Fliegende Blätter (175.1931 (Nr. 4483-4509) = 87. Jahrg.)

Aetchnuna von S. Mrchnor

Das genaue Maß

Der alte Knätsch hat am Butter-
markt einen Laden, der mit einer soge-
nannten Fülle verschiedenartiger Artikel
vorzugsweise den Bedürfnissen der
Landbewohner dient. Auf der andern
Seite des Buttermarkts befindet sich ein
ähnlicher Laden, und natürlich hat Knätsch
es nicht gerne, wenn jemand in diesen
hineingeht und nicht in den seinen. Aber
noch weniger kann er es vertragen, daß
ein bereits froh begrüßter vermeint-
licher Kunde sich bei ihm vergeblich um-
steht und dann zur Konkurrenz spaziert
Man wird diese Empfindungen als
durchaus berechtigte begreifen.

Zu Knätsch kommt der Bauer Lüt-
johann. Der Mann hat einen Weg
von drei Stunden in die Stadt, und
nun will er auch gleich alles mitnehmen,
was er in der nächsten Zeit braucht.

Aber zunächst hat er einen besonderen
Wunsch: einen eisernen Lerdring will
er haben, als Ersatz für einen zer-
sprungenen. Wenn er den bei Knätsch
nicht kriegen kann, dann wird er ihn
drüben in dem andern Laden suchen,
und dann wird er dort auch seine üb-
rigen Einkäufe erledigen. Das ist klar;
er wird doch nicht bei Knätsch alles
Mögliche kaufen und dann mit dem
ganzen Kram zu dem andern Mann
zieh». Dann würde der sich vielleicht
nicht die rechte Mühe geben, einen ge-
nau passenden Lerdring herauszusuchen.

Das Maß für den Durchmesser
des Ringes hat Lütjohann in Gestalt
eines Bindfadens mit zwei hineinge-
knüpften Knoten mitgebracht. Der
Eisenkram liegt im Keller. Der alte
Knätsch scheut die Anstrengung, hinunter
zu krabbeln; sein Sohn Oskar soll das
tun, der sich während der Ferien manch-
mal im Laden nützlich macht. Oskar
besucht in der nächsten größeren Stadt
das Gymnasium, - Aufstieg soll sein.

Oskar bleibt lange im Keller. Der
alte Knätsch sucht inzwischen andere
Wünsche aus Lütjohann herauszulocken,
aber der Bauer ist vorsichtig, — erst

will er seinen Lerdring haben. Endlich kommt Oskar zurück.
Rein, es ist kein passender Ring da; er hat alle gemessen.

„Du weißt bloß nich' Bescheid, mein Jung'!" sagt Knätsch
unzufrieden, nimmt den Bindfaden und verschwindet nun selber.
Richtig — schon nach zwei Minuten kommt er mit einem Äerd-
ring an. Genau nach vorgelegtem Maß: hier ist der Ring und
da der Bindfaden mit den beiden Knote». Der Bauer Lütjohann
prüft, ist zufrieden, kauft nun sein Zeug zusammen und zieht ab.

Da holt Knätsch seinen klappbaren Meterstab, den er immer
in der Tasche hat, heraus und sieht nachdenklich darauf. „Acht-
zehn Zentimeter hat der Ring haben sollen. Tja, nu' müssen wir
sehn, daß wir so einen kriegen, bis Lütjohann mal wieder in die
Stadt kommt."

Der Sohn Oskar versteht nichts, gar nichts. „Ich denke, du
hast doch den richtigen gefunden, Vater. Ich habe zwar alle
nachgemessen, aber —-"

Seefahrt

„Ich hatte mir eigentlich Sturm gewünscht. Da würde
das Meer einen erhabeneren Eindruck machen."

„Sei zufrieden, Jenny! Bei Sturm würdest du wahr-
scheinlich keinen erhabenen Eindruck machen."

„Du bist 'n Dussel, Oskar!" sagt der alte Knätsch. „Da macht
man doch fix 'nen andern Knoten i» den Bindfaden." Robinson

„bestellen können Sie die zwei Schnitzel schon, Ober, aber
noch nicht servieren. Ich warte noch auf eine Dame."

„Fett oder durchwachsen?"

„Was für unverschämte Fragen erlauben Sie sich!"

„Warum gibst du dem Briefträger nie direkt einen Kuß,
Vati?"

„Wieso denn, dummer Junge?"

„Na, du gibst ihn iinmer erst der Mammi, die Mammi gibt
ihn mir, ich gebe ihn dem Fräulein, und das Fräulein gibt ihn
dem Briefträger."