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Erfahrung

Von Dietrich Loder

Während der konsequente Sensualismus Condillacs jeg-
liche Erkenntnis aus den Sinneseindrücken ableiten will, be-
trachtet John Locke nur den Stoff der Erkenntnis durch die
Erfahrung gegeben, wobei also dieser sem Empirismus die
folgende Denktätigkeit nicht ausschließt, sondern —

Mit andern Worten:

„Ich will Ihnen was sagen/ erklärte der Professor Schlau-
kopp im Verlauf der Debatte, „tatsächlichen Wert für uns als
selbständig denkende und urteilende Individuen haben doch nur
solche Erkenntnisse, die wir gedanklich in logischer Konsequenz
verarbeitet haben. Worin unterschieden wir uns denn sonst
vom Tier! Der Gaul, der einmal von einem Automobil an-
gerannt worden ist, wird auch vor jedem stehenden Kraftwagen
scheuen - da haben Sie den reinen Sensualismus. Nein, nur
wenn wir die Wahrnehmung unserer Sinne wirklich geistig
übersetzt haben, wenn wir den tatsächlichen Kern einer Ange-
legenheit erfaßt haben und daraus unsere Schlüsse zu ziehen
verstehen, werden wir unseren höheren geistigen Anlagen und
Fähigkeiten gerecht. Wie denn auch nur der Grundsatz für uns
wahrhafte Bedeutung hat, den wir uns auf Grund erkenntnis-
theoretischer Empirie bilden, indem-also, da will ich

Ihnen ein Beispiel aus meinem Leben erzählen.

Zeichnung von E. Kirchner

Ich war noch ganz junger Privatdozent und hatte mich
noch kein halbes Jahr habilitiert, da kam ich mit einigen Studien-
genossen in unseren» Staminlokal zusammen. Es wurde damals
eine besonders umfangreiche Feier gehalten, weil einige von
uns wegkommen sollten, kurz und gut, bis »vir so gegen Morgen
das Lokal verließen, hatte ich natürlich ganz erhebliche Ueber-
fracht a» alkoholischer Kontrebande und führte mich dement-
sprechend aus.. Unser kleines Universitätsstädtchen »var da-
nials vielleicht noch uin einen Schatten idyllischer dörflich, als
es ja heute noch ist, — Enten und Äühner liefen auf den
Straßen herum, Alleebäume und Telegraphenstangen lösten
sich in bunter Reihenfolge ab, blühende Gärtchen — aber das
wissen Sie ja alles selbst. Nun, »vir segelte» also über die
Hauptstraße und hatten uns gerade iin strahlenden Morgen-
sonnenschein der großen Stadtkirche genähert, als mich plötz-
lich das Verlangen ankam, meine Taschenuhr mit der Kirch-
turinuhr zu vergleichen. Aber sehen Sie einmal mit dem Nebel-
schleier vor Augen, den ich mir mit viel Ausdauer und Kunst-
verständnis im Laufe der Nacht zugelegt hatte, auf eine vierzig
bis fünfzig Meter entfernte Kirchturmuhr. Zunächst sah ich
natürlich überhaupt zivei, und bei denen konnte ich auch nur
ganz verschwoininen das Zifferblatt feststellen. Aber Sie wissen
ja selbst, »vie inan in der Stiinmung
ist, nun mußte ich natürlich unter
allen Umständen die Turmuhr sehen!

Da kam einer von meinen Freun-
den aus den exzellenten Gedanken,
ich könne ja auf eine Telegraphen-
stange klettern: da sei ich erheblich
näher an der Uhr, »nüsse sie also not-
»vendig auch besser sehen können. Im
nächsten Augenblick war ich auch schon
an der Arbeit. Wie lange ich zu dem
Kunststück brauchte, weiß ich nicht
mehr. Ob es et»vas geholfen hat,
weiß ich auch nicht. Aber das weiß
ich noch, daß um diese Zeit eine große
Messe anfing und infolgedessen die
Bürger und Bürgerinnen der Stadt
zur Kirche strömten. And darunter
natürlich der Herr Rektor Magni-
fieus mit seiner Frau Geinahlin und
seinen Töchtern. And oben an der
Telegraphenstange wie ein Affe im
zoologischen Garten der Herr Privat-
dozent, erklärter Beiverber um eine
außerordentliche Professur und eine
Rektorstochter!

Ich erzähle nur nebenbei, daß es
nach Jahresfrist doch noch gelang,
alles wieder einzurenken; das gehört
ja eigentlich nicht zur Geschichte.
Zunächst waren die Folgen in jeder
Beziehung für mich katastrophal. Wo-
hin führte »nich nun damals der er-
kenntnisthcoretische Empirismus Ba-
eons und Lockes? Welchen Grundsatz
bildete ich mir — wohlgemerkt: „auf
Grund eingehender Aeberlegung?!"

Professor Siebengscheid war es,
der etwas spöttisch achselzuckend die
Antwort gab: tForlseyung Sette 374)

Einwand „Das soll 'n echter Dackel sein? Lächerlich!" — „Er hak doch krumine

Beine!" — „Wenn's nur darauf ankäme, wären Sie auch einer!"

372
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Einwand"
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4402, S. 372

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