Zeichnung von M. Tlau-r
„In der .Abendpost' hat gestern eine Kritik über mein Erstlingswerk gestanden.
Na. gelobt hat mich der Rezensent gerade nicht, aber er hat mir Bewährungs-
frist zugebilligt."
„Ah. das bedeutet, daß Sie eine Zeit lang nichts schreiben sollen, nicht wahr?"
Zumutung
Schöndube kommt mit einem Paket
zu Laslauer. „Lier bringe ich dir dei-
nen schwarzen Anzug zurück, mein
Bester. Schönsten Dank!"
Laslauer sieht sich den Anzug an —
er hat ihn sich seinerzeit für zweihundert
Mark bauen lassen — und schimpft:
„Da hört sich doch alles auf! Für einen
Abend hast du dir den Anzug gepumpt,
dann Hab' ich ein halbes Jahr nichts
von dir gehört, und nun bringst du ihn
in einem Zustande an. daß eine Vogel-
scheuche ihn nicht anziehn möchte. Jetzt
behalte ihn gefälligst und zahl' mir
wenigstens hundert Mark!"
Schöndube ist empört. „Du bist
wohl verrückt! Lundert Mark für so
'ne abgetragene Kluft?"
Nicht so eilig
Um neun Uhr abends brach das
Feuer aus, im Lause Kohlstraße 14 zu
Murkshagen. Aber kein Mensch war
zu Lause; alle waren sie auf dem Ge-
sellschaftsabend in der „Larmonie", die
aber nur ein paar hundert Schritte
entfernt ist, — gleich links um die
Ecke.
Die Freiwillige Feuerwehr von
Murkshagen — — alle Achtung! Gleich
war sie zur Stelle. Aber natürlich sollen
auch die Einwohner des gefährdeten
Laufes helfen. Einige sind auch schon
da und tragen Wasser zur Spritze. Aber
die andern — — ja, wo stecken sie
denn?
Der Kommandant der Feuerwehr
erhält die Auskunft: „Die schon hier
sind, das sind die Nichtversicherten.
Die Versicherten trinken noch erst ihr
Bier aus."
Kriegen Meiers eine neue Anna,
Setzt die Gnädige den Zwicker auf.
Und Herr Meier schiebt die Bock-Havanna
In die Unke obre Lücke rauf.
Lange ist die Gattin noch im Zweifel,
Was es mit dem Mädchen auf sich hat.
Darum fragt sie allen Tod und Teufel,
Ob sie schon, wie lang sie dorten hat . . .
Fragt nach Eltern, Schatz und Impferfolche,
Fragt nach Alter, nach Moral und Bier,
Und versichert, nirgends gäbs ne solche
Angenehme Stellung wie bei ihr.
Und dann blickt sie aufs Parkett hinab
Und zeigt Anna einen dunklen Fleck:
„Fräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,
Der geht nicht anders wegT
Siahl-Spanisches
Hat ein Mädchen, sonst nicht unästhetisch.
Irgendwo, vielleicht am Kinn, n Punkt,
Dann behandelt man sie gleich kosmetisch,
Hohensonne wird hineingefunkt,
Hont genstrahlen werden losgelassen,
Elektroden tief hinein versenkt,
Und ein halbes Dutzend Krankenkassen
Zahlt— na, nichts (was sich so ’n Fräulein denktl)
Schließlich wird der Punkt mit scharfen Pasten
Und Gewalt von seinem Platz verjagt.
Er verschwindet, und auf einmal haste ’n
Irgendwo, wo man es nicht gern sagt.
Dann läuft sie zum Schäfer Ast im Trab,
Der sagt: ,J)ie Behandlung war ein DreckI
Fräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,
Der geht nicht anders weg!"
Hat ein Mädchen — laßt uns unverhohlen
Dies erörtern! — einen Herren, der
Eignen Herd besitzt und eigne Kohlen —
Na, dann überlege sie sichs sehr!
Aber hat er auch noch Seelentiefe,
Ist seriös, hat Aussicht auf Pension,
Schreibt er gar tagtäglich schöne Briefe —
Warum lange reden? Hat ihn schon J
Aber paßt er ihr in ihr System nicht,
Ist er musikalisch, blond, vom Rhein,
Und sie will ihn dann trotz alledem nicht,
Er jedoch will sie, nur sie allein —
Dann zerschneide sie mit Schnipp und Schnapp
Ihm den letzten Hoffnungsfaden keck:
,JFräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,,
Der geht nicht anders weg!“ Curry
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„In der .Abendpost' hat gestern eine Kritik über mein Erstlingswerk gestanden.
Na. gelobt hat mich der Rezensent gerade nicht, aber er hat mir Bewährungs-
frist zugebilligt."
„Ah. das bedeutet, daß Sie eine Zeit lang nichts schreiben sollen, nicht wahr?"
Zumutung
Schöndube kommt mit einem Paket
zu Laslauer. „Lier bringe ich dir dei-
nen schwarzen Anzug zurück, mein
Bester. Schönsten Dank!"
Laslauer sieht sich den Anzug an —
er hat ihn sich seinerzeit für zweihundert
Mark bauen lassen — und schimpft:
„Da hört sich doch alles auf! Für einen
Abend hast du dir den Anzug gepumpt,
dann Hab' ich ein halbes Jahr nichts
von dir gehört, und nun bringst du ihn
in einem Zustande an. daß eine Vogel-
scheuche ihn nicht anziehn möchte. Jetzt
behalte ihn gefälligst und zahl' mir
wenigstens hundert Mark!"
Schöndube ist empört. „Du bist
wohl verrückt! Lundert Mark für so
'ne abgetragene Kluft?"
Nicht so eilig
Um neun Uhr abends brach das
Feuer aus, im Lause Kohlstraße 14 zu
Murkshagen. Aber kein Mensch war
zu Lause; alle waren sie auf dem Ge-
sellschaftsabend in der „Larmonie", die
aber nur ein paar hundert Schritte
entfernt ist, — gleich links um die
Ecke.
Die Freiwillige Feuerwehr von
Murkshagen — — alle Achtung! Gleich
war sie zur Stelle. Aber natürlich sollen
auch die Einwohner des gefährdeten
Laufes helfen. Einige sind auch schon
da und tragen Wasser zur Spritze. Aber
die andern — — ja, wo stecken sie
denn?
Der Kommandant der Feuerwehr
erhält die Auskunft: „Die schon hier
sind, das sind die Nichtversicherten.
Die Versicherten trinken noch erst ihr
Bier aus."
Kriegen Meiers eine neue Anna,
Setzt die Gnädige den Zwicker auf.
Und Herr Meier schiebt die Bock-Havanna
In die Unke obre Lücke rauf.
Lange ist die Gattin noch im Zweifel,
Was es mit dem Mädchen auf sich hat.
Darum fragt sie allen Tod und Teufel,
Ob sie schon, wie lang sie dorten hat . . .
Fragt nach Eltern, Schatz und Impferfolche,
Fragt nach Alter, nach Moral und Bier,
Und versichert, nirgends gäbs ne solche
Angenehme Stellung wie bei ihr.
Und dann blickt sie aufs Parkett hinab
Und zeigt Anna einen dunklen Fleck:
„Fräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,
Der geht nicht anders wegT
Siahl-Spanisches
Hat ein Mädchen, sonst nicht unästhetisch.
Irgendwo, vielleicht am Kinn, n Punkt,
Dann behandelt man sie gleich kosmetisch,
Hohensonne wird hineingefunkt,
Hont genstrahlen werden losgelassen,
Elektroden tief hinein versenkt,
Und ein halbes Dutzend Krankenkassen
Zahlt— na, nichts (was sich so ’n Fräulein denktl)
Schließlich wird der Punkt mit scharfen Pasten
Und Gewalt von seinem Platz verjagt.
Er verschwindet, und auf einmal haste ’n
Irgendwo, wo man es nicht gern sagt.
Dann läuft sie zum Schäfer Ast im Trab,
Der sagt: ,J)ie Behandlung war ein DreckI
Fräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,
Der geht nicht anders weg!"
Hat ein Mädchen — laßt uns unverhohlen
Dies erörtern! — einen Herren, der
Eignen Herd besitzt und eigne Kohlen —
Na, dann überlege sie sichs sehr!
Aber hat er auch noch Seelentiefe,
Ist seriös, hat Aussicht auf Pension,
Schreibt er gar tagtäglich schöne Briefe —
Warum lange reden? Hat ihn schon J
Aber paßt er ihr in ihr System nicht,
Ist er musikalisch, blond, vom Rhein,
Und sie will ihn dann trotz alledem nicht,
Er jedoch will sie, nur sie allein —
Dann zerschneide sie mit Schnipp und Schnapp
Ihm den letzten Hoffnungsfaden keck:
,JFräulein, reiben Sie den mal mit Stahlspänen ab,,
Der geht nicht anders weg!“ Curry
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In der 'Abendpost' hat gestern eine Kritik über mein Erstlingswerk gestanden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4382, S. 54
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg