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Die Kontrollkasse

wesentlich beeinflußt hatte. Die kleine, rührige Frau machte jetzt
erst aus dem Laden, was überhaupt daraus zu machen war. Mit
dem noch in der Zukunft und dann am Strandweg liegenden
Läuschen war sie ganz einverstanden, aber während Daniel die
Erfüllung dieses Traumes mehr nachlässig als eine Angelegen-
heit der fortschreitenden Zeit betrachtet hatte, suchte sie dabei
der Zeit entgegen zu kommen: es mußte schneller zusammenge-
scharrt werden. Frau Kamrock hielt auf äußerste Sparsamkeit.

Dafür war Daniel aber nun nicht mehr der Gefangene seines
Ladens. Jetzt konnte er doch manchmal eine Stunde draußen an
der Mole sitze» und die ein- und auslaufenden Schiffe beobachten
oder zwischen den Speichern herumspazieren, wo es immer inter-
essante Dinge für ihn zu sehen gab und anregende Unterhal-
tungen sich anspannen. Abends aber ging er, wie schon als Jung-
geselle, regelmäßig in den „Alten Bullen", die Stammkneipe der
Lotsen und Äafenbeamten. Dazu schob er jedesmal ein paar
Zigarren ein und steckte aus der Ladenkasse etwas Silbergeld in
die Westentasche, für seine Zeche, die oft höher ausfiel, weil er
ein freigebiger Mann war und gern eine Lage spendierte. Frau
Ida hatte nichts gegen den „Alten Bullen" einzuwenden. So
etwas mußte ein Mann haben, das gehörte in die Lebensrech-
nung hinein. Freilich setzte sie voraus, daß Daniel, zumal wegen
des Traumes vom Strandhäuschen, dabei seine Ausgaben weise
beschränkte. Daß sie in dieser Voraussetzung leider geirrt hatte,
wurde ihr nach und nach zur Gewißheit, nachdem die Ladenkasse
so oft am Abend hinter ihren, dem vorausgegangenen Kunden-
verkehr entsprechenden Erwartungen zurückgeblieben war. Kalt,
da stimmte etwas nicht I

Frau Kamrock war kaum zu dieser Erkenntnis gelangt, da
handelte sie auch schon. Als Daniel am Abend wieder für den
„Alten Bullen" sich bereit machte und an die Ladenkasse heran-
wollte — siehe, da saß die Gattin bereits davor und stellte den
Bestand fest, was sie sonst immer erst getan, nachdem sie den

Abendbrottisch abgeräumt und das Geschirr abgespült hatte. Da-
niel fand nichts dabei; ganz unschuldig griff er zwischen die
Münzen und nahm sich fünf Mark. Frau Ida sagte nichts, aber
es gab ihr einen Stich, der nur gemildert wurde durch die Ge-
nugtuung darüber, daß sie sich also wirklich nicht geirrt hatte.

Am nächsten Abend aber war sie noch eiliger; da hatte sie
die Kasse bereits fortgeschlossen. Sie legte Daniel eine Mark hin.
„Da — das reicht!" And dann knüpfte sie einige kurze, sehr klare
Sätze daran, in denen der schöne Zukunftstraum von dem Läus-
chen am Strandwege allzu hohen Ausgaben für Wirtshausabende
nachdrücklich gegenübergestellt wurde. Es wird behauptet, ein
Elefant habe Angst vor einer Maus. Das mag ein Märchen sein;
Tatsache aber war, daß Daniel Kamrock, der große, starke Kerl,
jetzt Angst vor seiner kleinen, schwachen Frau hatte. Demütig
steckte er das Markstück ein und zog ab. Aber es gefiel ihm dann
gar nicht recht im „Alten Bullen"; er kam sich ärmlich und
schäbig vor.

Am Vormittag danach wartete Daniel — die Frau war auf
den Markt gegangen — ungeduldig auf die ersten Kunden. Nach-
dem er an ein Dutzend Leute dies und jenes verkauft hatte, griff
er in die Kasse, holte sich fünf Mark heraus und steckte sie in die
Westentasche. So, nun war für heute gesorgt. Es ging ja auch
auf diese Weise, sehr gut ging es. Aber am Abend machte er
eine große Dummheit, weil er ein ehrlicher Mann war. Daß er
sich fünf Mark aus seiner eigenen Kasse genommen hatte, war
ja sein Recht, das war keine unehrliche Landlung gewesen. Aber
als nun die Gattin ihm wieder eine Mark hinschob, wehrte er
ab, und das war ehrlich, wenn auch dumm. „Nee, lass' man!"
sagte er und drückte sich in ersichtlicher Verlegenheit.

Da wußte Frau Ida Bescheid. Aber sie redete nicht, sondern
handelte, wie es die Art guter Feldherren ist. Und weil es einem
guten Feldherren auch nicht auf einen gehörigen Einsatz ankom-
men darf, fuhr sie in die Stadt und legte, wenn auch schweren
Lerzens, eine immerhin nicht kleine Summe für eine ihr nun-
mehr durchaus notwendig erschei-
nende Erwerbung an.

Eine Kontrollkasse wurde im Laden
aufgestellt, und zwar versehen mit
jener Auslobung, die nun schon etwas
veraltet und von vielen Laden-
inhabern wieder aufgegeben worden
ist, die aber so außerordentlich ge-
eignet ist, das kaufende Publikum
bei der Kontrolle Mitwirken zu lassen.
Wenn man in einem Laden etwas
kauft und bezahlt, hat man ja eigent-
lich kein Interesse daran, ob der Ver-
käufer den anschreibenden Apparat
auch wirklich richtig bediene. Ver-
kündet aber an diesem Apparat eine
Aufschrift: „Fünf Mark erhalten Sie,
wenn die Kasse den Betrag Ihres

Einkaufs nicht richtig angibt!"-

ja, dann paßt man natürlich auf, dann
paßt man verdammt scharf auf. Denn
es könnte ja doch einmal geschehen,
daß einem auf diese Art fünf Mark
in den Schoß fallen. Was für ein
gerissener Mann muß der gewesen
sein, der das erfunden hat!

Daniel Kamrock war so harmlos,
daß er sich zuerst über die schöne
Kasse freute; sie schien ihm ein vor-
züglicher Schmuck für seinen Laden,
in dem es nun so nach Großbetrieb
aussah. Als ihm aber die Gattin aus-

„Früh acht Ahr rufen nur Gläubiger an. Melde ich mich, verlangen sie Geld. Melde ich
mich nicht, werden sie erst recht scharf, weil sie meinen, mir sei schon das Telefon gesperrt!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Früh acht Uhr rufen nur Gläubiger an."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Mann <Motiv>
Morgen
Bett <Motiv>
Telefon <Motiv>
Gläubiger

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4478, S. 342

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