Zeichnung von E. Croissant
L6- JJ 'ca-u/y
'A-J^
C/ieilos, dieser Schäferbengel,
Blies das Flötenholz von Buchs.
Keiner hatt im ganzen Sprengel
Eine solche Dauerlunge —
Und dazu war noch der Junge
Von dem aller schönsten Wuchs.
Seine Schafe, meist gefräßig,
Hörten zwar nur selten hin,
Denn die Flöte blies er mäßig,
(Terpsichore, die Camöne,
Kann natürlich andre Töne)
Aber Seele war darin!
Und bekanntlich, Schäferinnen
Sind auf sowas ganz erpich t
Mädchen, schon bereit zum Minnen,
Oeffnen tief in ihren Herzen
Kleine Pforten, fest und erzen,
Bei Musik — sonst tun sie’s nicht.
Und so ward ein Kranz von Schönen
Hingerissen von dem Schmelz,
Schwach bei seinen Flötentönen:
Alle liebten sie ihn, alle,
Zarte, runde, schlanke, dralle,
Jede seufzte im Gehölz.
Ja, die Nymphe Echo einmal
War vernarrt in sein Gezirp.
Blies er, rief sie gar gleich neunmal
Ihm zurück sein Tütütü-Stück,
Gott Silen blieb ohne Frühstück —
Eifersucht macht ihn ganz mürb.
Unter holden Schäfer spielen
Floß die Zeit, die Jahre flohn.
„Langsam mahlen Gottes Mühlen.
Cheilos, du bist fünfundzwanzig,
Und du wirst mir sachte ranzig!“
Sprach der Vater zu dem Sohn.
„Laß das Maulen, laß das Murren!
Keinen Einwand hör ich an.
Ewig kann kein Tauber gurren —
Wähle: Chloe, Phyllis, Helis!
Jedenfalls, bis Michaelis,
Sag ich, bist du Ehemann!“
Cheilos, der nach vielen Seiten
Schäferisch verpflichtet sehr,
Konnte sich fast nicht entscheiden*
Wo doch alle Mädchen kosig,
Alle Lippen süß und rosig,
Schien ihm Wählen sündhaft schwer*
Ernstlich kam in diesem Falle
Nur Ginolde in Betracht,
Aber wie die andern alle
Am galant’sten abzuspeisen,
Tausend Ketten zu zerreißen,
Sorgen hats ihm sehr gemacht.
Schlau versammelt er die Holden
Und sprach: „Die wird meine Braut,
Welche, wenn ich jetzt Ginolden,
Jene zierliche und süße,
Hier vor aller Augen küsse,
Weder rechts noch links geschaut.“
Vor der Mädchen lange Reihe
Nahm Ginolde er heraus,
Küßte, küßte stets aufs neue —
Ach, es brach durch seine Tücke
Da so manches Herz in Stücke:
Keine schaute gradeaus.
Manche Ohnmacht ward befächelt,
Manche Träne ward zerdrückt —
Cheilos aber hat gelächelt:
„Nur Ginolde kann mir taugen.
Sie hat bloß in meine Augen,
Doch nicht rechts und links geblickt!“
Dr. A. W*
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C/ieilos, dieser Schäferbengel,
Blies das Flötenholz von Buchs.
Keiner hatt im ganzen Sprengel
Eine solche Dauerlunge —
Und dazu war noch der Junge
Von dem aller schönsten Wuchs.
Seine Schafe, meist gefräßig,
Hörten zwar nur selten hin,
Denn die Flöte blies er mäßig,
(Terpsichore, die Camöne,
Kann natürlich andre Töne)
Aber Seele war darin!
Und bekanntlich, Schäferinnen
Sind auf sowas ganz erpich t
Mädchen, schon bereit zum Minnen,
Oeffnen tief in ihren Herzen
Kleine Pforten, fest und erzen,
Bei Musik — sonst tun sie’s nicht.
Und so ward ein Kranz von Schönen
Hingerissen von dem Schmelz,
Schwach bei seinen Flötentönen:
Alle liebten sie ihn, alle,
Zarte, runde, schlanke, dralle,
Jede seufzte im Gehölz.
Ja, die Nymphe Echo einmal
War vernarrt in sein Gezirp.
Blies er, rief sie gar gleich neunmal
Ihm zurück sein Tütütü-Stück,
Gott Silen blieb ohne Frühstück —
Eifersucht macht ihn ganz mürb.
Unter holden Schäfer spielen
Floß die Zeit, die Jahre flohn.
„Langsam mahlen Gottes Mühlen.
Cheilos, du bist fünfundzwanzig,
Und du wirst mir sachte ranzig!“
Sprach der Vater zu dem Sohn.
„Laß das Maulen, laß das Murren!
Keinen Einwand hör ich an.
Ewig kann kein Tauber gurren —
Wähle: Chloe, Phyllis, Helis!
Jedenfalls, bis Michaelis,
Sag ich, bist du Ehemann!“
Cheilos, der nach vielen Seiten
Schäferisch verpflichtet sehr,
Konnte sich fast nicht entscheiden*
Wo doch alle Mädchen kosig,
Alle Lippen süß und rosig,
Schien ihm Wählen sündhaft schwer*
Ernstlich kam in diesem Falle
Nur Ginolde in Betracht,
Aber wie die andern alle
Am galant’sten abzuspeisen,
Tausend Ketten zu zerreißen,
Sorgen hats ihm sehr gemacht.
Schlau versammelt er die Holden
Und sprach: „Die wird meine Braut,
Welche, wenn ich jetzt Ginolden,
Jene zierliche und süße,
Hier vor aller Augen küsse,
Weder rechts noch links geschaut.“
Vor der Mädchen lange Reihe
Nahm Ginolde er heraus,
Küßte, küßte stets aufs neue —
Ach, es brach durch seine Tücke
Da so manches Herz in Stücke:
Keine schaute gradeaus.
Manche Ohnmacht ward befächelt,
Manche Träne ward zerdrückt —
Cheilos aber hat gelächelt:
„Nur Ginolde kann mir taugen.
Sie hat bloß in meine Augen,
Doch nicht rechts und links geblickt!“
Dr. A. W*
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Braut-Wahl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4393, S. 231
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg