Zeichnung von H. Frank
Erster Gedanke
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WL
„Fritzchen spielt ganz allein draußen am Strand; ich Hab
doch Angst —"
„Ach. laß ihn nur; das Meer kann er ja nicht kaputt machen!"
Die Zimmerltnde
und wenn nur jede dritte Familie solch einen Apparat kauft, uud
man am Stück fünf Mark verdient-"
„Bitte, Bruno, höre mit deinen Phantasien auf!" Frau Bock
gab jetzt der Unterhaltung jenen Schluß, der von Anfang an fest-
gestanden hatte. „Natürlich kommt deine Zimmerlinde zu uns,
Tantchen! Du wirst doch nicht gedacht haben, daß wir das nicht
übernehmen wollten. Bruno redet ja bloß so. Du brauchst dir
nicht die geringste Sorge zu machen: wenn du zurückkommst, wirst
du dich freuen, wie schön dein Liebling ist."
Tante Cornelia hatte
erklärt, sie würde ihre
Zimmerlinde am nächsten
Vormittag um elf Ahr
bringen. Es wurde aber
zwölf Ahr; sie schien auf-
gehalten worden zu sein.
Der Dienstmann, der die
Linde trug, grollte wegen
irgend einer Verzögerung
oder eines Amweges; bei
der Ablohnung wollte er
auf Amstände Hinweisen,
die bei seiner Transport-
verpflichtung nicht erwähnt
worden wären und beson-
ders bezahlt werden müß-
ten. Aber Tante Cornelia
sagte schnell, er sollte nur
ruhig sein, und zahlte so-
fort, was er wollte. Der
Mann war aber doch noch
übler Laune; er konnte
seine Schnupftabaksdose
nicht finden. Die müßte er
vorhin irgendwo liegen ge-
laffen haben, meinte er;
vielleicht im Lift oder bei —
„Pst!" machte Tante Corne-
lia, gab ihm noch fünfzig
Pfennige und sagte, nun
sollte er aber gehen.-
„Was mag denn das gewesen sein?" fragte Frau Bock nach-
her ihren Gatten. „Bei Tante Cornelia ist doch kein Lift. Was
hat der Mann gemeint?" Aber auch Bruno Bock wußte keine
Erklärung. Seine Gattin hätte sich wohl verhört. Die Äauptsache
wäre: jetzt hätte man die Zimmerlinde auf dem Lalse und müßte
mit Mut und Fassung in die dunkle Zukunft schauen. Denn wer
könnte wisse», wie der Amzug dem zarten Produkt einer züchte-
rischen Spielerei bekommen würde.
„Ja, wenn du mit der brennenden Zigarre davor stehst und
den Rauch auf die Blätter pustest!" sagte die Gattin dazu.
aber das war ganz sachlich
mit Bezug auf die Linde
gemeint; es sollte kein Witz
sein. Tante Cornelia macht
nie Witze; sie versteht auch
keine. Menschen, die keine
Witze verstehen, sollten
eigentlich aus der mensch-
lichen Gesellschaft ver-
stoßen und auf eine wüste
Insel-aber nein, das
gehört nicht hierher; wir
wollen hier nicht von Wün-
schen reden, die als eigen-
nützig betrachtet werden
könnten.
Bruno Bock hat eine vorzügliche Eigenschaft, die nur wenige
Menschen besitzen: er ist nobel in der Niederlage. „Nur her mit
dem Bäumchen!" sagte er jetzt, und als seine Gattin die beliebte
Versicherung abgab, sie werde die Zimmerlinde behüten wie ihren
Augapfel, da ging er zwar nicht so weit, aber er sagte doch, er
würde sie behüten wie seine Nase.
„Begieße sie aber nicht zu oft!" sagte Tante Cornelia dazu.
Tante Cornelia genoß seit acht Tagen den von ihr mit einer
Zeile auf einer Ansichtskarte als „sehr nett" bezeichneten Aufent-
halt in der herbstlichen Stille eines reichlich abgelegenen Küsten-
örtchens, da zog Frau Erna Bock den Gatten vor die Zimmer-
linde. „Was ist das?" fragte sie und wies mit bebender Land
auf eins der großen Blätter.
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Erster Gedanke
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„Fritzchen spielt ganz allein draußen am Strand; ich Hab
doch Angst —"
„Ach. laß ihn nur; das Meer kann er ja nicht kaputt machen!"
Die Zimmerltnde
und wenn nur jede dritte Familie solch einen Apparat kauft, uud
man am Stück fünf Mark verdient-"
„Bitte, Bruno, höre mit deinen Phantasien auf!" Frau Bock
gab jetzt der Unterhaltung jenen Schluß, der von Anfang an fest-
gestanden hatte. „Natürlich kommt deine Zimmerlinde zu uns,
Tantchen! Du wirst doch nicht gedacht haben, daß wir das nicht
übernehmen wollten. Bruno redet ja bloß so. Du brauchst dir
nicht die geringste Sorge zu machen: wenn du zurückkommst, wirst
du dich freuen, wie schön dein Liebling ist."
Tante Cornelia hatte
erklärt, sie würde ihre
Zimmerlinde am nächsten
Vormittag um elf Ahr
bringen. Es wurde aber
zwölf Ahr; sie schien auf-
gehalten worden zu sein.
Der Dienstmann, der die
Linde trug, grollte wegen
irgend einer Verzögerung
oder eines Amweges; bei
der Ablohnung wollte er
auf Amstände Hinweisen,
die bei seiner Transport-
verpflichtung nicht erwähnt
worden wären und beson-
ders bezahlt werden müß-
ten. Aber Tante Cornelia
sagte schnell, er sollte nur
ruhig sein, und zahlte so-
fort, was er wollte. Der
Mann war aber doch noch
übler Laune; er konnte
seine Schnupftabaksdose
nicht finden. Die müßte er
vorhin irgendwo liegen ge-
laffen haben, meinte er;
vielleicht im Lift oder bei —
„Pst!" machte Tante Corne-
lia, gab ihm noch fünfzig
Pfennige und sagte, nun
sollte er aber gehen.-
„Was mag denn das gewesen sein?" fragte Frau Bock nach-
her ihren Gatten. „Bei Tante Cornelia ist doch kein Lift. Was
hat der Mann gemeint?" Aber auch Bruno Bock wußte keine
Erklärung. Seine Gattin hätte sich wohl verhört. Die Äauptsache
wäre: jetzt hätte man die Zimmerlinde auf dem Lalse und müßte
mit Mut und Fassung in die dunkle Zukunft schauen. Denn wer
könnte wisse», wie der Amzug dem zarten Produkt einer züchte-
rischen Spielerei bekommen würde.
„Ja, wenn du mit der brennenden Zigarre davor stehst und
den Rauch auf die Blätter pustest!" sagte die Gattin dazu.
aber das war ganz sachlich
mit Bezug auf die Linde
gemeint; es sollte kein Witz
sein. Tante Cornelia macht
nie Witze; sie versteht auch
keine. Menschen, die keine
Witze verstehen, sollten
eigentlich aus der mensch-
lichen Gesellschaft ver-
stoßen und auf eine wüste
Insel-aber nein, das
gehört nicht hierher; wir
wollen hier nicht von Wün-
schen reden, die als eigen-
nützig betrachtet werden
könnten.
Bruno Bock hat eine vorzügliche Eigenschaft, die nur wenige
Menschen besitzen: er ist nobel in der Niederlage. „Nur her mit
dem Bäumchen!" sagte er jetzt, und als seine Gattin die beliebte
Versicherung abgab, sie werde die Zimmerlinde behüten wie ihren
Augapfel, da ging er zwar nicht so weit, aber er sagte doch, er
würde sie behüten wie seine Nase.
„Begieße sie aber nicht zu oft!" sagte Tante Cornelia dazu.
Tante Cornelia genoß seit acht Tagen den von ihr mit einer
Zeile auf einer Ansichtskarte als „sehr nett" bezeichneten Aufent-
halt in der herbstlichen Stille eines reichlich abgelegenen Küsten-
örtchens, da zog Frau Erna Bock den Gatten vor die Zimmer-
linde. „Was ist das?" fragte sie und wies mit bebender Land
auf eins der großen Blätter.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Erster Gedanke"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4488, S. 88
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg