Zeichnung von H. R. Pfeiffer
„Schäme dich, Paul, daß du dir von mir den Cicero übersetzen läßt!"
„Ach was-Napoleon hat auch durch Josephine Karriere gemacht."
Salomo in Nöten
König Salomo war, wie man weiß, sehr weise. Seine Urteile
waren gerecht, klug und zeugten von tiefer Menschenkenntnis.
Aber einmal — vielleicht hatte er einen schlechten Tag —
hat sich dieser kluge Richter doch verheddert.
Zwei Leute kamen zu ihm, die einander grimmig haßten, und
von denen einer dem andern nichts gutes gönnte.
„Lerr," sagte der eine, „dieser hier hat deine Steuerein-
nehmer um zweihundert Malter Weizen betrogen."
„Woher weißt du das?" fragte der König.
„Er hat selber damit geprahlt, o Lerr."
„Glaube ihm nicht, weiser Lerrscherl" rief der Beschuldigte.
„Nie habe ich ein Korn zu wenig abgeliefert I Außerdem, o König,
überzeuge dich selbst, daß er lügt: sieh meine Felder an, und du
wirst sehen, daß auf ihnen in zwei Jahren nicht soviel wächst,
wie ich in einem Jahre hinterzogen haben soll."
Der König überlegte.
Dann sagte er zum Kläger:
„Eag mal, wie kommt das blonde
Laar auf deinen Rock?"
„Ich war im Zoo und habe das
Lama gestreichelt."
„So, da warst du wohl auch bei den Affen?"
„Nein, wieso?"
„Weil in deiner Tasche ein Brief steckte: Komm um vier.
Dein Grasaff."
„Ihr Bild muß ich mal in einer illustrierten Zeitschrift ge-
sehen haben, Lerr Profeffor?"
„Möglich, möglich! Sie kamen mir auch gleich so bekannt vor!"
Erfolg
„Bekommt Ihrer Gattin die Trinkkur?"
„Und ob! Die sprudelt jetzt die Worte nur so raus."
„Es ist doch merkwürdig, daß so viele Aerzte künstlerische
Begabung haben, z. B. Schriftsteller oder Musiker sind. Nur
bildende Künstler findet man nicht unter ihnen."
„Stimmt nicht! Meiner ist Leukoplastiker."
„Wenn du beweisen kannst, daß es
zweihundert Malter waren, dann soll
mir der Beklagte zweihundert Gold-
Pfunde zahlen. Waren es hundert Mal-
ter, dann muß er mir hundert und dir
hundert Goldpfunde geben, waren es
fünfzig, dann nehme ich 50 und du be-
kommst von ihm hundertundfünfzig. Lat
er aber gar nichts hinterzogen, dann
zahlt er an dich zweihundert Goldpfunde,
und ich nehme nichts."
Da rief der Kläger, begierig, zwei-
hundert Goldpfunde heimzutragen:
„Lerr, er hat gar nichts hinterzogen!"
And gleichzeitig überschrie ihn der
Beklagte, der seinem Feind nichts zu-
kommen laffen wollte und zweihundert
Pfunde sowieso verloren sah:
„Lerr, ich gestehe, ich habe den
Weizen für mich behalten!"
Das hatte der König nicht erwartet.
„Gut!" sagte er. „Der, der die volle
Wahrheit sagt, bekommt aus des Königs
Kaffe außerdem zweihundert, und der,
der bekennt, gelogen zu haben, ebenfalls."
Denn er wollte sein Volk zur Aufrichtig-
keit erziehen.
Da sagte der Beklagte:
„Lerr, ich habe einmal die volle
Wahrheit gesagt und einmal gelogen,
so zahle mir denn die vierhundert Gold-
pfunde!"
„Dann muß ich dasselbe bekommen,"
schluchzte der andre, „denn ich habe auch
einmal die Wahrheit gesagt und ein-
mal gelogen."
„Nichts von alledem hat er gesagt,
o weisester der Könige," triumphierte
der Gegner, „ich habe nämlich drei-
hundert Malter hinterzogen."
Dr. A. W.
292
„Schäme dich, Paul, daß du dir von mir den Cicero übersetzen läßt!"
„Ach was-Napoleon hat auch durch Josephine Karriere gemacht."
Salomo in Nöten
König Salomo war, wie man weiß, sehr weise. Seine Urteile
waren gerecht, klug und zeugten von tiefer Menschenkenntnis.
Aber einmal — vielleicht hatte er einen schlechten Tag —
hat sich dieser kluge Richter doch verheddert.
Zwei Leute kamen zu ihm, die einander grimmig haßten, und
von denen einer dem andern nichts gutes gönnte.
„Lerr," sagte der eine, „dieser hier hat deine Steuerein-
nehmer um zweihundert Malter Weizen betrogen."
„Woher weißt du das?" fragte der König.
„Er hat selber damit geprahlt, o Lerr."
„Glaube ihm nicht, weiser Lerrscherl" rief der Beschuldigte.
„Nie habe ich ein Korn zu wenig abgeliefert I Außerdem, o König,
überzeuge dich selbst, daß er lügt: sieh meine Felder an, und du
wirst sehen, daß auf ihnen in zwei Jahren nicht soviel wächst,
wie ich in einem Jahre hinterzogen haben soll."
Der König überlegte.
Dann sagte er zum Kläger:
„Eag mal, wie kommt das blonde
Laar auf deinen Rock?"
„Ich war im Zoo und habe das
Lama gestreichelt."
„So, da warst du wohl auch bei den Affen?"
„Nein, wieso?"
„Weil in deiner Tasche ein Brief steckte: Komm um vier.
Dein Grasaff."
„Ihr Bild muß ich mal in einer illustrierten Zeitschrift ge-
sehen haben, Lerr Profeffor?"
„Möglich, möglich! Sie kamen mir auch gleich so bekannt vor!"
Erfolg
„Bekommt Ihrer Gattin die Trinkkur?"
„Und ob! Die sprudelt jetzt die Worte nur so raus."
„Es ist doch merkwürdig, daß so viele Aerzte künstlerische
Begabung haben, z. B. Schriftsteller oder Musiker sind. Nur
bildende Künstler findet man nicht unter ihnen."
„Stimmt nicht! Meiner ist Leukoplastiker."
„Wenn du beweisen kannst, daß es
zweihundert Malter waren, dann soll
mir der Beklagte zweihundert Gold-
Pfunde zahlen. Waren es hundert Mal-
ter, dann muß er mir hundert und dir
hundert Goldpfunde geben, waren es
fünfzig, dann nehme ich 50 und du be-
kommst von ihm hundertundfünfzig. Lat
er aber gar nichts hinterzogen, dann
zahlt er an dich zweihundert Goldpfunde,
und ich nehme nichts."
Da rief der Kläger, begierig, zwei-
hundert Goldpfunde heimzutragen:
„Lerr, er hat gar nichts hinterzogen!"
And gleichzeitig überschrie ihn der
Beklagte, der seinem Feind nichts zu-
kommen laffen wollte und zweihundert
Pfunde sowieso verloren sah:
„Lerr, ich gestehe, ich habe den
Weizen für mich behalten!"
Das hatte der König nicht erwartet.
„Gut!" sagte er. „Der, der die volle
Wahrheit sagt, bekommt aus des Königs
Kaffe außerdem zweihundert, und der,
der bekennt, gelogen zu haben, ebenfalls."
Denn er wollte sein Volk zur Aufrichtig-
keit erziehen.
Da sagte der Beklagte:
„Lerr, ich habe einmal die volle
Wahrheit gesagt und einmal gelogen,
so zahle mir denn die vierhundert Gold-
pfunde!"
„Dann muß ich dasselbe bekommen,"
schluchzte der andre, „denn ich habe auch
einmal die Wahrheit gesagt und ein-
mal gelogen."
„Nichts von alledem hat er gesagt,
o weisester der Könige," triumphierte
der Gegner, „ich habe nämlich drei-
hundert Malter hinterzogen."
Dr. A. W.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schäme dich, Paul, daß du dir von mir den Cicero übersetzen läßt!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 173.1930, Nr. 4449, S. 292
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg