Zeichnung von ffi. Kirchner
Familientragik
Vo» Gtrg Gildertch
Beweis „Du bist mir untreu, Max, auf deinem Rockkragen fand ich dieses Frauenhaar!"
„Das kann nur von dir sein!" - „Schweige! Ich habe es untersuchen lassen, es ist ein ungefärbtes!"
Kleine, ganz harmlose Iunggesellengeschichten
Lausfcauen unterhalten sich gern über die Dienstboten
und pflegen sehr dabei zu klagen; Junggesellen, die einen
eigenen Laushalt führen, tun das gleiche bezüglich ihrer Wirt-
schafterinnen.
„Jetzt Hab' ich wieder mal 'ne neue," erzählt Muffel dem Kol-
legen Stanzer. „Mit der wird das aber nichts werden: sie will
nicht abrechnen. Das mutz doch aber sein. Rechnet Ihre ab?"
Stanzer seufzt. „Die rechnet zu!" Peter Robinson
Abgerissen
„Du bist seit einiger Zeit in erbärmlicher Kluft, Mensch!"
„Ja, das ist die Kluft, die sich zwischen mir und meiner
Braut aufgetan hat!"
Die Lerrschaften kennen den
Floriwirt an der Tumblinger
Landstraße. Nicht? Schade. Im-
merhin aber: wenn Sie einmal
einen sehen sollten mit einer über-
lebensgroßen Nase, die noch dazu
wie ein nagelneues Kupserdach
auf einem weitausschauenden
Echloßturm glänzt, mit einem
Bierbauch wie ein Mutterfaß und
MitÄänden wie Bärentatzen, dann
kann es nur der Floriwirt von der
Tumblinger Landstraße sein.
Floriwirt heißt eigentlich nur
die Sache, das Gastwirtsanwesen,
von einem entfernten Vorfahren,
dem Florian Rumplinger, her,
denn der Wirt selber ist, schon
seit etlichen fünfzig Jahren, der
Josef Rumplinger. And zu dem
Anwesen gehört ein Grundbesitz
von fast zweihundert Tagwerk und
ein großartiger Viehstand und,
weil das Beste doch immer zuletzt
kommt, ein Bier, daß ein jeder
mit der Zunge schnalzt, sobald er
den ersten Schluck drunten hat.
Kurz, glücklichere Lebensumstände
— so scheint es wenigstens bei
oberflächlicher Betrachtung — als
die des Floriwirts gibt es nicht.
Auch hat er eine besorgte, unge-
mein rührige Frau und drei aus-
gezeichnete Söhne, von den Platt-
füßen bis zum Kupferzinken, oben
auf und auf der Vater. And auch
ihre Körperkräfte sind enorm.
Dieses zeigt sich vor allem beim
Auftreten von Meinungsverschie-
denheiten unter den sonntäglichen
Gästen. Zwar noch nicht, solange
die bäuerlichen Aeberzeugungen
nur dialektisch miteinander ringen,
jedoch sofort, wenn der erste Maß-
krug seinen Schwalbenflug antritt
und der Floriwirt als begeisterter
Freund von Ruhe und Ordnung
den Matzkrugschützen eigenhändig an die frische Lust befördern
will. In diesem Fall pflegen sich nämlich nicht nur die Gesinnungs-
genossen des zu Maßregelnden dem Zugriff des Floriwirts
zu widersetzen, sondern es ereignet sich auch oft genug in solchen
Momenten, daß das eigene Blut dem Floriwirt in einem seiner
Söhne sich entgegenwirft, die eben alle drei vom Vater die
leidenschaftliche Ordnungsliebe überkommen haben, die nun ein-
mal jedweden Gast an seinem Platz belassen will. Kaum ge-
wahrt indes der zweite Wirtssohn diese kindliche Auflehnung,
so bildet er auch schon mit Blitzesschnelle und dem auf deut-
scher Erde nie sich versagenden Erfolg eine neue Partei und
stürzt sich an ihrer Spitze für Sitte und Recht in Gewühl
und Streit.
Soll da der dritte und letzte Sohn des Floriwirts müßig
bleiben? Kann und darf er es? Er sieht, wie die rührige Mutter
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Familientragik
Vo» Gtrg Gildertch
Beweis „Du bist mir untreu, Max, auf deinem Rockkragen fand ich dieses Frauenhaar!"
„Das kann nur von dir sein!" - „Schweige! Ich habe es untersuchen lassen, es ist ein ungefärbtes!"
Kleine, ganz harmlose Iunggesellengeschichten
Lausfcauen unterhalten sich gern über die Dienstboten
und pflegen sehr dabei zu klagen; Junggesellen, die einen
eigenen Laushalt führen, tun das gleiche bezüglich ihrer Wirt-
schafterinnen.
„Jetzt Hab' ich wieder mal 'ne neue," erzählt Muffel dem Kol-
legen Stanzer. „Mit der wird das aber nichts werden: sie will
nicht abrechnen. Das mutz doch aber sein. Rechnet Ihre ab?"
Stanzer seufzt. „Die rechnet zu!" Peter Robinson
Abgerissen
„Du bist seit einiger Zeit in erbärmlicher Kluft, Mensch!"
„Ja, das ist die Kluft, die sich zwischen mir und meiner
Braut aufgetan hat!"
Die Lerrschaften kennen den
Floriwirt an der Tumblinger
Landstraße. Nicht? Schade. Im-
merhin aber: wenn Sie einmal
einen sehen sollten mit einer über-
lebensgroßen Nase, die noch dazu
wie ein nagelneues Kupserdach
auf einem weitausschauenden
Echloßturm glänzt, mit einem
Bierbauch wie ein Mutterfaß und
MitÄänden wie Bärentatzen, dann
kann es nur der Floriwirt von der
Tumblinger Landstraße sein.
Floriwirt heißt eigentlich nur
die Sache, das Gastwirtsanwesen,
von einem entfernten Vorfahren,
dem Florian Rumplinger, her,
denn der Wirt selber ist, schon
seit etlichen fünfzig Jahren, der
Josef Rumplinger. And zu dem
Anwesen gehört ein Grundbesitz
von fast zweihundert Tagwerk und
ein großartiger Viehstand und,
weil das Beste doch immer zuletzt
kommt, ein Bier, daß ein jeder
mit der Zunge schnalzt, sobald er
den ersten Schluck drunten hat.
Kurz, glücklichere Lebensumstände
— so scheint es wenigstens bei
oberflächlicher Betrachtung — als
die des Floriwirts gibt es nicht.
Auch hat er eine besorgte, unge-
mein rührige Frau und drei aus-
gezeichnete Söhne, von den Platt-
füßen bis zum Kupferzinken, oben
auf und auf der Vater. And auch
ihre Körperkräfte sind enorm.
Dieses zeigt sich vor allem beim
Auftreten von Meinungsverschie-
denheiten unter den sonntäglichen
Gästen. Zwar noch nicht, solange
die bäuerlichen Aeberzeugungen
nur dialektisch miteinander ringen,
jedoch sofort, wenn der erste Maß-
krug seinen Schwalbenflug antritt
und der Floriwirt als begeisterter
Freund von Ruhe und Ordnung
den Matzkrugschützen eigenhändig an die frische Lust befördern
will. In diesem Fall pflegen sich nämlich nicht nur die Gesinnungs-
genossen des zu Maßregelnden dem Zugriff des Floriwirts
zu widersetzen, sondern es ereignet sich auch oft genug in solchen
Momenten, daß das eigene Blut dem Floriwirt in einem seiner
Söhne sich entgegenwirft, die eben alle drei vom Vater die
leidenschaftliche Ordnungsliebe überkommen haben, die nun ein-
mal jedweden Gast an seinem Platz belassen will. Kaum ge-
wahrt indes der zweite Wirtssohn diese kindliche Auflehnung,
so bildet er auch schon mit Blitzesschnelle und dem auf deut-
scher Erde nie sich versagenden Erfolg eine neue Partei und
stürzt sich an ihrer Spitze für Sitte und Recht in Gewühl
und Streit.
Soll da der dritte und letzte Sohn des Floriwirts müßig
bleiben? Kann und darf er es? Er sieht, wie die rührige Mutter
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Beweis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4405, S. 6
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg