Der Mann im Pelz
fühle mich ganz wohl, so wohl wie eine Motte im Pelz. Es
handelt sich nur um ein kleines Experiment, lediglich um die Fest-
stellung, welche Reaktionen bei der gegenwärtigen Temperatur
meine allerdings stark thermische Bekleidung auszulösen vermag."
Mayfuß ist wieder nur sachlich interessiert. „Ah so! Aber
immerhin: Sie müssen doch eine in Ihrem Befinden liegende
Veranlassung haben, ermitteln zu wollen, wie Sie darauf rea-
gieren werden."
Pienack tippt Mayfuß scherzhaft gegen die Brust; er lächelt:
„Nicht ich, Lerr Mayfuß — nicht ich! Ich schwitze natürlich, und
das habe ich vorher gewußt. Nein,
ich war neugierig, wie andere
Leute darauf reagieren."
Mayfuß gefällt das nicht,
aber er macht den schwache» Ver-
such, zu tun, als gefalle es ihm
doch. „So, so — hübsche Lunds-
tagsidee!" Dann verabschiedeter
sich ohne Wärme, was ja auch
bei dem Thermometerstande von
Aeberfluß wäre.
Pienack und Grauholz gehen
weiter. Pienack ist zufrieden.
„Sehen Sie: das hätte ich Ihnen
vorher sagen können. Unbedingt
mußte Mayfuß auf Krankheit
raten. Wenn er hätte erwarten
können, morgen zu hören, daß
ich mich mit Typhus oder einer
ähnlichen besseren Sache ins Bett
gelegt hätte, so Hütte er das zwar
bedauert, aber doch als eine Be-
stätigung seiner Vermutungen
nicht ohne Genugtuung ausgeuom-
men. Aber jetzt passen Sie aus:
da kommt Zadder."
Zadder ist kein sympathischer
Mensch; er macht auch unsym-
pathische Geschäfte. Da er gewöhnt
ist, stets auszuspähen, benierkt er schon von weitem Pienacks un-
gewöhnlichen Anzug. Er stößt auf ihn zu, umkreist ihn einmal
und schlägt eine häßliche Lache auf. „Ist ja großartig, Lerr
Pienack! Ihnen stellt wohl der Gerichtsvollzieher nach, haha!
Sie denken, das Pelzchen kann er Ihnen nicht nehmen, wenn Sie
es auf dem Leibe haben. Das wäre aber noch sehr die Frage,
mein Bester. Wenn ich einen Schuldner hätte, der jetzt, bei dieser
Affenhitze, einen Pelz anzieht, den ich gern pfänden möchte-
ich glaube, ich kriegte den Pelz doch; ich würde dem Mann die
Lölle so heiß machen, daß er ihn ausziehen müßte."
Lierzu lacht Grauholz; es macht ihm großes Vergnügen, daß
Pienack, der ihn in die Litze hinausgeschleppt hat, nun so üble,
den Kredit schädigende Vermutungen über sich ergehen lassen
muß. Pienack durchschaut das. „Sie irren durchaus, Lerr Zadder,"
spricht er. „Ich habe diesen Pelz eben nur angezogen, um zu
sehen, ob er mir paßt. Er gehört nämlich dem Lerrn Grauholz,
der ihn mir zum Kaufe angeboten hat, weil er sich in einer
fatalen, sonst aus keine Weise zu behebenden Geldklemme befindet."
„Werden Sie ihn nehmen? Was wollen Sie geben?" Zadder
will mit gierigen Länden den Pelz aufknöpfen und innen an-
schauen, zum Zwecke der Schätzung, „klebereilen Sie sich nicht,
Lerr Grauholz-vielleicht kann ich Ihnen ein günstigeres
Angebot machen."
„Ist ja Quatsch!" schimpft jetzt Grauholz. „Lassen Sie sich
doch nicht veräppeln, Lerr Zadder. Wie können Sie denn gleich
aus sowas reinfallen; Sie müssen doch wissen, daß bei mir von
Geldklemme nicht die Rede sein
kann."
„Kann man nie wissen. Die
festesten Läufer können wanken
und die dicksten Säulen bersten.
Aber freilich — wenn hier ver-
äppelt wird, will ich mich nicht
aufhalten; das bringt nichts ein.
Morgen, meine Lerren!"
Zadder zieht ab. Grauholz
will ihm folgen; er ist beleidigt,
weil Pienack ihm einen Althandel
mit Pelzwerk auf offenem Markt-
platz angedichtet hat. Pienack be-
gütigt: „Seien Sie friedlich, Lerr
Grauholz! Sehen Sie: da kommt
der olle Kerbel! Ich gehe jede
Wette mit Ihnen ein: Kerbel
wird sich über meinen Pelz mit
Gedanken äußern, aus die so leicht
kein Mensch verfallen könnte,
klebrigens will ich Ihnen zu Ihrer
Genugtuung verraten, daß mir
jetzt doch etwas heiß wird; ich
schwitze wie ein Schweinebraten."
Der alte Kerbel ist ein Mann,
der von sich selber zu sagen pflegt,
er sei bestrebt, das Seinige zu-
sammenzuhalten. Er grüßt spar-
sam und pflanzt sich vor Pienack auf, nicht staunend, sondern an-
erkennend. Es ist sogar neidvolle Anerkennung, die er bezeigt.
„Alle Achtung, Lerr Pienack! Man lernt doch nie aus. Auf den
Gedanken hätte ich gestern kommen sollen. Mein Kompliment!"
„Danke, danke. Ich weiß allerdings nicht, ob ich es annehmen
darf, Lerr Kerbel. Was meinen Sie denn, warum ich hier im
P'llz spaziere?"
„Nun, was wird sein? Sie sind erkältet und wollen schwitzen,
nicht wahr? Das passiert einem gerade in diesen heißen Tagen
so leicht. Man ist warm geworden, kommt in Zugluft, und dann
ist das Malheur fertig. Ist mir vorgestern auch so gegangen.
Wie ich gestern aufgestanden bin, haben mir alle Glieder weh
getan, und in der Nase hat es gekribbelt, und der Kopf war mir
so schwer. Da muß sofort was getan werden, Hab' ich mir gesagt;
aus so einer Erkältung können die kostspieligsten Krankheiten
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„Gestern noch in Berlin, und heute in den Alpen!
Welch ein Wechsel, Bruno!"
„Tja, mein Kind-aber ein Wechsel, der bezahlt
werden muß."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bahnfahrt" "Gestern noch in Berlin, und heute in den Alpen!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4490, S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg