der Gramminger Kansei,"
rechtfertigt sich der Michl, „is halt
a mitten dringsessen in dem um-
gsallnen Wagen, »maßt wissen,
und i — grad vor mein Wagen
hat 's auslassen."

„Weilst a Depp bist! Weilst
nöt amal woaßt, wo du hi'sitzen
muaßt! Weil ma di halt ganz
oafach zur gar nix braucha ko!
Du Nixnutz, du!"


„Glaube» Sip, daß Sie mich raufbringen
können auf das Marterhorn?" — „Im Rucksack
scho, bal Sie selber kraxeln woll'n — kaum!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Glauben Sie, daß Sie mich raufbringen können auf das Marterhorn"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4368, S. 242

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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