„Äerrlich ist der Bodensee, Emma: Welle an Welle, und der Fon braust drüber hin!"
„Richtig, ich muß mich ja auch wieder ondulieren lassen."
Die Zimmerlinde
„Ich habe eine besondere Veranlassung," erzählte Tante
Cornelia. „Die Sache ist so: ich kenne eine Dame, die da
eine Fremdenpension hat. Wir sind zusammen in die Schule
gegangen."
„Ah, eine alte Bekannte, eine sehr alte Bekannte!" warf
Bruno Bock ein.
„Ach wo, gerade so alt wie ich. Die hat sich also, ich darf
das wohl verraten, weil sie dieses Jahr zu Anfang der Saison
Geld brauchte, 300 Mark von mir geborgt. And nun hat sie mir
vorgeschlagen, sie möchte mich dafür auf acht Wochen aufnehmen.
Denkt euch: acht Wochen für 300 Mark!"
„Ausgezeichnetes Geschäft! In den kleinen Murkspensionen
an der See kommt man um diese Zeit für vier Mark fuffzig pro
Tag unter. Macht also" — Bruno Bock rechnete schnell — „macht
also für acht Wochen 252 Mark."
„Dann taugt die Verpflegung nicht viel. Ich soll aber aus-
gezeichnete bekommen "
„Es wird viel
aus der Saison
übrig geblieben sein.
Nu, wenn schon-
auf Polarexpeditio-
nen müssen die Leute
ja viel länger als
acht Wochen aus-
schließlich von Kon-
serven leben. Man
muß nur Zitronen
mithaben. Äin und
wieder etwas Zitro-
nensaft ist ein vor-
zügliches Vorbeu-
gungsmittel gegen
Skorbut. Nimm dir
ein paar Dutzend
Zitronen mit!"
„Laß' jetzt die
dummenWitze,Bru-
no!" verlangte Frau
Bock. „Tantchen hat
ganz recht.Ich würde
das auch machen.
Ja, ich wäre sehr
froh, wenn ich mal
auf acht Wochen
weg könnte. Wann
fährst du,Tantchen?"
„Aebermorgen.
Das heißt: falls ich
wirklich sortkann.
Denn eins weiß ich
noch nicht: wo lasse
86
ich so lange meine Zimmerlinde? Meine wunderschöne Zimmer-
linde? Ihr wißt doch, wie ich sie liebe."
Tante Cornelia besaß diese Zimmerlinde seit einem Viertel-
jahr. Sie hatte sie als Nachfolgerin eines Gummibaums auf-
gestellt, von dem sie kein Gummi, sondern nur Sorgen und
Kummer geerntet hatte, denn er hatte aus ganz unerklärlichen
Arsachen ein Blatt nach dem andern verloren, bis der entblät-
terte Strünken reif gewesen war, auf den Müllhausen zu wan-
dern. Die Zimmerlinde aber gedieh; sie war schon ein wenig
in die Löhe und Breite und damit auch Tante Cornelia ans
Äerz gewachsen, hatte ein paar neue Zweige angesetzt und ver-
sprach, mit diesem löbliche» Betragen sortzufahren und zu ei-
nem stattlichen Individuum des Pflanzenreichs sich zu entwickeln.
Tante Cornelia behauptete, wenn sie neben ihrer Zimmerlinde
säße, fühlte sie sich — mitten in der Großstadt - so recht am
Busen der Natur.
Bruno Bock dagegen schätzte Zimmerlinden nicht. Er meinte,
eine Linde müßte im Freien stehen, daß man im Sommer da-
runter sitzen und
Bowle trinken könn-
te oderRüdesheimer
Wein. Ja, wenn
Tante Cornelia solch
eine Linde hätte und
darunter köstlichen
Trank ausschenkte,
als eine zweite
Lindenwirtin! Aber
freilich fehlte ihr zu
der Lindenwirtin
nicht nur die richtige
Linde und der köst-
liche Trank, sondern
auch sonst manches
oder eigentlich alles
andere Nötige.
„Ach ja, wem
könnte ich wohl
meine Zimmerlinde
anvertrauen?" frag-
te Tante Cornelia
jetzt eindringlich.
„Niemandem!"
sagte Bruno Bock
schnell. „Eine Zim-
merlinde in Obhut
zu nehmen, könnte
sich niemand ge-
trauen. Zimmerlin-
den haben eine viel
zu zarte Konstitu-
tion. Mimosen sind
wahre Lerkulesse
Begehrenswert „Sie, Lerr Nachbar, erlauben S', was haben S' jetzt da für an
Köder dran ghabt, daß glei d' Stiefel anbeiße»?" — „Das geht Sie gar nichts an."
„No ja, i hätt mir halt auch gern amal a Paar zanungfangt."
„Richtig, ich muß mich ja auch wieder ondulieren lassen."
Die Zimmerlinde
„Ich habe eine besondere Veranlassung," erzählte Tante
Cornelia. „Die Sache ist so: ich kenne eine Dame, die da
eine Fremdenpension hat. Wir sind zusammen in die Schule
gegangen."
„Ah, eine alte Bekannte, eine sehr alte Bekannte!" warf
Bruno Bock ein.
„Ach wo, gerade so alt wie ich. Die hat sich also, ich darf
das wohl verraten, weil sie dieses Jahr zu Anfang der Saison
Geld brauchte, 300 Mark von mir geborgt. And nun hat sie mir
vorgeschlagen, sie möchte mich dafür auf acht Wochen aufnehmen.
Denkt euch: acht Wochen für 300 Mark!"
„Ausgezeichnetes Geschäft! In den kleinen Murkspensionen
an der See kommt man um diese Zeit für vier Mark fuffzig pro
Tag unter. Macht also" — Bruno Bock rechnete schnell — „macht
also für acht Wochen 252 Mark."
„Dann taugt die Verpflegung nicht viel. Ich soll aber aus-
gezeichnete bekommen "
„Es wird viel
aus der Saison
übrig geblieben sein.
Nu, wenn schon-
auf Polarexpeditio-
nen müssen die Leute
ja viel länger als
acht Wochen aus-
schließlich von Kon-
serven leben. Man
muß nur Zitronen
mithaben. Äin und
wieder etwas Zitro-
nensaft ist ein vor-
zügliches Vorbeu-
gungsmittel gegen
Skorbut. Nimm dir
ein paar Dutzend
Zitronen mit!"
„Laß' jetzt die
dummenWitze,Bru-
no!" verlangte Frau
Bock. „Tantchen hat
ganz recht.Ich würde
das auch machen.
Ja, ich wäre sehr
froh, wenn ich mal
auf acht Wochen
weg könnte. Wann
fährst du,Tantchen?"
„Aebermorgen.
Das heißt: falls ich
wirklich sortkann.
Denn eins weiß ich
noch nicht: wo lasse
86
ich so lange meine Zimmerlinde? Meine wunderschöne Zimmer-
linde? Ihr wißt doch, wie ich sie liebe."
Tante Cornelia besaß diese Zimmerlinde seit einem Viertel-
jahr. Sie hatte sie als Nachfolgerin eines Gummibaums auf-
gestellt, von dem sie kein Gummi, sondern nur Sorgen und
Kummer geerntet hatte, denn er hatte aus ganz unerklärlichen
Arsachen ein Blatt nach dem andern verloren, bis der entblät-
terte Strünken reif gewesen war, auf den Müllhausen zu wan-
dern. Die Zimmerlinde aber gedieh; sie war schon ein wenig
in die Löhe und Breite und damit auch Tante Cornelia ans
Äerz gewachsen, hatte ein paar neue Zweige angesetzt und ver-
sprach, mit diesem löbliche» Betragen sortzufahren und zu ei-
nem stattlichen Individuum des Pflanzenreichs sich zu entwickeln.
Tante Cornelia behauptete, wenn sie neben ihrer Zimmerlinde
säße, fühlte sie sich — mitten in der Großstadt - so recht am
Busen der Natur.
Bruno Bock dagegen schätzte Zimmerlinden nicht. Er meinte,
eine Linde müßte im Freien stehen, daß man im Sommer da-
runter sitzen und
Bowle trinken könn-
te oderRüdesheimer
Wein. Ja, wenn
Tante Cornelia solch
eine Linde hätte und
darunter köstlichen
Trank ausschenkte,
als eine zweite
Lindenwirtin! Aber
freilich fehlte ihr zu
der Lindenwirtin
nicht nur die richtige
Linde und der köst-
liche Trank, sondern
auch sonst manches
oder eigentlich alles
andere Nötige.
„Ach ja, wem
könnte ich wohl
meine Zimmerlinde
anvertrauen?" frag-
te Tante Cornelia
jetzt eindringlich.
„Niemandem!"
sagte Bruno Bock
schnell. „Eine Zim-
merlinde in Obhut
zu nehmen, könnte
sich niemand ge-
trauen. Zimmerlin-
den haben eine viel
zu zarte Konstitu-
tion. Mimosen sind
wahre Lerkulesse
Begehrenswert „Sie, Lerr Nachbar, erlauben S', was haben S' jetzt da für an
Köder dran ghabt, daß glei d' Stiefel anbeiße»?" — „Das geht Sie gar nichts an."
„No ja, i hätt mir halt auch gern amal a Paar zanungfangt."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herrlich ist der Bodensee, Emma" "Begehrenswert"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4488, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg