o
Alarm: Der Christbaum brennt!
Ein Schuft
Wollkemper bäumte sich in ohnmächtiger Wut; er knirschte mit seinen Stift-
zähnen. Bebend erzählte er Dreischock, nachdem er dessen Neujahrswunsch matt
erwidert hatte, die auch wirklich jeden fühlenden Menschen empörende Geschichte.
„Man erlebt ja manchmal 'ne Gemeinheit am Neujahrsmorgen, wenn
die Post kommt. Darauf ist man gefaßt; man kann ja nicht nur mit an-
ständigen Leuten bekannt sein. Also: ich kriege heute früh 'ne anonyme Post-
karte. Schmähungen stehen darauf-pfui Deiwel! Aber die Landschrift
kam mir nicht unbekannt vor. Die hast du schon mal gelesen, denke ich mir.
Oder wenigstens so ähnlich, denn hier auf der Karte wird sie wohl etwas
verstellt sein. Der Sache sollte nachgegangen werden.
Dann gehe ich spazieren. Die Karte stecke ich zu mir. Damit ich sie gleich an-
sehen kann, falls mir unterwegs einfällt, wessen Landschrift das wohl sein könnte.
Da treffe ich Ziegelmacher. Ich mag ihn nicht, aber wir wünschen uns
ein gutes neues Jahr und gehen ein Stück zusammen. Ich denke immer an die
verfluchte Karte. „Sage» Sie mal," frage ich Ziegelmacher, „wissen Sie nicht
einen guten Graphologen?"
Ziegelmacher lacht. „Laha, heute am Neujahrstage fragen Sie nach 'nem
Graphologen! Laben wohl ein boshaftes Neujahrskärtchen von einem Ano-
nymus gekriegt, was?"
„Labe ich!" sage ich. „Da — sehen Sie sich die Sauerei an!"
Ziegelmacher kuckt sich die Karte ganz genau an. „Wird nicht so einfach
sein, den Absender von einem Graphologen ermitteln zu lassen. Er gehört
jedenfalls zu Ihrem Bekanntenkreise. Da müßten Sie nun dem Graphologen
alle möglichen Briefe und Karten geben, die Sie von Bekannten haben, damit er
vergleichen kann. Das ist doch 'ne Arbeit,
nicht wahr? Dafür kann der Mann doch
was verlangen. Ich sage Ihnen: unter
30 bis 40 Mark wird die Sache nicht zu
machen sein. Aber Sie können's billiger
haben, Verehrtester. Geben Sie mir fünf
Mark, und ich sage Ihnen, von wem die
Karte ist."
„Kennen Sie die Landschrist wirklich?"
frage ich.
„La, und ob! Gar keine Frage! Also
wie ist's: wollen Sie sich die Sache fünf
Mark kosten lassen?"
Gut, ich gebe Ziegelmacher fünf Mark.
Und was sagt der Kerl dann, der gemeine
Lund? Er grinst mich an und sagt: „Mein
lieber Lerr Wollkemper-die Karte
ist von mir!"
Und dabei hat er die Karte auch schon
eingesteckt, der Schuft, und schiebt mitLohn-
gelächter ab-der Schuft, der Schuft!"
402
Alarm: Der Christbaum brennt!
Ein Schuft
Wollkemper bäumte sich in ohnmächtiger Wut; er knirschte mit seinen Stift-
zähnen. Bebend erzählte er Dreischock, nachdem er dessen Neujahrswunsch matt
erwidert hatte, die auch wirklich jeden fühlenden Menschen empörende Geschichte.
„Man erlebt ja manchmal 'ne Gemeinheit am Neujahrsmorgen, wenn
die Post kommt. Darauf ist man gefaßt; man kann ja nicht nur mit an-
ständigen Leuten bekannt sein. Also: ich kriege heute früh 'ne anonyme Post-
karte. Schmähungen stehen darauf-pfui Deiwel! Aber die Landschrift
kam mir nicht unbekannt vor. Die hast du schon mal gelesen, denke ich mir.
Oder wenigstens so ähnlich, denn hier auf der Karte wird sie wohl etwas
verstellt sein. Der Sache sollte nachgegangen werden.
Dann gehe ich spazieren. Die Karte stecke ich zu mir. Damit ich sie gleich an-
sehen kann, falls mir unterwegs einfällt, wessen Landschrift das wohl sein könnte.
Da treffe ich Ziegelmacher. Ich mag ihn nicht, aber wir wünschen uns
ein gutes neues Jahr und gehen ein Stück zusammen. Ich denke immer an die
verfluchte Karte. „Sage» Sie mal," frage ich Ziegelmacher, „wissen Sie nicht
einen guten Graphologen?"
Ziegelmacher lacht. „Laha, heute am Neujahrstage fragen Sie nach 'nem
Graphologen! Laben wohl ein boshaftes Neujahrskärtchen von einem Ano-
nymus gekriegt, was?"
„Labe ich!" sage ich. „Da — sehen Sie sich die Sauerei an!"
Ziegelmacher kuckt sich die Karte ganz genau an. „Wird nicht so einfach
sein, den Absender von einem Graphologen ermitteln zu lassen. Er gehört
jedenfalls zu Ihrem Bekanntenkreise. Da müßten Sie nun dem Graphologen
alle möglichen Briefe und Karten geben, die Sie von Bekannten haben, damit er
vergleichen kann. Das ist doch 'ne Arbeit,
nicht wahr? Dafür kann der Mann doch
was verlangen. Ich sage Ihnen: unter
30 bis 40 Mark wird die Sache nicht zu
machen sein. Aber Sie können's billiger
haben, Verehrtester. Geben Sie mir fünf
Mark, und ich sage Ihnen, von wem die
Karte ist."
„Kennen Sie die Landschrist wirklich?"
frage ich.
„La, und ob! Gar keine Frage! Also
wie ist's: wollen Sie sich die Sache fünf
Mark kosten lassen?"
Gut, ich gebe Ziegelmacher fünf Mark.
Und was sagt der Kerl dann, der gemeine
Lund? Er grinst mich an und sagt: „Mein
lieber Lerr Wollkemper-die Karte
ist von mir!"
Und dabei hat er die Karte auch schon
eingesteckt, der Schuft, und schiebt mitLohn-
gelächter ab-der Schuft, der Schuft!"
402
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Alarm: Der Christbaum brennt!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4508, S. 402
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg