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„So ekelhafte Insekten sind hier über dem Wassers

„Seien Sie doch froh, Lerr Mudicke, — da kriegen Sie wenigstens 'n paar Stiche."

„9!a, hören Sie/
schimpfte der blutende
Kunde im Friseurladen,
„Ihren Lehrling sollten
Sie in hohem Bogen
rausschmeitzen.Dasistja
Körperverletzung! Der
Bengel hat ja keine Ah-
nung vom Landwerk!"

„Das wird sich bald
geben, mein Lerr. Der
Iungekommtnurmanch-
mal noch in die falschen
Landgriffe hinein. Er
war bis vor drei Mo-
naten in einer Möbel-
schnitzerei in der Lehre."

A. W.

„Wissen Sie schon
was von der Wetter-
vorhersage für heute,
Fanny?" —

„Ja. Die gnädige
Frau hat Migräne."

Glühlampe in der Nacht

Von L a h a

Ich kehrte morgens früh gegen 3 Ahr von einer Reise zu-
rück. (Ich glaube wenigstens, daß man so zu sagen Pflegt,
wenn man in frühester Morgenstunde nach Lause kommt.) Ich
steuerte gleich einer Segeljacht, die mit widrigen Winden
kämpft, meinem Domizil zu. Aebersehen konnte ich es nicht.
Es war ein zehnparteiiges Mietshaus, dessen dritte Etage
rechts ich mit meinem Freund Eduard Längsel gemeinsam
innehabe, beide als Mieter bei der Witwe Stielmus, zweite
Etage rechts.

Meine Gedanken waren ausschließlich mit der bevor-
stehenden Entdeckung des Schlüsselloches beschäftigt. Nach kurzem
geistigem Anlauf zückt meine Land den Schlüssel zum ent-
scheidenden Vorstoß — doch, siehe da, es erging mir wie
Amundsen am Nordpol: Andere hatten sich der Lorbeeren be-
mächtigt — die Laustüre stand offen.

Mit der schönen Genugtuung des Beamten, der sich zwar
zu Lause streng trappistisch verhält, dafür aber im Büro mit
der Faust und ungemeiner Bravour auf den Tisch haut, daß
Aktenstaub und Substitute aufwirbeln, sagte ich mit lautem,
zeitweise leider koloratursprechendem Organ: „So eine Schlam-
perei . . . und nachher soll ich's wieder gewesen sein!" Aber
hinter der offenen Laustüre stand jemand: Johann Dietrich,
der Lausmeister. In der Blüte seiner Manneskraft hatte ich
ihn verlassen, jetzt schien er ein gebrochener Mann. Sein
Schnurrbart, sonst keß nach oben deutend, krümmte sich mongo-
lisch, in fatalistischer Kurve, erdwärts. Er stammelte: „Oh, oh,
Lerr Diplomat — oh, Lerr Diplomat!"

Meinem Mut wuchsen neue Flügel, der eingeschüchterte
Beamte in mir regte wieder die Schwingen der Energie.
„Mann," sage ich „wie oft soll ich Ihnen sagen, daß ich Diplom-
Ingenieur bin, Dipällohm-Ingeniöhr!"

„Ja, Lerr Dipällohm, jawohl doch. Aber Ihr armer
Freund — er hat sich — vH, er hat sich . . ."

„Mann," sage ich noch einmal, „wenn Sie nicht wollen, daß
morgen im ganzen Lause die Milch sauer ist, flennen Sie
116

nicht so. Mein Freund hat sich doch schon öfter einen über
den Durst genehmigt."

„Rein, nein, nicht genehmigt — er hat sich diesmal —
diesmal hat er sich erschossen. Jawohl, um einhalb drei Ahr.
Ein Knall, dann alles still. Ich laufe vors Laus, sehe hinauf:
kein Licht, alles dunkel. Bleiben Sie unten, Lerr Dipällohm.
Ich bin im Krieg gewesen, aber Toter ist Toter. Der Knall,
wenn Sie den gehört hätten, oh, Lerr Dipällohm. . ."

„Nanu," sage ich und fühle Kühle auf dem Rücken. Sonst
war Eduard doch friedliebend. Anderen tat er selten, sich
selbst aber niemals etwas zuleide. Schußwaffen hatte er doch
auch keine. Aber der Knall...! Vielleicht kann man noch helfen.
Ich steige die Treppe hinauf und höre Stimmen. Eine davon
ertönt im ersten Stock: „. . . . und ich habe es ja immer ge-
sagt: die Finanzämter sind die reinen Mordinstitute!"

Die Stimme kommt nicht von einem Astralleib, sondern
vom Rentner Festung, erster Stock rechts. In wallendem Nacht-
hemd belebt er wie ein Nacheengel den Treppenabsatz. Er hält
die hölzerne Arne, die das Ende jedes Treppenlaufs bezeichnet,
umschlungen und schleudert seine „Mordinstitute" hinein in
die Türspalte der ersten Etage links, aus der Fragmente des
Lerrn Postsekretärs Feist quellen, unter anderem auch ein
halber Arm, dessen obligate Land zu noch ungeklärtem Be-
hufe eine Ahr hält. „Mordinstitute," sagt Lerr Festung und
deutet demonstrativ auf die hölzerne Arne, die das Ende des
Treppenlaufs bezeichnet. Aktuelle Verzweiflung liegt in jedem
Lauch des Rentners. Es muß schlimm um meinen Freund stehen.

Lerr Postsekretär Feist, der offenbar als Gedächtnisstütze
eine schwarz-rot-goldene Zipfelmütze trägt, tritt für einen Augen-
blick in den Sichtbarkeitsbereich. Sein Daumen, der vom Post-
kartenzählen das Format einer anmutigen Mettwurst bekom-
men hat, drückt auf den Knopf der Flurbeleuchtung. „Schon
^wieder drei Minuten verflossen," murmelt er melancholisch.

Ich aber sage' „Lerr Festung, im Namen der Wahrheit:
was geht hier vor?" Lerr Festung macht einmal hick und klopft

(Fortsetzung SeUe 118)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"So ekelhafte Insekten sind hier über dem Wasser"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4386, S. 116

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