Fliegende Blätter (175.1931 (Nr. 4483-4509) = 87. Jahrg.)

Die Sänfte

Kinkerlitzchen

Der Pariser Bankier Oustric, dessen Prozeß langwieriger Vorberei-
tungen bedarf, ist wegen Krankheit aus der Untersuchungshaft entlassen
worden. Die Aerzte haben ihm ein Leiden attestiert, das sie „Claustrophobie"
nennen, also Angst vor dem Eingeschlossensein.

Die Claustrophobie ist ein weit verbreitetes llebel, dem mannigfache,
ganz verschiedenartige Vorboten vorausgehen. Bei Oustric hat sie sich
durch Schwindel angekündigt.

Der gegenwärtige Inhaber der berühmten Schmiede von Gretna Green,
in der noch immer die romantischen Trauungen vollzogen werden, hat ge-
droht, die ganze Schmiede nach Amerika zu verkaufen, weil die Finanz-
behörde von ihm eine Steuer von 500 Pfund verlangt hat.

Es ist zu verstehen, daß der Schmied nicht Ambos für das Finanzamt
sein will. Die Amerikaner würden auch sicherlich die Schmiede gern als
Kuriosität erwerben; für Eheschließungen käme sie bei ihnen freilich nicht
in Frage, da die Ehen dort selten fest geschmiedet werden.

Edgar Wallace hat sich für den Winter nach Hollywood begeben, um
dort bei einem Wochenhonorar von 65 000 Mark Filme zu schreiben; man
erwartet, daß er 40 bis 50 Filme zustande bringen werde.

Vielleicht werden es noch mehr, denn die Schreibfähigkeit dieses Autors
bildet ja den geraden Gegensatz zu seinem Publikum: sie ist nicht beschränkt.

Bernard Shaw hat erklärt, die meisten englischen Dramatiker seien
unklug, da sie die Aufführung ihrer Stücke nur Gesellschaften gestatteten,
die mindestens 100 Mark Tantieme zahlen könnten. Er selber gebe seine
Stücke auch den kleinsten Truppen, die auf Dörfern spielen, lasse sich
75 Pfennige dafür bezahlen und empfehle sich für künftige Fälle.

Nun ja, die Welt weiß, daß Bernard Shaw sich auch gern und eifrig
mit Kleinigkeiten abgibt. Neu ist nur, daß er dies nicht nur als Schrift-
steller, sondern auch als Geschäftsmann tut.

Margarete Sänger, eine amerikanische Sozialpolitikerin, macht Pro-
paganda für ein „Baby-Feierjahr": ein Jahr lang solle kein Kind zur Welt
komme», dann würden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sich vermindern.

Die Dame hat gemerkt, worauf es ankommt, aber ihr Mittel ist nicht
radikal genug. Nicht nur ein Jahr lang, sondern überhaupt nie mehr
sollten Kinder in die Welt kommen. Dann würden in einigen Jahrzehnten
die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ganz verschwinden, und sie würden
auch nie wieder auf diesem Globus auftauche». —on.

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