Eine kleine Anzeige
Landtasche getan — weil ich sie sonst immer vor dem Spiegel
anstecke. Dann gibt es also zwei solche!"
Dr. Muggentien war zwar froh, aber seine Fröhlichkeit
wurde doch beeinträchtigt durch die immerhin peinliche Wahr-
nehmung, daß die Daine gar nicht an sein Rezept gedacht
hatte. Sie hatte keine Lust gehabt, es in die Apotheke zu tragen;
sie wollte wohl überhaupt nicht davon Gebrauch machen, und
wahrscheinlich glaubte sie gar nicht an die von Dr. Muggen-
tien so beredt geschilderte, ganz leichte Schilddrüsenschwellung.
Diese Vermutung erwies sich als stark begründet. Denn
als Dr. Muggentien die Dame hinaus begleitet hatte und i»
sein Sprechzimmer zurückkam, lag das Rezept noch da. Und
geholt hat es die Dame auch nicht mehr.
* *
*
3n Paris ist eine „Schule für Eltern" gegründet wor-
den, die Väter und Mütter in Kinderpsychologie, Pädagogik
usw. unterrichtet und ihnen sogar richtige Zensuren erteilt.
Die Zensuren der Kinder werden vom Vater oder, wenn
dieser verhindert ist, von der Mutter unterschrieben. Run
müßten also diese Zensuren der Eltern eigentlich von den Kin-
dern unterschrieben werden. Wenn aber die Eltern ihre Zen-
suren nicht vorzeigen wollen, werden die Kinder jetzt wissen,
woran sie sind. Laben aber die Eltern und auch die Kinder
schlechte Zensuren bekommen — na, dann können sie ja einan-
der trösten.
Ja oder nein!
Das Land Bayern kommt aus den Klippen seines Titel-
wesens nicht heraus.
Die neuen, ab I. März 1930 geltenden Amtsbezeichnungen
haben nicht allenthalben bei den davon Betroffenen ein Ge-
fühl der Erhebung ausgelöst. Jene Säulen der Gerechtigkeit
und Verwalter Salomonischer Urteile allerdings, die des Abends
als „Amtsrichter" einschliefen und am Morgen darauf als
„Amtsgerichtsräte" aufwachten, haben allen Anlaß zu froh-
locken und beglückt einander in die Arme zu sinken, da sie über
Nacht dem Vorstand des Gerichts, dem bisherigen Alleinbesitzer
des Titels „Amtsgerichtsrat",
gleichgestellt worden sind. Aber
eben diese bisherigen Amts-
gerichtsräte, die man — denn
ein Unterschied zwischen Vor-
gesetzten und Untergebenen
muß nun einmal sein — gerade
wegen dieser Titelgleichheit
mit der Bezeichnung „Amts-
gerichtsräte älterer Ordnung"
belegt hat, wie stellen die sich
zu diesem schmückende» Bei-
wort? Und wenn auch sie
selbst jenes subtile und ge-
schmackvolle Unterscheidungs-
merkmal, wie schon manch
andre Dinge, so von oben
kamen, heroisch hinunterwür-
gen, wie stellen ihre Gattinnen
sich dazu?
Die Berechtigung der Fra-
ge erweist der Fall Sperling.
Die Frau Amtsgerichtsrat
Sperling,geboreneNußberger,
188
erstehelich vermählt mit dem leider für seine etwas verfahrene
Buchführung viel zu früh verstorbenen Bankier Bohrsiegel,
nimmt es nämlich nicht stillschweigend hin. Sie hält vielmehr
alsbald, vor ihrem Toilettetisch mit erfolgreicher Bekämpfung
gewisser, unliebsam wirkender Erscheinungen befaßt, die nur
in der Forstwirtschaft als „Jahresringe" und wertvolles Be-
urteilungsmaterial geschätzt sind, den nachstehenden Monolog.
And wer einmal Monologe hält — man kennt diese Anfänge
ja zur Genüge aus der klassischen Literatur —, der ist nur zu
leicht zu weiß Gott was allem fähig.
„Wie?" spricht also die Frau Amtsgerichtsrat Sperling,
geborene Nutzberger, verwitwete Bohrsiegel, an jenemSchreckens-
morgen, da sie die neue Standesbezeichnung in der Zeitung
gelesen, vor ihrem Toilettetisch und legt eben eine größere
Partie Rouge auf. „Lab ich deshalb mein titelloses Dasei»
und Witwentum aufgegeben, um eine Rätin älterer Ordnung
zu werden? Als Beamte älterer Ordnung mag man meinet-
wegen die Trompeter von Jericho und die Türhüter des Aegyp-
tischen Joses in den Staatsdiener-Schematismus einreihen,
für einen aktiven Amtsgerichtsrat von 1930 aber und seine
Gattin ist die „ältere Ordnung" kein Titel, sondern eine Be-
leidigung. La, schon sehe ich die beiden mir so feindlich ge-
sinnten Amtsrichterinnen mit Fingern nach mir zeigen: ,Da
kommt ja gar unsere „ältere Ordnung" einmal mit einem
neueren Kleid! Sieh nur, wie gut der Kontrast sie kleidet!'
Und meine lieben Freundinnen in unserm Kaffeekränzchen, ich
höre sie jetzt schon: ,Labe die Ehre, Frau Amtsgerichtsrat
älterer Ordnung! Nicht wahr, heut treffen Sie mal auffallend
viele jüngere Damen hier. Wir wollen nämlich alle gratulieren
zu dem Aufstieg des Lerrn Gemahls. Eine zwar längst ver-
diente Auszeichnung, zumal auch für die Gattin, aber doch immer
eine Erhebung! — Nein, das halt' ich nicht aus."
And damit nimmt Frau Sperling das Lörrohr vom Tele-
phonständer und [ruft sehr energisch den Gatten in seinem
Büro an: „Lallo! Mit dem nächsten Zug fahre ich nach
München. Zum Rechtsanwalt Doktor Tudichum."
„Warum? Wieso?"
„Dringende Konsultation. Ob nämlich — ja oder nein -
der Titel des Mannes ,Amtsgerichtsrat älterer Ordnung' nicht
etwa für die Frau ein Scheidungsgrund ist." Lieronymus Jobs
Haftpflicht
Steinbacke stürzte zum Arzt.
„Lerr Doktor, die 220 Mark
werden Sie mir ersetzen
müssen!"
„Lm! Welche 220 Mark?"
„Für meinen gelben Kamel
haarmantel. Er ist mir im
Caft gestohlen worden."
„Das tut mir leid, aber ich
muß es natürlich ablehnen
„Das werden Sie nicht mehr
sagen, wenn Sie hören, wie die
Sache vor sich gegangen ist.
Also ich sitze mit meinemFreund
Krenkenbaum am Tisch. Plötz-
lich sagt Krenkenbaum:,Adolf,
da geht einer in deinem gelben
Mantel weg V Quatsch, sag
ich, der ist ja grün! — Sehen
Sie, Lerr Doktor, hätten Sie
mir die blaue Brille nicht ver-
schrieben!"
„Lerr, Sie sind ein Lümmel!" — „Wiederholen Sie das,
da»» sollen Sie mich kennen lernen!" — „Natürlich würde ich
das wiederholen, aber — ich möchte Sie gar nicht kennen lernen."
Landtasche getan — weil ich sie sonst immer vor dem Spiegel
anstecke. Dann gibt es also zwei solche!"
Dr. Muggentien war zwar froh, aber seine Fröhlichkeit
wurde doch beeinträchtigt durch die immerhin peinliche Wahr-
nehmung, daß die Daine gar nicht an sein Rezept gedacht
hatte. Sie hatte keine Lust gehabt, es in die Apotheke zu tragen;
sie wollte wohl überhaupt nicht davon Gebrauch machen, und
wahrscheinlich glaubte sie gar nicht an die von Dr. Muggen-
tien so beredt geschilderte, ganz leichte Schilddrüsenschwellung.
Diese Vermutung erwies sich als stark begründet. Denn
als Dr. Muggentien die Dame hinaus begleitet hatte und i»
sein Sprechzimmer zurückkam, lag das Rezept noch da. Und
geholt hat es die Dame auch nicht mehr.
* *
*
3n Paris ist eine „Schule für Eltern" gegründet wor-
den, die Väter und Mütter in Kinderpsychologie, Pädagogik
usw. unterrichtet und ihnen sogar richtige Zensuren erteilt.
Die Zensuren der Kinder werden vom Vater oder, wenn
dieser verhindert ist, von der Mutter unterschrieben. Run
müßten also diese Zensuren der Eltern eigentlich von den Kin-
dern unterschrieben werden. Wenn aber die Eltern ihre Zen-
suren nicht vorzeigen wollen, werden die Kinder jetzt wissen,
woran sie sind. Laben aber die Eltern und auch die Kinder
schlechte Zensuren bekommen — na, dann können sie ja einan-
der trösten.
Ja oder nein!
Das Land Bayern kommt aus den Klippen seines Titel-
wesens nicht heraus.
Die neuen, ab I. März 1930 geltenden Amtsbezeichnungen
haben nicht allenthalben bei den davon Betroffenen ein Ge-
fühl der Erhebung ausgelöst. Jene Säulen der Gerechtigkeit
und Verwalter Salomonischer Urteile allerdings, die des Abends
als „Amtsrichter" einschliefen und am Morgen darauf als
„Amtsgerichtsräte" aufwachten, haben allen Anlaß zu froh-
locken und beglückt einander in die Arme zu sinken, da sie über
Nacht dem Vorstand des Gerichts, dem bisherigen Alleinbesitzer
des Titels „Amtsgerichtsrat",
gleichgestellt worden sind. Aber
eben diese bisherigen Amts-
gerichtsräte, die man — denn
ein Unterschied zwischen Vor-
gesetzten und Untergebenen
muß nun einmal sein — gerade
wegen dieser Titelgleichheit
mit der Bezeichnung „Amts-
gerichtsräte älterer Ordnung"
belegt hat, wie stellen die sich
zu diesem schmückende» Bei-
wort? Und wenn auch sie
selbst jenes subtile und ge-
schmackvolle Unterscheidungs-
merkmal, wie schon manch
andre Dinge, so von oben
kamen, heroisch hinunterwür-
gen, wie stellen ihre Gattinnen
sich dazu?
Die Berechtigung der Fra-
ge erweist der Fall Sperling.
Die Frau Amtsgerichtsrat
Sperling,geboreneNußberger,
188
erstehelich vermählt mit dem leider für seine etwas verfahrene
Buchführung viel zu früh verstorbenen Bankier Bohrsiegel,
nimmt es nämlich nicht stillschweigend hin. Sie hält vielmehr
alsbald, vor ihrem Toilettetisch mit erfolgreicher Bekämpfung
gewisser, unliebsam wirkender Erscheinungen befaßt, die nur
in der Forstwirtschaft als „Jahresringe" und wertvolles Be-
urteilungsmaterial geschätzt sind, den nachstehenden Monolog.
And wer einmal Monologe hält — man kennt diese Anfänge
ja zur Genüge aus der klassischen Literatur —, der ist nur zu
leicht zu weiß Gott was allem fähig.
„Wie?" spricht also die Frau Amtsgerichtsrat Sperling,
geborene Nutzberger, verwitwete Bohrsiegel, an jenemSchreckens-
morgen, da sie die neue Standesbezeichnung in der Zeitung
gelesen, vor ihrem Toilettetisch und legt eben eine größere
Partie Rouge auf. „Lab ich deshalb mein titelloses Dasei»
und Witwentum aufgegeben, um eine Rätin älterer Ordnung
zu werden? Als Beamte älterer Ordnung mag man meinet-
wegen die Trompeter von Jericho und die Türhüter des Aegyp-
tischen Joses in den Staatsdiener-Schematismus einreihen,
für einen aktiven Amtsgerichtsrat von 1930 aber und seine
Gattin ist die „ältere Ordnung" kein Titel, sondern eine Be-
leidigung. La, schon sehe ich die beiden mir so feindlich ge-
sinnten Amtsrichterinnen mit Fingern nach mir zeigen: ,Da
kommt ja gar unsere „ältere Ordnung" einmal mit einem
neueren Kleid! Sieh nur, wie gut der Kontrast sie kleidet!'
Und meine lieben Freundinnen in unserm Kaffeekränzchen, ich
höre sie jetzt schon: ,Labe die Ehre, Frau Amtsgerichtsrat
älterer Ordnung! Nicht wahr, heut treffen Sie mal auffallend
viele jüngere Damen hier. Wir wollen nämlich alle gratulieren
zu dem Aufstieg des Lerrn Gemahls. Eine zwar längst ver-
diente Auszeichnung, zumal auch für die Gattin, aber doch immer
eine Erhebung! — Nein, das halt' ich nicht aus."
And damit nimmt Frau Sperling das Lörrohr vom Tele-
phonständer und [ruft sehr energisch den Gatten in seinem
Büro an: „Lallo! Mit dem nächsten Zug fahre ich nach
München. Zum Rechtsanwalt Doktor Tudichum."
„Warum? Wieso?"
„Dringende Konsultation. Ob nämlich — ja oder nein -
der Titel des Mannes ,Amtsgerichtsrat älterer Ordnung' nicht
etwa für die Frau ein Scheidungsgrund ist." Lieronymus Jobs
Haftpflicht
Steinbacke stürzte zum Arzt.
„Lerr Doktor, die 220 Mark
werden Sie mir ersetzen
müssen!"
„Lm! Welche 220 Mark?"
„Für meinen gelben Kamel
haarmantel. Er ist mir im
Caft gestohlen worden."
„Das tut mir leid, aber ich
muß es natürlich ablehnen
„Das werden Sie nicht mehr
sagen, wenn Sie hören, wie die
Sache vor sich gegangen ist.
Also ich sitze mit meinemFreund
Krenkenbaum am Tisch. Plötz-
lich sagt Krenkenbaum:,Adolf,
da geht einer in deinem gelben
Mantel weg V Quatsch, sag
ich, der ist ja grün! — Sehen
Sie, Lerr Doktor, hätten Sie
mir die blaue Brille nicht ver-
schrieben!"
„Lerr, Sie sind ein Lümmel!" — „Wiederholen Sie das,
da»» sollen Sie mich kennen lernen!" — „Natürlich würde ich
das wiederholen, aber — ich möchte Sie gar nicht kennen lernen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herr, Sie sind ein Lümmel!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4416, S. 188
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg