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Zeichnung Bon M Clou«

Der Murillo

Aber es hört nicht damit auf. Denn Vater Gradinger hat
nicht mit der Lochwafferkatastrophe von Veverls Tränen gerech-
net. Wie soll ein Mann, dem das Wasser ohnedies ein unbehag-
liches und unbekömmliches Element bedeutet, dem er nach Mög-
lichkeit aus dem Wege zu gehen pflegt, gegen solche Fluten aus-
kommen? And so heult sich denn das Veverl in unaufhaltsamem
Siegeslauf zum Ziele durch. Das heißt, bedingungslos kapitu-
liert der Vater nun gerade doch nicht. Aber er gestattet endlich
in stark zermürbtem Zustande eine probeweise Aufnahme des
Affen Murillo in den Gradingerschen Familienverband. Sollte
der lebende Gewinst stch jedoch dieser Auszeichnung unwürdig
erweisen, so würde seine sofortige und endgültige Ausschließung
erfolgen.

Nachdem durch Annahme dieses Vergleiches die Kardinal-
frage erledigt ist, zeigen stch bereits die ersten Detailsorgen am
Lorizont. „Also vor allem muaß i jetza mehra Laushaltsgeld
kriag'n," diestellt Mutter fest, „bal der Murillo wirkli nur Traub'n
frißt, des werd' a scheen's Stück Geld kost'n." „Der werd' si be-
herrsch'«, gel," grollt der Lausherr, „Traub'n! Daß i net lach'!
Der werd' si an a Supperl und an Kaffeebrock'n und an Boana
aa g'wöhna, so guat wie da Waldl! Zs an Waldl vielleicht was
abganga bei uns? Grad fett is a worn!"

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„And wo derf a nacha schlaf'«?"
forscht das Veverl. „Im Zimma net,"
bestimmt der Vater energisch. „Da stellst
eam a Kistl mit ara Deck'« auf'n Küch'n-
balkon außa, oda vo mir aus in d'
Rump'lkamma." „Iessas na, Vata, des
is do ausg'schloss'n!" „Mechst am End,
daß i eam mei Bett abtret'n soit, beim
Aff'n? Daß mi nacha womegli i in a
Kistl auf'n Küch'nbalkon außaleg'n der-
fat?" „Aba geh zua, Vata, der kunnt
st da drauß'n ja an Tod hol'n, wo a do
de Litz'n vom Arwald g'wöhnt is!" „Des
werd' ja imma bessa!" schreit Gradinger
in steigender Gereiztheit, „soit i eam
vielleicht aa no an Arwald in da Woh-
nung anleg'n lass'«, damit a st ja recht
dahoam fühlt?"

Gradinger hat das bestimmte Gefühl,
daß er diese AnterhaltUng abbrechen
müsse, wenn er nicht an Leib und Seele
dauernden Schaden nehmen will. Er
flüchtet also aus der affenbedrohten
Läuslichkeit zu dem heiteren Frieden
seines Stammtisches und kehrt erst in vor-
gerückter Nachtstunde nachhause zurück.

Schwere Träume senken sich in dieser
Nacht aus das Ehepaar herab. Gradinger
träumt, sein Bett stehe im Arwald. Alle
Bestien der Wildnis Hüpfen mit Los-
nummern versehen um die gefährdete
Lagerstatt herum und behaupten, von
ihm in der Tiergartenlotterie gewonnen
worden zu sein. Klapperschlangen ringeln
sich in Spiralornamenten um sein Kopf-
kissen, Krokodile lecken schwanzwedelnd
seine Lände, Löwen machen Männchen,
Elefanten geben Pratzerl. Gradinger
ächzt. Seine Gattin sieht im Traume
in Aeberlebensgröße das Laushaltungs-
buch der kommenden Zeilen vor sich, in
dem täglich als erster Posten zu lesen

steht: 10 Pfund Trauben.5 M.

Auch sie ächzt. Nur das Veverl schläft traumlos und friedlich
seinem Lotteriegewinn entgegen.

Am nächsten Morgen wird dem Dienstmann Nr. 135 — Benno
Niederwieser — Los und Ziehungsliste ausgehändigt mit der
Weisung, den Affen Murillo abzuholen. „An Aff'n?" fragt der
Biedere einigermaßen betroffen, „is a wuid?" „Na, na," beeilt
sich das Veverl zu erwidern. Aber Frau Gradinger rät ihm, sich
doch vorsichtshalber mit einem festen Strick zu versehen, falls sich
die Notwendigkeit einer Fesselung wegen Fluchtverdachtes ergeben
sollte. „Aba z'erscht srag'n S', ob a garantiert zimmarein is,
gelns! Sunst kenna s' an b'hoit'n," schränkt Gradinger in letzter
Stunde die Aufnahmegenehmigung noch ein. „Is guat," ver-
sichert der Dienstmann und begibt stch mit einem Brückenwagerl,
einer Kiste, einem Strick, dem Los und der Ziehungsliste zur
Gewinnabgabestelle.

„Den Aff'n soit i abhoin," sagt er kurz. „Wie, bitte?"
„Den Aff'n", wiederholt er mit Nachdruck. „Des Frail'n, de wo
an g'wonna hat, hat scho in da G'winnlist'n de Numma o'zoagt,
seg'n S', da is'." Der Lerr, dem er diese Erklärungen abgegeben
hat, verschwindet merkwürdig rasch im Nebenzimmer. Kurz dar-
auf ertönt von dort her ein Gebrüll, das Niederwieser im ersten
Schrecken als Protestäußerung des abzuholenden Affen ausfaßt,
das sich aber dann zu seiner Erleichterung als mehrstimmige
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Werk/Gegenstand/Objekt

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"Verwandtschaft"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 173.1930, Nr. 4448, S. 278

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