Schule int Freien „Lerr Lehrer — die Else möchte eine Stunde Arrest!"
„Warum denn?"
„Weil wir um vier Uhr heim sollen, und sie noch eine Stunde hier nachsitzen möchte!"
Osterbesuch
Von Lieronymus Jobs
Was ist doch ein Gruß aus der Ferne für ein liebes, er-
hebendes Ding! Zeit und Raum überwindet er auf den weichen
Schwingen des Gefühls, und Stunden des Glückes ruft er zurück
für Feste der Erinnerung.
Die Kleinkaufmannswitwe Pomrieder zum Beispiel fand
eines Tages aus einem solchen Erinnerungsfest überhaupt nicht
mehr heraus, suchte deshalb ihre Freundin, die Frau Glaser-
meister Schnuck auf und sprach: „Denken Sie sich, Frau Schnuck,
was mir heute Gutes geschehen ist: der neue Äerr Förster kommt in
meinen Laden und überbringt mir einen Gruß vom Gutsver-
walter Klinglein weit droben in der Oberpfalz, und der Ver-
walter Klinglein — er war meine erste Liebe."
„Setzen Sie sich!" sagt die Frau Glasermeister und zeigt
auf eine Bank im Laden. „Aber nicht, bitte, auf das soeben ein-
getroffene Waschservice!" Die Sorge war nicht unbegründet bei
der Enge des Raums und Frau Pomrieders heftiger Gemüts-
wallung. „Sie sehen so angegriffen aus. Erzählen Sie doch! Sie
wissen ja, wie gern ich romantische Geschichten höre."
Und da erzählte Frau Pomrieder so licht- und seelenvoll,
daß der schon i» die Abenddämmerung versinkende Glaserladen
noch einmal sich erhellte, und die zahlreich herumhängenden
Spiegel das geschilderte Zugendglück gar treu zurückstrahlten.
214
Und zuletzt sagte Frau Pomrieder: „So, und jetzt geh' ich heim
und schreibe sogleich dem Äerrn Klinglein."
Und sie schrieb ihm, wie sehr sein Gruß sie freue, und wie
schön es wäre, wenn er einmal, beispielsweise an den Ostcrtagen,
Zeit fände, sie zu besuchen. Sonst die pflichteifrigste Kraft, die
treueste Sachwalterin ihres kleinen Geschäftes, deren §>erz schon
beim zartesten Bimmeln der Ladenglocke frohlockte, empfand sie
an diesem Tag den Glockenton als qualvolle Störung ihrer süßen
Gedanken und vermochte trotz aller Willensstärke sich nicht auf
die Wünsche der Kundschaft in der bei ihr sonst üblichen Weise
zu konzentrieren. So geschah es, daß sie dem Äerrn Bezirkstier-
arzt an Stelle des begehrten Vacksteinkäses drei Schachteln
Stiefelwichse und dem Gerichtsvollzieher anstatt des geräucherten
Schellfisches zwei Stearinkerzen einwickelte und mit nach löause
gab. Welch unabsehbare Folgen für die bis dahin unbescholtene
Frau Pomrieder, wenn die beiden angesehenen Beamten nicht noch
im letzten Augenblick vor dem Genuß den Irrtum erkannt, sondern
die ihnen behändigten Unverdaulichkeiten kurzerhand aufgegeffen
hätten!
Eine Woche darauf — es war Mitte März — betrat unter
energischem Glockengebimmel eine fremde junge Dame den Laden
und berichtete der herbeieilende» Frau Pomrieder: „Der Vati
„Warum denn?"
„Weil wir um vier Uhr heim sollen, und sie noch eine Stunde hier nachsitzen möchte!"
Osterbesuch
Von Lieronymus Jobs
Was ist doch ein Gruß aus der Ferne für ein liebes, er-
hebendes Ding! Zeit und Raum überwindet er auf den weichen
Schwingen des Gefühls, und Stunden des Glückes ruft er zurück
für Feste der Erinnerung.
Die Kleinkaufmannswitwe Pomrieder zum Beispiel fand
eines Tages aus einem solchen Erinnerungsfest überhaupt nicht
mehr heraus, suchte deshalb ihre Freundin, die Frau Glaser-
meister Schnuck auf und sprach: „Denken Sie sich, Frau Schnuck,
was mir heute Gutes geschehen ist: der neue Äerr Förster kommt in
meinen Laden und überbringt mir einen Gruß vom Gutsver-
walter Klinglein weit droben in der Oberpfalz, und der Ver-
walter Klinglein — er war meine erste Liebe."
„Setzen Sie sich!" sagt die Frau Glasermeister und zeigt
auf eine Bank im Laden. „Aber nicht, bitte, auf das soeben ein-
getroffene Waschservice!" Die Sorge war nicht unbegründet bei
der Enge des Raums und Frau Pomrieders heftiger Gemüts-
wallung. „Sie sehen so angegriffen aus. Erzählen Sie doch! Sie
wissen ja, wie gern ich romantische Geschichten höre."
Und da erzählte Frau Pomrieder so licht- und seelenvoll,
daß der schon i» die Abenddämmerung versinkende Glaserladen
noch einmal sich erhellte, und die zahlreich herumhängenden
Spiegel das geschilderte Zugendglück gar treu zurückstrahlten.
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Und zuletzt sagte Frau Pomrieder: „So, und jetzt geh' ich heim
und schreibe sogleich dem Äerrn Klinglein."
Und sie schrieb ihm, wie sehr sein Gruß sie freue, und wie
schön es wäre, wenn er einmal, beispielsweise an den Ostcrtagen,
Zeit fände, sie zu besuchen. Sonst die pflichteifrigste Kraft, die
treueste Sachwalterin ihres kleinen Geschäftes, deren §>erz schon
beim zartesten Bimmeln der Ladenglocke frohlockte, empfand sie
an diesem Tag den Glockenton als qualvolle Störung ihrer süßen
Gedanken und vermochte trotz aller Willensstärke sich nicht auf
die Wünsche der Kundschaft in der bei ihr sonst üblichen Weise
zu konzentrieren. So geschah es, daß sie dem Äerrn Bezirkstier-
arzt an Stelle des begehrten Vacksteinkäses drei Schachteln
Stiefelwichse und dem Gerichtsvollzieher anstatt des geräucherten
Schellfisches zwei Stearinkerzen einwickelte und mit nach löause
gab. Welch unabsehbare Folgen für die bis dahin unbescholtene
Frau Pomrieder, wenn die beiden angesehenen Beamten nicht noch
im letzten Augenblick vor dem Genuß den Irrtum erkannt, sondern
die ihnen behändigten Unverdaulichkeiten kurzerhand aufgegeffen
hätten!
Eine Woche darauf — es war Mitte März — betrat unter
energischem Glockengebimmel eine fremde junge Dame den Laden
und berichtete der herbeieilende» Frau Pomrieder: „Der Vati
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schule im Freien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4470, S. 214
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg