Der Knopf
Die andern werden ja alle längst da sein. Immer müssen wir
die letzten sein."
„Kalt — bleib' doch mal stehen!" Frau Knaupel mustert
den Gatten. „Nein, Oskar, so kannst dn nicht gehen. Wir
müssen schnell noch mal nach Lause; ich nähe dir einen Knopf
an, das dauert eine Minute."
Knaupel will nicht. „Ansinn I Ich möchte Kaffee trinken.
Ans den eine» Knopf kommt es nicht an."
„So bist du. Kaffee willst du haben, aber daß mir der
Kaffee nicht schmecken wird, wenn du so unordentlich dasitzt —
daran denkst du natürlich nicht. Die Zielke wird das natürlich
gleich merken, und dann wird sie die Krönlein anstoßen, das
Klatschmaul, und morgen erzählen sie in der ganzen Stadt
herum: Denken Sie doch, was für eine Schlampe die Knaupel
ist! Nicht mal zum Sonntag näht sie ihrem Mann einen ab-
gerissenen Knopf an.-And ich habe mich doch so auf
heute nachmittag gefreut, wegen der Korallenkette. Wie die
der Druckenbrot in die Augen stechen wird! Aber wenn du
so ankommst, dann wird sie denken: Eine zwei Meter lange
Korallenkette bringt der Mann der Frau mit, aber sie näht
ihm nicht einmal einen Knopf an.-Oskar, komm' zurück!
Ich gehe nicht einen Schritt weiter."
Knaupel lächelt milde. „Aber liebes Kind, wir werden
doch nicht umkehren. Wir gehe» jetzt ruhig hin, als ob wir
gar nicht wüßten, daß der verdammte Knopf fehlt. And dann
tue ich so, als ob ich es ganz zufällig eben erst bemerkte.
Nanu, da habe ich ja einen Knopf verloren! werde ich sagen."
Frau Knaupel nimmt den Arm des Gatten und zieht
ihn in der Richtung des heimischen Lerdes. „Das machst du ja
doch nicht natürlich genug, Oskar; darauf verstehst du dich nicht.
Du bist viel zu naiv. Denke doch, wie das vor drei Wochen
war! Da hatte ich bei der Brummer ihrem Kränzchen abge-
sagt, weil ich wußte, daß sie doch bloß mit ihrem neuen Rips-
sofa protzen wollte. Eine Karte hatte ich ihr geschickt, ich hätte
Zahnschmerzen. And wie nun die Brummer am Sonntag da-
rauf fragt: ,Waren die Zahnschmerzen sehr schlimm?' — wie
hast du dich da aufgeführt? Große Augen hast du gemacht
und gesagt: ,Nanu, wann hast du denn Zahnschmerzen gehabt?'
And dann Hab ich dir unter dein Tisch einen Stoß gegeben
und gesagt: ,Aber besinne dich doch! Du bist doch »och in die
Apotheke nach Aspirin gelaufen.' And dann hast du so'n komisch
verlegenes Gesicht gemacht. Eine gräßliche Situation war das.
Dann hat Krönlein gesagt: ,Aspirin ist in der Tat ein Segen!'
und Druckenbrot hat gesagt: ,Ia, man soll immer welches in.
Lause haben.' And was hast du dann dummer Weise gesagt?
,Ia, wir haben immer welches im Lauie,' hast du gesagt.
Aud dann hat die Krönlein gemeckert: ,Warum mußten Sie
dann nach der Apotheke laufen?' Entsetzlich war das. Aber
so bist du immer. Wenn du Diplomat geworden wärst-"
Lier sind Knaupels wieder vor ihrem Lause angelangt.
Während Knaupel den Rock mit dem seine Gattin kompro-
mittierende» Defekt auszieht, kramt Frau Knaupel in den
Schubläden ihres Nähtisches. „Ich muß doch einen passenden
Knopf haben; ich weiß es genau. Aber wo ist mein Nähgarn?
Das schwarze Nähgarn ist nicht da. Natürlich wird Auguste
wieder an meinem Nähtisch gewesen sein. Schon hundertmal
habe ich ihr das verboten."
Knaupel schweigt. Er dreht das Grammophon an und
legt die Platte mit den, Torgaucr Marsch aus^ der hilft ihm
immer über solche Verdrießlichkeiten hinweg. Solche kriegeri-
schen Weisen erinnern ja den Menschen daran, daß es viel,
viel schlimmere Dinge gegeben hat, die auch überwunden und
verschmerzt worden sind.
Die Stühe „Sie können also den Flecken nicht herausbekom-
men, Betty? Ich wüßte schon ein Mittel."
„Bitte, gnädige Frau!"
„Ich brauchte Ihnen nur das Kleid zu schenken."
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Die andern werden ja alle längst da sein. Immer müssen wir
die letzten sein."
„Kalt — bleib' doch mal stehen!" Frau Knaupel mustert
den Gatten. „Nein, Oskar, so kannst dn nicht gehen. Wir
müssen schnell noch mal nach Lause; ich nähe dir einen Knopf
an, das dauert eine Minute."
Knaupel will nicht. „Ansinn I Ich möchte Kaffee trinken.
Ans den eine» Knopf kommt es nicht an."
„So bist du. Kaffee willst du haben, aber daß mir der
Kaffee nicht schmecken wird, wenn du so unordentlich dasitzt —
daran denkst du natürlich nicht. Die Zielke wird das natürlich
gleich merken, und dann wird sie die Krönlein anstoßen, das
Klatschmaul, und morgen erzählen sie in der ganzen Stadt
herum: Denken Sie doch, was für eine Schlampe die Knaupel
ist! Nicht mal zum Sonntag näht sie ihrem Mann einen ab-
gerissenen Knopf an.-And ich habe mich doch so auf
heute nachmittag gefreut, wegen der Korallenkette. Wie die
der Druckenbrot in die Augen stechen wird! Aber wenn du
so ankommst, dann wird sie denken: Eine zwei Meter lange
Korallenkette bringt der Mann der Frau mit, aber sie näht
ihm nicht einmal einen Knopf an.-Oskar, komm' zurück!
Ich gehe nicht einen Schritt weiter."
Knaupel lächelt milde. „Aber liebes Kind, wir werden
doch nicht umkehren. Wir gehe» jetzt ruhig hin, als ob wir
gar nicht wüßten, daß der verdammte Knopf fehlt. And dann
tue ich so, als ob ich es ganz zufällig eben erst bemerkte.
Nanu, da habe ich ja einen Knopf verloren! werde ich sagen."
Frau Knaupel nimmt den Arm des Gatten und zieht
ihn in der Richtung des heimischen Lerdes. „Das machst du ja
doch nicht natürlich genug, Oskar; darauf verstehst du dich nicht.
Du bist viel zu naiv. Denke doch, wie das vor drei Wochen
war! Da hatte ich bei der Brummer ihrem Kränzchen abge-
sagt, weil ich wußte, daß sie doch bloß mit ihrem neuen Rips-
sofa protzen wollte. Eine Karte hatte ich ihr geschickt, ich hätte
Zahnschmerzen. And wie nun die Brummer am Sonntag da-
rauf fragt: ,Waren die Zahnschmerzen sehr schlimm?' — wie
hast du dich da aufgeführt? Große Augen hast du gemacht
und gesagt: ,Nanu, wann hast du denn Zahnschmerzen gehabt?'
And dann Hab ich dir unter dein Tisch einen Stoß gegeben
und gesagt: ,Aber besinne dich doch! Du bist doch »och in die
Apotheke nach Aspirin gelaufen.' And dann hast du so'n komisch
verlegenes Gesicht gemacht. Eine gräßliche Situation war das.
Dann hat Krönlein gesagt: ,Aspirin ist in der Tat ein Segen!'
und Druckenbrot hat gesagt: ,Ia, man soll immer welches in.
Lause haben.' And was hast du dann dummer Weise gesagt?
,Ia, wir haben immer welches im Lauie,' hast du gesagt.
Aud dann hat die Krönlein gemeckert: ,Warum mußten Sie
dann nach der Apotheke laufen?' Entsetzlich war das. Aber
so bist du immer. Wenn du Diplomat geworden wärst-"
Lier sind Knaupels wieder vor ihrem Lause angelangt.
Während Knaupel den Rock mit dem seine Gattin kompro-
mittierende» Defekt auszieht, kramt Frau Knaupel in den
Schubläden ihres Nähtisches. „Ich muß doch einen passenden
Knopf haben; ich weiß es genau. Aber wo ist mein Nähgarn?
Das schwarze Nähgarn ist nicht da. Natürlich wird Auguste
wieder an meinem Nähtisch gewesen sein. Schon hundertmal
habe ich ihr das verboten."
Knaupel schweigt. Er dreht das Grammophon an und
legt die Platte mit den, Torgaucr Marsch aus^ der hilft ihm
immer über solche Verdrießlichkeiten hinweg. Solche kriegeri-
schen Weisen erinnern ja den Menschen daran, daß es viel,
viel schlimmere Dinge gegeben hat, die auch überwunden und
verschmerzt worden sind.
Die Stühe „Sie können also den Flecken nicht herausbekom-
men, Betty? Ich wüßte schon ein Mittel."
„Bitte, gnädige Frau!"
„Ich brauchte Ihnen nur das Kleid zu schenken."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Stütze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4427, S. 359
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg