Zeichnung von ffi. Kirchner
„Gnädige Frau werden etwas Geduld haben müssen, — die Lerrsch asten sind in
dem neuen Leckenlabyrinth, das der Lerr Baron im Park hat anlegen lassen."
„Das will ich ja auch sehen."
„Gnädige Frau warten vielleicht doch lieber. Wir haben schon nach dem
Gartenarchitekten telephoniert-die Lerrschaften finden seit zwei Stunden nicht
wieder heraus."
An einer Schießbude steht ein älterer, ernstblickender Mann. Läßt sich eine Kugel-
spritze reichen, legt bedächtig an, zielt sorgfältig und lange, setzt ab, legt wieder an,
zielt endlos, setzt ab und legt zum dritten Male an.
„Na, hören Sie mal," sagt die kesse Budenbesitzerin, „Sie sind wohl Rechnungs-
rat, daß Sie immer erst drei Voranschläge machen?"
166
Ein Vergeßlicher
wo meine Tante Brigitte wohnt. Ich
bin dann zu ihrer Wohnung hinauf-
geklettert, habe aber dreimal vergeblich
geklingelt. Ich habe mich sehr geärgert
und eine Karte in den Briefkasten ge-
worfen, auf der ich mein Befremden
ausdrückte. Wenn man zur Behand-
lung bestellt worden ist, dann muß der
Zahnarzt doch auch da sein. Der Mann
darf doch nicht so vergeßlich sein. —
Ich jedenfalls werde jetzt etwas
gegen meine Gedächtnisschwäche tun.
Gründlich erholen werde ich mich. Fröh-
lich herumklettern werde ich in den Ber-
gen, wo mir auch die Äöhensonne gut
tun wird. Gleich werde ich ausgehn und
mir im Reisebüro eine Fahrkarte nach
Garmisch besorgen. Ich muß mir auch
sonst noch allerlei für die Reise einkaufen.
Einen neuen Rasierapparat werde ich mir
anschaffen. Es muß jetzt schon bessere
Systeme geben; mit dem alten bin ich
gar nicht mehr zufrieden. Ich werde
das Ding jetzt gleich der Aufwärterin
schenken; ihr Mann wird es gebrauchen
können.
Gegensätze
Bei Doktor Gießkann hat man ein
neues Dienstmädchen, und zwar dies-
mal eines unmittelbar vom Land herein.
Denn die vom Land, sagt die Frau
Doktor, sind wenigstens noch guten
Willens, stellen sich nicht sofort feind-
lich gegen die Äerrschaft ein, wie die
stellensuchenden Damen aus der Groß-
stadt, und nehmen es oft rührend ernst
mit der kulturellen Lebung der Eigen-
persönlichkeit. Was diesen Importen
an Schliff und Gewandtheit fehlt, sagt
die Frau Doktor Gießkann, das läßt
sich beibringen durch Geduld und Vorbild.
Elisabeth heißt die Neuerwerbung,
geradeso wie die Frau Doktor selbst.
Doch wird im ersten Fall Elisabeth wie
Lisi ausgesprochen und im zweiten wie
Else, woraus wieder einmal — nur
nebenbei bemerkt — so recht sinnfällig
die ungeheure Schwierigkeit erhellt, die
unser geliebtes Deutsch den Ausländern
bereiten mag.
Die List hat auch schon manch
ländliche Rauheit abgestreift und will
zusehends die gesamte städtische Politur
erjagen. Rückfälle oder mindestens rusti-
kale Einschläge in das von Frau Doktor
Gießkann zu erstellende Kulturgewebe
kommen aber gleichwohl immer wieder
vor und lassen sich auch wahrscheinlich
nie gänzlich ausschließen.
So antwortete kürzlich die Lisi auf
die Frage der von Besorgungsgängen
heimkehrenden Frau Doktor nach ihrem
Gatten und dem Lühnerhund Serban
kurzerhand: „Der Lerr Doktor hockt
scho drin in der Stuben und" — gerade
noch rechtzeitig vor einer furchtbaren
Entgleisung fiel ihr die Lebung der
Eigenpersönlichkeit ein — „und der
Lund ist soeben die Stiege emporgeeilt."
ft. Jobs.
„Gnädige Frau werden etwas Geduld haben müssen, — die Lerrsch asten sind in
dem neuen Leckenlabyrinth, das der Lerr Baron im Park hat anlegen lassen."
„Das will ich ja auch sehen."
„Gnädige Frau warten vielleicht doch lieber. Wir haben schon nach dem
Gartenarchitekten telephoniert-die Lerrschaften finden seit zwei Stunden nicht
wieder heraus."
An einer Schießbude steht ein älterer, ernstblickender Mann. Läßt sich eine Kugel-
spritze reichen, legt bedächtig an, zielt sorgfältig und lange, setzt ab, legt wieder an,
zielt endlos, setzt ab und legt zum dritten Male an.
„Na, hören Sie mal," sagt die kesse Budenbesitzerin, „Sie sind wohl Rechnungs-
rat, daß Sie immer erst drei Voranschläge machen?"
166
Ein Vergeßlicher
wo meine Tante Brigitte wohnt. Ich
bin dann zu ihrer Wohnung hinauf-
geklettert, habe aber dreimal vergeblich
geklingelt. Ich habe mich sehr geärgert
und eine Karte in den Briefkasten ge-
worfen, auf der ich mein Befremden
ausdrückte. Wenn man zur Behand-
lung bestellt worden ist, dann muß der
Zahnarzt doch auch da sein. Der Mann
darf doch nicht so vergeßlich sein. —
Ich jedenfalls werde jetzt etwas
gegen meine Gedächtnisschwäche tun.
Gründlich erholen werde ich mich. Fröh-
lich herumklettern werde ich in den Ber-
gen, wo mir auch die Äöhensonne gut
tun wird. Gleich werde ich ausgehn und
mir im Reisebüro eine Fahrkarte nach
Garmisch besorgen. Ich muß mir auch
sonst noch allerlei für die Reise einkaufen.
Einen neuen Rasierapparat werde ich mir
anschaffen. Es muß jetzt schon bessere
Systeme geben; mit dem alten bin ich
gar nicht mehr zufrieden. Ich werde
das Ding jetzt gleich der Aufwärterin
schenken; ihr Mann wird es gebrauchen
können.
Gegensätze
Bei Doktor Gießkann hat man ein
neues Dienstmädchen, und zwar dies-
mal eines unmittelbar vom Land herein.
Denn die vom Land, sagt die Frau
Doktor, sind wenigstens noch guten
Willens, stellen sich nicht sofort feind-
lich gegen die Äerrschaft ein, wie die
stellensuchenden Damen aus der Groß-
stadt, und nehmen es oft rührend ernst
mit der kulturellen Lebung der Eigen-
persönlichkeit. Was diesen Importen
an Schliff und Gewandtheit fehlt, sagt
die Frau Doktor Gießkann, das läßt
sich beibringen durch Geduld und Vorbild.
Elisabeth heißt die Neuerwerbung,
geradeso wie die Frau Doktor selbst.
Doch wird im ersten Fall Elisabeth wie
Lisi ausgesprochen und im zweiten wie
Else, woraus wieder einmal — nur
nebenbei bemerkt — so recht sinnfällig
die ungeheure Schwierigkeit erhellt, die
unser geliebtes Deutsch den Ausländern
bereiten mag.
Die List hat auch schon manch
ländliche Rauheit abgestreift und will
zusehends die gesamte städtische Politur
erjagen. Rückfälle oder mindestens rusti-
kale Einschläge in das von Frau Doktor
Gießkann zu erstellende Kulturgewebe
kommen aber gleichwohl immer wieder
vor und lassen sich auch wahrscheinlich
nie gänzlich ausschließen.
So antwortete kürzlich die Lisi auf
die Frage der von Besorgungsgängen
heimkehrenden Frau Doktor nach ihrem
Gatten und dem Lühnerhund Serban
kurzerhand: „Der Lerr Doktor hockt
scho drin in der Stuben und" — gerade
noch rechtzeitig vor einer furchtbaren
Entgleisung fiel ihr die Lebung der
Eigenpersönlichkeit ein — „und der
Lund ist soeben die Stiege emporgeeilt."
ft. Jobs.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Gnädige Frau werden etwas Geduld haben müssen, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 173.1930, Nr. 4441, S. 166
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg