Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Jugendfreund eines Namensvetters

Dieser Mann breitete nun die Arme aus und schrie:
„Lurra! Lip hip Hurra, mein lieber alter Freund Robinson!"

Aber dann ließ er die Arme sinken, und aus dem Schreie»
wurde ein Lauchen: „Ja, was ist denn? Du bist ja so groß!
Aber nein — Sie sind ja nicht klein und dick."

„Ich bin schon lange nicht klein, und dick bin ich nie ge-
wesen," erklärte ich.

Er legte beide Lände vor die Augen, was iahen Seelen-
schmerz andeutete. „Ach, ein Irrtum!" stöhnte er und ließ sich
in einen Sessel fallen, was freilich schlecht zu der Erkenntnis
des Irrtums paßte, die ihn ja eher hätte veranlassen sollen,
sofort wieder abzumarschieren, — nach dem entgegengesetzten
andern Ende der Welt, wenn er dazu Lust hatte. „Welch ei»
Irrtum! Ich dachte, den herrlichsten, besten, treuesten Menschen
zu finden, und nun — — o, welche Enttäuschung!"

„Es tut mir leid, Ihren Erwartungen nicht zu entsprechen,"
meinte ich, ohne gekränkt zu sein.

„O, bitte um Verzeihung! Sie werden mich nicht miß-
verstanden haben. Meine Worte bezogen sich auf meinen
Freund, meinen Jugendfreund, den ich hier zu finden hoffte.

Eben erst bin ich hier angekommen, vom andern Ende der
Welt. Wie man das dann so macht, sah ich 'mir das Adreß-
buch an, nach vertrauten Namen suchend, so auf's Geratewohl.
Da lese ich: Robinson. Mein Lerz hüpft, ich bin berauscht:
das muß mein Jugendfreund sein, der Gespiele meiner Kind-
heit, mein Schulkamerad, mein treuer Genosse in horten Lebens-
kämpfen. Ja, das muß Robinson aus Lalifax sei»!"

Der Mann seufzte schauerlich. Aber dann nahm er sich
zusammen und erzählte: „Ich bin auch aus Lalifax. Natürlich.
Unsere Eltern, Robinsons und meine, wohnten Tür an Tür.
Schon, als wir erst nur krabbeln konnte», sind wir immer zu-
sammen herum gekrabbelt. Und vom ersten Schultage an gingen
wir zusammen zur Schule. Es war eine lustige Zeit. Was wir
alles angestellt haben! Wissen Sie, was für einen Streich
ich einmal dem Lehrer gespielt habe? Ich hatte eine kleine
Leberwurst zum Frühstück mit, aber sie kam mir nicht mehr
gut vor, und da habe ich sie über die Türklinke des Schul-
zimmers gezogen, wie ein niedliches Polster. Als dann der
Lehrer kam und forsch nach der Türklinke griff quatsch,

da zerquetschte er das Leberwürstchen. Das gab einen Krach!
Eine strenge Untersuchung wurde angestellt. Ich hatte aber
schon so viel bei dem Lehrer auf dem
Kerbholz und wäre wahrscheinlich aus
der Schule hinausgeschmissen worden;
deshalb sprang mein Freund Robinson
vor und bezichtigte sich selbst der Tat,
worauf er dann fürchterliche Prügel
bekam. Das war Edelmut, nicht wahr?
Das war Freundschaft!

Als wir da»» Jünglinge waren,
wollten wir unser Glück suchen. In
Klondyke war damals der Goldrummel
losgegangen, so toll wie einst der be-
rühmte kalifornische vom Jahre 1849,
weshalb die Leute sangen: Litze tste
Days of Old, the Days of Gold, Iltze
the Days of Forty-nine! Robinson und
ich sangen das auch und zogen los nach
Klondyke, nach Dawson City. Eine furcht-
bare Reise war das damals in jener
ersten Zeit. Von Frisco nach Seattle,
dann mit einem Dampferchen auf dem
Fluß bis Iuneau, und dann gings zu
Fuß weiter, das schwere Gepäck auf
einem Schlitten, siebenhundert Meilen
weit. Englische Meilen, mein Lerr.
Tausend Pfund wogen die Ausrüstung
und der Proviant für ein Jahr, und
wenn es dann zwischen den Bergen über
den Chilkootpaß mit dem Schlitten nicht
mehr weiter ging, dann mußte man
immer fünfzig Pfund fünf Meilen weit
schleppen, das Zeug sicher eingrabe» und
dann umkehre», um wieder fünfzig Pfund
zu holen. And die Kälte dabei! Dreißig
Grad unter Null, das war milde; wir
haben auch fünfundsechzig erlebt. Mir
sind dabei die Zehen am linken Fuß ab-
gefroren. Paffen Sie auf, mein Lerr:
ich werde es Ihnen zeigen."

Ich bat ihn aber, seinen Stiefel lieber
nicht auszuziehen, und er bestand auch
nicht weiter daraus. „Ja, das war
schrecklich! Mein Freund Robinson hat
mich ein paar Tage aus dem Buckel

Zeichnung von M. Elans

„Mein Klavierlehrer will kommen und dich um meine Land bitten, Papa."
„Der phantasiert wohl?"

„O ja, aber da muß erst unser Flügel gestimmt werden."

102
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mein Klavierlehrer will kommen und dich um meine Hand bitten, Papa."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Eltern <Motiv>
Tochter <Motiv>
Klavierlehrer
Heiratsantrag

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4411, S. 102

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen