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Entzückend! Ich liebe Tulpen so sehr-woher wissen Sie das denn?"

Selbstverständliche Vermutung, Teuerste! Weil Sie doch immer anderer Meinung sind
als ich — und ich mag Tulpen gar nicht."

Beides zutreffend Von Lieronymus Jobs

Das ist nun einmal in unserer Kleinstadt so: den in der
Rasierschüssel nach Einseisung der Kunde» etwa noch verbleibenden
Seifenschaum schüttet, genauer: schleudert der Bader Neunäugl
zur Ladentür auf die Straße hinaus, und wem das nicht paßt,
der kann ja in der Großstadt bleiben.

Dem Rechtsanwalt Dr. Wetzstein, der einer Gerichtsver-
handlung wegen zu uns, nach Rettenbach, herausgekommen war,
paßte es nicht; denn auf den Flügeln besagter Badergewohnheit
war ihm, da er am letzten Tag des Jahres eben sehr gewichtig
an der Neunäugl'schen Offizin vorüberschritt, ein ansehnlicher
Seisenschaumrest an seinen dunklen Stadtpelz und den Ausklang
seines tiefblauen, rechten Losenbeins hinangefiogen. Und blitz-
schnell, als wolle er damit ein für allemal alle Weiterungen aus
sperren, hatte Lerr Neunäugl seine Ladentür wieder zugeschlagen.

Schon aber ritz sie der Doktor Wetzstein wieder auf, behielt
die Klinke in der Land und rief mit vibrierender Stimme in die
dämmerige Bude hinein: „Was soll das? Wie meinen Sie das?"
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Er wies dabei auf Stadtpelz und Bein-
kleid und das von dem düstern Unter-
grund blendend sich abhebende Schaum-
gebilde. „Was ist das?"

„Seifenschaum, bitte. Aus prima-
prima Seisenpulver." Und der Bader
Neunäugl verneigte sich sehr gefällig, in-
dem er diese beruhigendeErklärung abgab-
„Ist das alles, was Sie mir zu
sagen haben?"

„Preisgekrönt auf dem Allgemeinen
Deutschen Friseurtag zu Frankfurt,"
fuhr deshalb Lerr Neunäugl in seiner
Beruhigung fort. And weil der Fremde
immer noch so feindselig, mit glühenden
Augen, in der Tür stand, so fügte er
noch hinzu: „Eine kleine Messerspitze
voll genügt bei dem ungeheuren Fett-
gehalt zur nachhaltigsten Wirkung."

„Recht erfreulich für Pelz und Bein-
kleid," und abermals wies Dr. Wetzstein
mit dramatischer Geste auf seine besu-
delte Kleidung hin.

„Iasol Sie entschuldigen!" And so-
gleich bearbeitete Lerr Neunäugl in ent-
gegenkommendster Weise den Dr. Wetz-
stein mittelst einer Serviette, die er ei-
nem soeben eingeseiften Kunden rasch
entschlossen von Lals und Brust wegriß.

Indes, die Rasierseife schien wirklich
erstklassig zu sein, denn sie wich trotz
aller Bemühung nicht völlig von Mantel
und Lose, ließ vielmehr einen feinen,
umfänglichen Silberschimmerzurück. „Ich
werde die Kleidungsstücke auf die Nach-
haltigkeit der Wirkung chemisch unter-
suchen lassen," drohte daher Dr.Wetzstein.

Allein Lerrn Neunäugls Vertrauen
zu seinem Seisenpulver war zu wohl
begründet. „Tun Sie das ungeniert!"
sagte er halbgekränkt. „In meinem Ge-
schäft, dem ältesten am Platze, wird
nur Qualitätsware verwendet."

„Ich pfeife auf Ihre Qualitäten. Wenn
auch nur die geringste Spur und Beein-
trächtigung bleibt, können Sie sich auf eine
Schadensersatzsorderung gefaßt machen,
die sich gewaschen hat."

„Iaso!" sprach da nachdenklich Lerr Neunäugl, der das Pro-
blem bisher doch zu einseitig betrachtet zu haben schien. „Darf
ich Ihnen vielleicht als Genugtuung für meine Unachtsamkeit ein
Monatsabonnement für Rasieren und Laarschneiden anbieten?"
und schon hielt er dem Fremden die Abonnementskarte hin.
„Danke. Kann nicht täglich zum Rasieren nach Rettenbach fahren."
„Dann erlauben Sie wenigstens, mein Lerr, daß ich Ihnen anläß-
lich des Jahreswechsels alles nur erdenkliche Gute wünsche!" And mit
vollendeter Friseur-Courtoisie streckte Lerr Neunäugl die Land hin.

Da mußte denn doch der Doktor Wetzstein lächeln und akzep-
tierte den Glückwunsch. „Ich weiß nur nicht," sagte er und schaltete
wieder jene dramatische Landbewegung nach Pelz und Lose hin
ein, „soll ich das als Scheidegruß des alten oder als Willkonnn
des neuen Jahres auffaffen?" und gab damit dem Kunden, dem
Lerr Neunäugl die Serviette entzogen hatte, das Stichwort.

„Bei der allgemeinen Bekleckerung, mein Lerr," sprach so-
mit der Rasierkunde mit dem eingeseisten Gesicht, „die das gegen-
wärtige Wirtschaftsleben für uns alle bedeutet, wird man sehr
wohl sogar beide Auffassungen als zutreffend vertreten können."
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Entzücken!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4506, S. 374

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