Zeichnung von 3. Schult
Maßstab
„Einen entzückenden Vers haben Sie mir in mein Stamm-
buch geschrieben. Von Ihnen, nicht wahr?"
„Leider nicht. Fräulein Lertha. Von Goethe."
„So? Da hätten Sie freilich einen besseren aussuchen können."
Bocktreffer
Vor Bocktrefser müssen Sie sich in acht nehmen. Nun.
Sie werden vielleicht nicht in die Lage kommen, mit ihm zu
tun zu haben. Im andern Falle-Sie sind gewarnt! Aber
vielleicht wollen Sie noch Näheres wissen. Bitte!
Bocktreffer hat zu Mittag gespeist, zusammen mit Schlamp
— in einem Lokal, auf dessen Nainen es nicht weiter an-
kommt. Es mag im „Gambrinus" gewesen sein. Schlamp hat
furchtbar viel gegessen. Das tut er immer, und man sieht es
ihm auch an; Schlamp wiegt sicherlich zwei Zentner. Aber
warten wir ab. — wir werden gleich genau über sein Gewicht
unterrichtet werden.
Bocktreffer dagegen ist klein und dürr. Wieviel er wiegt,
werden wir auch gleich wissen. Bocktreffer weiß es im Augeü-
blick auch noch nicht genau, aber er hätte gern Kenntnis da-
von. Das ist gar nicht so unwichtig; das Abnehmen oder Zu-
nehmen hängt so sehr mit dem allgemeinen Gesundheitszu-
stände zusammen, daß man
immer daraus achten sollte.
Zn jenem Lokal, dem ..Gam-
brinus". besteht die Möglich-
keil, sein Körpergewicht fest-
zustellen, — auf einer auto-
matischen Wage, die ein Kärt-
chen verabfolgt. Das kostet
zehn Pfennige, aber Bock-
treffer würde sich als dem
Wahnsinn verfallen erachten,
wenn er dafür zehn Pfennige
hergeben wollte.
Schlamp stöhnt; er fühlt
sich so schrecklich voll. „Sie
haben wieder mal des Guten
zu viel getan, mein Lieber,"
meckert Bocktreffer. „Sie soll-
ten vorsichtiger sein. Zu viel
Fett ist ungesund. Tragen Sie
jetzt mal Sorge, etwas abzu-
nehmrn. Wiegen Sie sich mal!
Dann werden Sie sehn, daß
das so nicht weiter gehen darf."
Schlamp seufzt und nickt.
Ja, das hat er sich selber auch
schon gesagt. Bocktreffer redet
ihm noch einmal zu. und rich-
tig — dann steht Schlamp auf
und begibt sich an jene auto-
matische Wage. Sie steht in
einem Nebenraum, wo »nau
sich die Lände waschen kann.
slmdüstert kehrt er zurück
und wirft das erhaltene Kärt-
chen auf den Tisch. Begierig
greift Bocktreffer danach.
„Run, Hab' ich recht gehabt?
106 Kilo --das ist doch
zu viel, zu viel! Das hat Sie
doch erschreckt, was! Jetzt
haben Sie keine Lust mehr,
noch ein Glas Bier zu trinken,
nicht wahr? Jetzt wollen Sie
lieber gleich ein bißchen laufen.
Ist auch das einzig Richtige
für Leute wie Sie. Ich Hab'
einen Vetter, dem ist es grade
so gegangen. Als er dann aber ansing, nach jeder Mahlzeit
sich Bewegung zu machen, da nahm er nicht mehr zu. Alte
Regel: Nach dem Effen sollst du stehn oder tausend Schritte
gehn! — Wie sagt doch der Lateiner? Warten Sie mal —!"
Schlamp kann nicht Lateinisch, und deshalb geht er lieber
gleich. Bocktreffer, der erst noch sein Bier austrinken will,
ruft ihm nach: „Richtig, der Lateiner sagt: Lost coenam sta-
bis seu passus mille meabis!" — —
Drei Minuten später geht Bocktreffer mit dem Kärtchen,
das er Schlamp nicht zurückgegeben hat, zum Wirt des
„Gambrinus". Er zeigt Erstaunen und Verwunderung. „Lören
Sie mal: das kann doch nicht stimmen! Das ist doch ganz
unmöglich!"
Der Wirt sieht das Kärtchen an und dann Bocktreffer.
Nein, das kann nicht stimmen, das ist wirklich unmöglich. „Das
wollen wir doch sehen. Wenn Sie sich, bitte, nochmal bemühen
wollen!" (Schluß Seite 38)
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Maßstab
„Einen entzückenden Vers haben Sie mir in mein Stamm-
buch geschrieben. Von Ihnen, nicht wahr?"
„Leider nicht. Fräulein Lertha. Von Goethe."
„So? Da hätten Sie freilich einen besseren aussuchen können."
Bocktreffer
Vor Bocktrefser müssen Sie sich in acht nehmen. Nun.
Sie werden vielleicht nicht in die Lage kommen, mit ihm zu
tun zu haben. Im andern Falle-Sie sind gewarnt! Aber
vielleicht wollen Sie noch Näheres wissen. Bitte!
Bocktreffer hat zu Mittag gespeist, zusammen mit Schlamp
— in einem Lokal, auf dessen Nainen es nicht weiter an-
kommt. Es mag im „Gambrinus" gewesen sein. Schlamp hat
furchtbar viel gegessen. Das tut er immer, und man sieht es
ihm auch an; Schlamp wiegt sicherlich zwei Zentner. Aber
warten wir ab. — wir werden gleich genau über sein Gewicht
unterrichtet werden.
Bocktreffer dagegen ist klein und dürr. Wieviel er wiegt,
werden wir auch gleich wissen. Bocktreffer weiß es im Augeü-
blick auch noch nicht genau, aber er hätte gern Kenntnis da-
von. Das ist gar nicht so unwichtig; das Abnehmen oder Zu-
nehmen hängt so sehr mit dem allgemeinen Gesundheitszu-
stände zusammen, daß man
immer daraus achten sollte.
Zn jenem Lokal, dem ..Gam-
brinus". besteht die Möglich-
keil, sein Körpergewicht fest-
zustellen, — auf einer auto-
matischen Wage, die ein Kärt-
chen verabfolgt. Das kostet
zehn Pfennige, aber Bock-
treffer würde sich als dem
Wahnsinn verfallen erachten,
wenn er dafür zehn Pfennige
hergeben wollte.
Schlamp stöhnt; er fühlt
sich so schrecklich voll. „Sie
haben wieder mal des Guten
zu viel getan, mein Lieber,"
meckert Bocktreffer. „Sie soll-
ten vorsichtiger sein. Zu viel
Fett ist ungesund. Tragen Sie
jetzt mal Sorge, etwas abzu-
nehmrn. Wiegen Sie sich mal!
Dann werden Sie sehn, daß
das so nicht weiter gehen darf."
Schlamp seufzt und nickt.
Ja, das hat er sich selber auch
schon gesagt. Bocktreffer redet
ihm noch einmal zu. und rich-
tig — dann steht Schlamp auf
und begibt sich an jene auto-
matische Wage. Sie steht in
einem Nebenraum, wo »nau
sich die Lände waschen kann.
slmdüstert kehrt er zurück
und wirft das erhaltene Kärt-
chen auf den Tisch. Begierig
greift Bocktreffer danach.
„Run, Hab' ich recht gehabt?
106 Kilo --das ist doch
zu viel, zu viel! Das hat Sie
doch erschreckt, was! Jetzt
haben Sie keine Lust mehr,
noch ein Glas Bier zu trinken,
nicht wahr? Jetzt wollen Sie
lieber gleich ein bißchen laufen.
Ist auch das einzig Richtige
für Leute wie Sie. Ich Hab'
einen Vetter, dem ist es grade
so gegangen. Als er dann aber ansing, nach jeder Mahlzeit
sich Bewegung zu machen, da nahm er nicht mehr zu. Alte
Regel: Nach dem Effen sollst du stehn oder tausend Schritte
gehn! — Wie sagt doch der Lateiner? Warten Sie mal —!"
Schlamp kann nicht Lateinisch, und deshalb geht er lieber
gleich. Bocktreffer, der erst noch sein Bier austrinken will,
ruft ihm nach: „Richtig, der Lateiner sagt: Lost coenam sta-
bis seu passus mille meabis!" — —
Drei Minuten später geht Bocktreffer mit dem Kärtchen,
das er Schlamp nicht zurückgegeben hat, zum Wirt des
„Gambrinus". Er zeigt Erstaunen und Verwunderung. „Lören
Sie mal: das kann doch nicht stimmen! Das ist doch ganz
unmöglich!"
Der Wirt sieht das Kärtchen an und dann Bocktreffer.
Nein, das kann nicht stimmen, das ist wirklich unmöglich. „Das
wollen wir doch sehen. Wenn Sie sich, bitte, nochmal bemühen
wollen!" (Schluß Seite 38)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Maßstab"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4368, S. 244
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg