Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der standhafte Mann

seid wißbegierig. Gerade so wie die Vergnügungssucht der
Frauen bei euch notwendiges Zerstreuungsbedürfnis ist.

Also: willst du das Pal'etchen jetzt aufmachen?"

„Aber Kind, sei doch vernünftig! Man muß doch auch
mal Standhafligkeit beweisen können, und am Ende ist
Onkel Balduin verhindert worden, abzufahren. And wenn
er dann käme und sein Päckchen nochmal sehen wollte?"

„Aha — du hast bloß Angst! Co ist ein Mann: was er
Standhaftigkeit nennt, ist oft bloß die Furcht, daß er sich bla-
mieren könnte."

„Nun gib doch schon Ruhe!" Paul Kliugler stand auf,
nahm das Päckchen und schmiß cs an den ihm zugewiesenen
Platz. Weil aber die Schublade nicht nur, wie bekannt,
schwer herauszuzieben, sondern natürlich auch schwer hinein-
zuschieben war, stieß er ärgerlich mit dem Knie dagegen und
tat sich weh. „Verfluchte Albernheit!" schimpfte er.

Darauf verließ Erna tief gekränkt das Zimmer, und
Paul stellte nachher den Lautsprecher an, in solcher Stärke,
daß Straube nebenan — der Mann mit den rätselhaften
Erwerbsquellen — an die Wand klopfte.-

Am nächsten Morgen kam eine Postkarte von Onkel
Balduin, die er unterwegs aufgegeben hatte. „Nicht auf-
machen!" stand darauf.

Erna triumphierte. „Er ist also abgefahren. Jetzt machen
wir das Päckchen auf. Jetzt brauchst du keine Angst zu haben.

„Die Puppen haben alle zu nette Gesichter, Fräulein. Ich
brauche eine häßliche. Wissen Sie, Fräulein: das Mädel, das die
Puppe bekommen soll, ist nämlich auch nicht hübsch."

daß du dich vor Onkel blamierst; jetzt kannst du sogar wiß-
begierig sein."

Aber am frühen Morgen ist ein Ehemann nicht so leicht
nachgiebig. Paul war auch noch verdrossen; er verbat sich jede
Unterhaltung über Onkel Balduins Päckchen, ging brummend
fort und schmiß die Tür. Nachher tat ihm das leid. Das war
nicht recht von ihm gewesen, er mußte das wieder gut machen.
Erna ging so gern in die Oper, aber man konnte sich das so
selten erlauben. Wie wäre es damit zu Weihnachten? Was gab's
denn am ersten Feiertage? „Die Meistersinger" — — ausge-
zeichnet! Das würde ein schöner Abend werden. Freilich nicht
billig, denn der Vorverkauf hatte schon vor ein paar Tagen
begonnen. Richtig: er bekam auch nur noch Parkettplätze das
Stück zu 12 Mark.

Erna war lieb, als Paul die Karten anbrachte. Sie wurden,
gewissermaßen als stumme Ermahner, zu Onkel Balduins Päck-
chen gelegt, und von dem wurde nun nicht mehr gesprochen. Liber
die junge Frau ging doch noch öfter an den Schreibtisch und
drehte und wendete und schüttelte das Päckchen; sie redete sich
dabei vor sich selber damit heraus, daß sie sich nur immer wieder
an den Karten für die Oper erfreue» wollte. Diese Schreibtisch-
besuche hatten aber wenigstens die nützliche Folge, daß die wider-
spenstige Schublade schließlich etwas leichter ging. —

Es war die erste Weihnacht der jungen Leute, und ihr Glück
bei der immerhin nicht üppigen Bescherung hätte jeden Menschen-
freund herzlich erfreut. And dann holte Paul das Päckchen von
Onkel Balduin heraus, und Erna mußte die Siegel lösen. Bei den
zwei ersten versuchte sie, ob es ihr — wie jenen Polizeimenschen
oder jenen Verbrechern — wohl möglich wäre, sie unversehrt
abzubekommen; das ging aber nicht, das dauerte zu lange,
und darum zerriß sie einfach die Papierhülle. Sie hatte recht
geraten: ein Pappschächtelchen war darunter gewesen. Es war
ein buntes, verziertes Schächtelchen; inan konnte es nicht gerade
als geschmackvoll, aber mit Rücksicht auf Weihnachten wenig-
stens als hübsch bezeichnen. Erna hob den Deckel ab: zwei Papp-
karten lagen darin, bedruckte Pappkarten-Eintrittskarten

für die Oper-zum ersten Feiertage — - zu den „Meister-

singern".

„Verflucht noch mal!" sagte Paul Klingler.

Erna aber begann: „Ich will jetzt nicht sagen, daß ich die
Klügere gewesen bin. Ich will nicht sagen, daß deine sogenannte
Standhaftigkeit dumm gewesen ist. Ich will nicht sagen, daß es

391
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Rücksichtsvoll" "Sicher ist sicher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weihnachten
Weihnachtsbaum
Brandschutz

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4507, S. 391

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen