Zeichnung von I. Mauder
Harmlose Gegend »Äst ja ganz hübsch sone Fahrt durchs Dschungel, Lia, nur schade,
daß man so gar keine wilden Tiere mehr zu sehen bekommt!"
Die Rache der Maschinen
in aller Munde war. Im Gegensatz zu amerikanischer Gepflogen-
heit machte Tweed keine Propaganda durch Zeitungen, Plakate,
Flugzeuge, Limmelschrift oder Sandwichmänner. Er unterbreitete
nur ganz großschnäuzig den Warenhäusern eine Probe und
nannte den niedrigen Preis; da hatte Tweed innerhalb neun
Tagen feste lausende Bestellungen, die den Fabrikbetrieb dauernd
voll beschäftigten.
Die Ware wurde mit fabelhaftester Frechheit unverpackt
geliefert. Papierumschlag? Kartons? Kisten? Ach wo! Jedes,
von Tweed als Großabnehmer großmütig zugelaffene Waren-
haus erhielt eigentlich nichts weiter als — einen kleinen Schlüssel
zu dem komplizierten Türschloß der Tweed'schen Expeditions-Lalle.
In der Lalle standen, die Wände entlang, riesige Verkaufsauto-
maten. Nach Einwurs eines goldenen Zwanzigdollarstückes ver-
abfolgte der Automat hundert große Tafeln der Marke Tweed.
326
Es war Sache des Kunden,
die begehrte Ware zu ver-
packen und wegzuschaffen.
Eifersüchtig sorgten die „auto-
risierten" Tweed - Abnehmer
dafür, daß kein Anbefugter in
diese heiligen Lallen drang,
und daß die Abholenden in der
geziemenden Reihenfolge an
die Verkaufsmaschinen heran-
traten, die sich fortwährend
wieder von selbst nachfüllten.
Reinhaltung der Fabrik-
räume und Maschinen? Oh
ja! durch sinnreiche Einrich-
tungen hydraulisch und pneu-
matisch! Riesige Kessel voll
Oel und geheiztem Fett stan-
den im obersten (fünsundzwan-
zigsten) Stockwerk; durch ein
kleines, nettes Netz von Röh-
ren wurden alle Betriebsteile
gefettet und geölt.
Lieferanten von Zucker,
Kakaobohnen, Oel und Fett
benützten Paternosterfahr-
stühle, um ihre Waren —
gleichfalls im fünfundzwanzig-
sten Stock — in die Kessel zu
schütten. Automatisch verab-
folgte die Kesselwage als Quit-
tung eine Blechmarke mit
Prägung. Von der Chicago
Aniversal-Bank wurden die
Blechmarken wie Schecks ho-
noriert. So gelangte jeder
Lieferant in den Besitz des
Fakturenbetrages, ohne daß
die Tweed Chocolate Company
auch nur einen einzigen Büro-
beamten beschäftigte.
Die goldenen Zwanzig-
dollarstücke rollten durch Me-
tallröhren in den Keller der
benachbarten Bankfiliale, wo
sie von de» Beamten der Chi-
cago Aniversal-Bank heraus-
genommen und dem Konto
Tweed gutgeschrieben wurden.
Vieles in der Schokolade-
Herstellung war ja auch schon früher automatisch-fabelhaft bedient
worden. Aber mancherlei, zum Beispiel das Lerauslesen der
zwischen den Kakaobohnen befindlichen Fremdkörper war lang-
weilig-altertümlich durch Menschenauge und Menschenhand erfolgt.
Auf einem halbmeterbreite» endlosen Bande waren früher die
Bohnen vor einer Gruppe von Arbeiterinnen vorbeigewandert,
deren flinke Finger die Fremdkörper fortnahmen. Oh Mittelalter!
Erst der alte Tweed hatte Apparate erfunden, durch die auch
diese menschliche Betätigung unnötig wurde. Alles, ausnahmslos
alles, erledigte sich maschinell.
Abnützung der Maschinenteile? Latte Tweed genau in die Be-
rechnung mit eingesetzt: jedes einzelne Stück war so angelegt, daß
es genau fünf Jahre lang halten mußte. Bis zum Ablauf des
fünften Jahres hatte die Fabrik so viel Nutzen abgeworfen, daß
sie abgerissen oder verschenkt werden durfte. Man konnte dann
von einem Bruchteil des verdienten Geldes eine bessere, neue
Harmlose Gegend »Äst ja ganz hübsch sone Fahrt durchs Dschungel, Lia, nur schade,
daß man so gar keine wilden Tiere mehr zu sehen bekommt!"
Die Rache der Maschinen
in aller Munde war. Im Gegensatz zu amerikanischer Gepflogen-
heit machte Tweed keine Propaganda durch Zeitungen, Plakate,
Flugzeuge, Limmelschrift oder Sandwichmänner. Er unterbreitete
nur ganz großschnäuzig den Warenhäusern eine Probe und
nannte den niedrigen Preis; da hatte Tweed innerhalb neun
Tagen feste lausende Bestellungen, die den Fabrikbetrieb dauernd
voll beschäftigten.
Die Ware wurde mit fabelhaftester Frechheit unverpackt
geliefert. Papierumschlag? Kartons? Kisten? Ach wo! Jedes,
von Tweed als Großabnehmer großmütig zugelaffene Waren-
haus erhielt eigentlich nichts weiter als — einen kleinen Schlüssel
zu dem komplizierten Türschloß der Tweed'schen Expeditions-Lalle.
In der Lalle standen, die Wände entlang, riesige Verkaufsauto-
maten. Nach Einwurs eines goldenen Zwanzigdollarstückes ver-
abfolgte der Automat hundert große Tafeln der Marke Tweed.
326
Es war Sache des Kunden,
die begehrte Ware zu ver-
packen und wegzuschaffen.
Eifersüchtig sorgten die „auto-
risierten" Tweed - Abnehmer
dafür, daß kein Anbefugter in
diese heiligen Lallen drang,
und daß die Abholenden in der
geziemenden Reihenfolge an
die Verkaufsmaschinen heran-
traten, die sich fortwährend
wieder von selbst nachfüllten.
Reinhaltung der Fabrik-
räume und Maschinen? Oh
ja! durch sinnreiche Einrich-
tungen hydraulisch und pneu-
matisch! Riesige Kessel voll
Oel und geheiztem Fett stan-
den im obersten (fünsundzwan-
zigsten) Stockwerk; durch ein
kleines, nettes Netz von Röh-
ren wurden alle Betriebsteile
gefettet und geölt.
Lieferanten von Zucker,
Kakaobohnen, Oel und Fett
benützten Paternosterfahr-
stühle, um ihre Waren —
gleichfalls im fünfundzwanzig-
sten Stock — in die Kessel zu
schütten. Automatisch verab-
folgte die Kesselwage als Quit-
tung eine Blechmarke mit
Prägung. Von der Chicago
Aniversal-Bank wurden die
Blechmarken wie Schecks ho-
noriert. So gelangte jeder
Lieferant in den Besitz des
Fakturenbetrages, ohne daß
die Tweed Chocolate Company
auch nur einen einzigen Büro-
beamten beschäftigte.
Die goldenen Zwanzig-
dollarstücke rollten durch Me-
tallröhren in den Keller der
benachbarten Bankfiliale, wo
sie von de» Beamten der Chi-
cago Aniversal-Bank heraus-
genommen und dem Konto
Tweed gutgeschrieben wurden.
Vieles in der Schokolade-
Herstellung war ja auch schon früher automatisch-fabelhaft bedient
worden. Aber mancherlei, zum Beispiel das Lerauslesen der
zwischen den Kakaobohnen befindlichen Fremdkörper war lang-
weilig-altertümlich durch Menschenauge und Menschenhand erfolgt.
Auf einem halbmeterbreite» endlosen Bande waren früher die
Bohnen vor einer Gruppe von Arbeiterinnen vorbeigewandert,
deren flinke Finger die Fremdkörper fortnahmen. Oh Mittelalter!
Erst der alte Tweed hatte Apparate erfunden, durch die auch
diese menschliche Betätigung unnötig wurde. Alles, ausnahmslos
alles, erledigte sich maschinell.
Abnützung der Maschinenteile? Latte Tweed genau in die Be-
rechnung mit eingesetzt: jedes einzelne Stück war so angelegt, daß
es genau fünf Jahre lang halten mußte. Bis zum Ablauf des
fünften Jahres hatte die Fabrik so viel Nutzen abgeworfen, daß
sie abgerissen oder verschenkt werden durfte. Man konnte dann
von einem Bruchteil des verdienten Geldes eine bessere, neue
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Harmlose Gegend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4503, S. 326
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg