Fliegende Blätter (171.1929 (Nr. 4379-4404) = 85. Jahrg.)

Zeichnungen von M. TIau«

Der Angler

Etreicher hat im Ruhestand
Sich dem Angeln zugewandt
And betreibt es mit Passion,

Doch bisher hat er als Lohn
Nur ganz selten was erwischt.

In der Regel fing er nischt.
Denn an Seen, Flüssen, Teichen
Konnte er es nicht erreichen.

Daß die Fische angebissen.

Was der Lauptpunkt, wie wir wissen.
Da ihm dies nicht angenehm,

Lat er sich jetzt ein System
Von ganz eigner Art ersonnen
And das Werk sogleich begonnen.

Streicher hat ein Gärtchen; hier
Baut er sich ein Fischrevier.

Ein Bassin, ein Meter tief.
Wird gegraben und massiv
Ausgestaltet durch Zement,
Worauf Streicher selbst am End'
Viele Kannen Wasser trägt.

And dann setzt er frohbewegt
Karpfen dort hinein und Schleie».
Jetzt soll mir der Sport gedeihen!
Denkt er listig, denn zu fresse»
Wird den Fischen zugemessen
Nur soviel, wie mir beliebt.

Streicher, dem ja nichts bewußt.
Setzt am zweiten Tag voll Lust
Sich an sein Aquarium,

And den Laken, spitz und krumm.
Wirft er mit dem Köder aus.
Aber leider wird nichts draus.
Denn die Fische, die in's Maul
Längst genug gekriegt, sind faul.
Streicher ist nach sieben Stunden
Lundemüd' und überwunden.
Wiederum zwei Tage später
Loffnungsvoll zum Angeln geht er.
Krägel aber, kühner jetzt.

Lat versteckt sich hingesetzt;

Wenn es äußerst wenig gibt,

And die Biester Lunger kriegen.
Wird Versuchung sie besiegen.

And sie schnappen dann aus Mangel,
Leißa, forsch nach meiner Angel.-

Nun wohnt aber neben Streicher
Krägel. Als den kleinen Teich er
Sieht und von dem Zwecke hört,
Ist er tief im Grund empört
Als ein Freund der Kreatur,

And er tut bei sich den Schwur,
Streichers Pläne zu durchqueren
And die Fische stramm zu nähren.

Gleich kauft er Ameiseneier
Ein paar Pfund, die ja nicht teuer,
And aus Brot und Ochsenblut,
Dieses Futter ist sehr gut,
Dreht er Pillen mit Geschicke,
Daß die Fische dies erquicke.
Dann nimmt er ein Blaserohr,
Steigt zum Dachgeschoß empor,
Weil ihm dort der kleine Teich
Vorteilhaft im Sehbereich,

And die Lungen strapaziert er.
Soviel bläst und bombardiert er.

Mit dem Köder konkurrierend
Wirkt er, heimlich kanonierend.

Streicher wundert sich: mitunter
Klatscht da was auf's Wasser 'runter.

Fällt denn gar vom Limmel Manna
Für die Fische? — Aber dann, ha!
Kriegt er aus dem Rohrgebläse
Eine Pille an die Neese,

And durch den Geschotzempfang
Ahnt er den Zusammenhang,

Doch er läßt davon nichts merken
And geht fort, um sich zu stärken.

Nun erwägt er diese Sache.

Lilft er sich mit einem Krache?

Nein, er führt vielmehr im Schilde
Einen Zug voll List und Milde.

Wie von Angeführ sodann
Kommt er bei dem Nachbar an.

„O, Lerr Krägel, ich Hab' Fische,"
Spricht er schmelzend, „die dem Tische
Des Lukullus selbst zur Zier.
Speise» Sie wohl mal bei mir?"
(Krägel räuspert sich ganz sacht.)
„Wenn der erste Fang gemacht.

Denn ich will sie angelnd kriegen.
Machen Sie mir das Vergnügen!
Karpfen, ach, in brauner Butter —
Ein Rezept von meiner Mutter
Lab' ich noch — nicht dran zu tippen!"

(Krägel leckt sich schon die Lippen.)
„And ein Einundzwanz'ger Weinchen!"
(Krägel schmatzt schon wie ein Schweinchen.)
„And zum Schlüsse 'ne Importe,
Meine hohe Festtagssorte.

Ra, ich denke, daß ich bald
Was an meiner Angel halt'.

And zu Tisch dann bitten würd' ich." —
Krägel haucht: „Zu liebenswürdig!"

Streicher muß sich nach drei Tagen
Gar nicht mehr beim Angeln Plagen,
And es wird ein schönes Fest.
Krägel, der sich's schmecken läßt.
Sagt, das wäre delikat.

And er möchte in der Tat,

Wenn die Kosten sie halbieren.
Angelnd sich assoziieren.

Peter Robinson

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