Spätes Rendezvous
Leo Heller.
Uhrzeiger springt als wie
ein Reh.
An meinen Schläfen ist es
grau.
Ich sitze einsam im Cafe,
Erwartend eine schöne Frau.
Es ist ein spätes Stelldichein.
Ich fühle eine tiefe Scham
Vor enem Gast, der ein Glas
Wein
Am Nebentische zu sich nahm
Ich bin so alt, mein Haar ist
grau.
Uhrzeiger springt als wie
ein Reh ....
Ich schäm mich vor der
schönen Frau
Und vor dem Gast in dem
Cafe . . .
Die Idioten
Die in der freundlichen und
betriebsamen Mittelstadt so eifrig
sozial tätige, würdige Dame
kommt zum alten Moritz Knüpp-
lig. „Eine große Bitte, Lerr
Knüpplig! Unserer Idioten-An-
stalt fehlt es an Mitteln. Da
muß etwas getan werden."
Der alte Moritz Knüpplig blickt
steinern. Die würdige Dame
fährt bewegter fort: „Ich darf
doch auf einen Beitrag von
Ihnen hoffen. Staat und Ge-
meinde sorgen nicht so für die
Anstalt, wie cs wünschenswert
wäre. Man muß auch privater-
scits den bedauernswerten Idioten
etwas zuwenden."
„Ach wo!" knurrt da der alte
keiner was."
306
„Ja,wenn's geht, stell' ich meinen Schraubstock immer
'raus,- ich arbeik' geru im Freien. Das Hab'
ich von meinem Vater geerbt." — „War der auch
Schlosser?"
„Nee
Knüpplig. „Mir gibt auch
Aus der Werkstatt
Daß man nur in Gefühlen
taste,
Bringt keinem Dichter mehr
Applaus.
Erst die Erkenntnis der
Kontraste
Belebt ein Bild, das längst
verblaßte,
— Drückt man sie adjektivisch
aus.
Erfaßt man dies, ist’s nicht
mehr schwierig,
Poetisch produktiv zu sein.
Und Dichter wird, wer klug und
rührig.
Warum auch sollte grad die
Lyrik
Der Technik unzugänglich
sein?!
F. K.
Der Denker
Frau Kiebitz kommt als be-
sorgte Mutter zum Ordinarius
ihres Sohnes Max. Denn der
Quintaner Max Kiebitz soll, wie
vorbereitend mitgeteilt worden
ist, zu Ostern nicht versetzt wer-
den.
„Das verstehe ich nicht, Äerr
Doktor," klagt Frau Kiebitz. „Der
Junge lernt doch so gut. Ich
überhöre ihm ja immer die latei-
nische» Vokabeln. Alle behält er."
„Ja, gnädige Frau, auf das
Auswendiglernen allein kommt
es nun nicht mehr an," erklärt
der Schulmann. „Das Gelernte
muß auch angewendet werden
können. Und das kann der Junge
nicht. Er denkt nicht."
Da entfährt es Frau Kiebitz: „Er denkt nicht? Pah - -
was sich der Bengel zum Beispiel alles von den Lehrern
denkt I" —on.
Pflasterarbciter."
Leo Heller.
Uhrzeiger springt als wie
ein Reh.
An meinen Schläfen ist es
grau.
Ich sitze einsam im Cafe,
Erwartend eine schöne Frau.
Es ist ein spätes Stelldichein.
Ich fühle eine tiefe Scham
Vor enem Gast, der ein Glas
Wein
Am Nebentische zu sich nahm
Ich bin so alt, mein Haar ist
grau.
Uhrzeiger springt als wie
ein Reh ....
Ich schäm mich vor der
schönen Frau
Und vor dem Gast in dem
Cafe . . .
Die Idioten
Die in der freundlichen und
betriebsamen Mittelstadt so eifrig
sozial tätige, würdige Dame
kommt zum alten Moritz Knüpp-
lig. „Eine große Bitte, Lerr
Knüpplig! Unserer Idioten-An-
stalt fehlt es an Mitteln. Da
muß etwas getan werden."
Der alte Moritz Knüpplig blickt
steinern. Die würdige Dame
fährt bewegter fort: „Ich darf
doch auf einen Beitrag von
Ihnen hoffen. Staat und Ge-
meinde sorgen nicht so für die
Anstalt, wie cs wünschenswert
wäre. Man muß auch privater-
scits den bedauernswerten Idioten
etwas zuwenden."
„Ach wo!" knurrt da der alte
keiner was."
306
„Ja,wenn's geht, stell' ich meinen Schraubstock immer
'raus,- ich arbeik' geru im Freien. Das Hab'
ich von meinem Vater geerbt." — „War der auch
Schlosser?"
„Nee
Knüpplig. „Mir gibt auch
Aus der Werkstatt
Daß man nur in Gefühlen
taste,
Bringt keinem Dichter mehr
Applaus.
Erst die Erkenntnis der
Kontraste
Belebt ein Bild, das längst
verblaßte,
— Drückt man sie adjektivisch
aus.
Erfaßt man dies, ist’s nicht
mehr schwierig,
Poetisch produktiv zu sein.
Und Dichter wird, wer klug und
rührig.
Warum auch sollte grad die
Lyrik
Der Technik unzugänglich
sein?!
F. K.
Der Denker
Frau Kiebitz kommt als be-
sorgte Mutter zum Ordinarius
ihres Sohnes Max. Denn der
Quintaner Max Kiebitz soll, wie
vorbereitend mitgeteilt worden
ist, zu Ostern nicht versetzt wer-
den.
„Das verstehe ich nicht, Äerr
Doktor," klagt Frau Kiebitz. „Der
Junge lernt doch so gut. Ich
überhöre ihm ja immer die latei-
nische» Vokabeln. Alle behält er."
„Ja, gnädige Frau, auf das
Auswendiglernen allein kommt
es nun nicht mehr an," erklärt
der Schulmann. „Das Gelernte
muß auch angewendet werden
können. Und das kann der Junge
nicht. Er denkt nicht."
Da entfährt es Frau Kiebitz: „Er denkt nicht? Pah - -
was sich der Bengel zum Beispiel alles von den Lehrern
denkt I" —on.
Pflasterarbciter."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ja, wenn's geht, stell ich meinen Schraubstock immer 'raus, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4424, S. 306
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg