Zeichnung von ®. Kirchner
„Jetzt Hab ich ihm schon zwei Semmeln gegeben, und immer kommt er wieder. Der ist ja unersättlich!"
Der Blumenspender
Ein Auftraggeber war dazu keineswegs nötig, denn schon manches
Mal hatte sich bei einem Blumenpräsent der Spender zunächst
nicht genannt; das hatte der Dienstmann Anton Borstig schon
erlebt. Blieb nur noch die Bestimmungsstelle, und die konnte man
ja selber festsetzen — auf Grund der Erwägung, wo es das beste
Trinkgeld geben würde. Wer hatte denn in der Nachbarschaft
in der letzten Zeit sich am nobelsten gezeigt? Ah richtig!-
Gerade war am nächsten Abend Fräulein Koselütt aus ihrem
Geschäft nach Lause gekommen, da klingelte der Dienstmann
Borstig bei ihr. Er brachte in Seidenpapier einige langstielige
Nelken und stark, ja schon übermäßig aufgeblühte Rosen. „Für
Fräulein Koselütt!" sagte er und nahm dann jene, wie einem
momentanen Ruhebedürfnis und der Absicht, sich des nächsten
Ziels zu erinnern, entspringende Laltung an — — wie sie eben
ein Mensch annimmt, der kein Trinkgeld zu beanspruchen hat,
aber gern eins haben möchte.
Fräulein Koselütt gab sofort zwei Mark,
schloß die Tür hinter dem Dienstmann und
wunderte sich. Warum bekam sie Blumen?
Es war nicht ihr Geburtstag, und sie hatte
auch niemandem in den letzten Tagen eine
Gefälligkeit erwiesen, für die ein solcher
Dank abzustatten gewesen wäre. Werschickte
die Blumen? Es war keine Karte dabei.
Nun, vielleicht würde am nächsten Morgen
die Post Aufklärung bringen.
Die Post brachte nichts derartiges, aber
am Abend der Dienstmann wieder Blumen.
Diesmal schloß Fräulein Koselütt die Tür
150
nicht so schnell. Sie forschte. „Es ist ja keine Karte dabei?"
„Nee! Ist aber schon richtig-Fräulein Minna Koselütt,
Adelgundenstraße 7, eine Treppe. Na, das stimmt doch."
„Ja, aber wer schickt denn die Blumen?"
„Ein Lerr!" Diese Antwort war selbstverständlich für den
Dienstmann Anton Borstig.
„Ein Lerr-- ah so!" Fräulein Koselütt war einen Augen-
blick in Versuchung, dem Dienstmann einen ganzen Taler zu geben,
aus einem unklaren Freudegefühl heraus. Aber sie hielt sich zu-
rück und gab wieder zwei Mark, was ja auch ein klotziges Trink-
geld war. Sie hätte gern gefragt: „Wie sah der Lerr aus?" aber
das ging nicht; der Dienstmann hätte sich gewundert, daß sie nicht
einmal wußte, welcher Lerr ihr Blumen schickte.
Aber wer war es denn? Sie kannte keinen Lerrn, der Ver-
anlassung haben konnte, ihr Blumen zu schicken als ein Zeichen
-Ja, als ein Zeichen wofür? Der Verehrung? Aber nein!
Des Wunsches, sich ihr nähern zu dürfen?
Er mußte sie doch kennen, schon öfters ge-
sehen haben. War es jemand aus der Nach-
barschaft ihres Abonnementsplatzes in der
Oper? Oder ein Kunde ihres Geschäfts?
Es kamen da regelmäßig einige Lerren, die
sich auf dem Wege ins Büro Pfefferminz-
plätzchen kauften oder etwas Bitterschoko-
lade. Sollte es gar jener Lerr aus dem
Finanzamt sein, der sich jeden zweiten Tag
kandierten Ingwer holte? Wahrscheinlich
für einen kränkelnden, etwas nervösen Ma-
gen, von der aufreibenden Tätigkeit auf dem
Finanzamt.--
Unter Null
Ist wo die Ehestimmung matt.
Dann sagt der Mann: „Ich hab es satt!“
Und ist die Depression noch krasser,
Dann droht die Frau: „Ich geh ins Wasser!
Und wären alle Wesen kränkbar
Und ähnliches bei Fischen denkbar.
Dann spräch die Fischin : „Hadubrand,
Mit mir ist’s aus: ich geh an Land!“
fl. w.
„Jetzt Hab ich ihm schon zwei Semmeln gegeben, und immer kommt er wieder. Der ist ja unersättlich!"
Der Blumenspender
Ein Auftraggeber war dazu keineswegs nötig, denn schon manches
Mal hatte sich bei einem Blumenpräsent der Spender zunächst
nicht genannt; das hatte der Dienstmann Anton Borstig schon
erlebt. Blieb nur noch die Bestimmungsstelle, und die konnte man
ja selber festsetzen — auf Grund der Erwägung, wo es das beste
Trinkgeld geben würde. Wer hatte denn in der Nachbarschaft
in der letzten Zeit sich am nobelsten gezeigt? Ah richtig!-
Gerade war am nächsten Abend Fräulein Koselütt aus ihrem
Geschäft nach Lause gekommen, da klingelte der Dienstmann
Borstig bei ihr. Er brachte in Seidenpapier einige langstielige
Nelken und stark, ja schon übermäßig aufgeblühte Rosen. „Für
Fräulein Koselütt!" sagte er und nahm dann jene, wie einem
momentanen Ruhebedürfnis und der Absicht, sich des nächsten
Ziels zu erinnern, entspringende Laltung an — — wie sie eben
ein Mensch annimmt, der kein Trinkgeld zu beanspruchen hat,
aber gern eins haben möchte.
Fräulein Koselütt gab sofort zwei Mark,
schloß die Tür hinter dem Dienstmann und
wunderte sich. Warum bekam sie Blumen?
Es war nicht ihr Geburtstag, und sie hatte
auch niemandem in den letzten Tagen eine
Gefälligkeit erwiesen, für die ein solcher
Dank abzustatten gewesen wäre. Werschickte
die Blumen? Es war keine Karte dabei.
Nun, vielleicht würde am nächsten Morgen
die Post Aufklärung bringen.
Die Post brachte nichts derartiges, aber
am Abend der Dienstmann wieder Blumen.
Diesmal schloß Fräulein Koselütt die Tür
150
nicht so schnell. Sie forschte. „Es ist ja keine Karte dabei?"
„Nee! Ist aber schon richtig-Fräulein Minna Koselütt,
Adelgundenstraße 7, eine Treppe. Na, das stimmt doch."
„Ja, aber wer schickt denn die Blumen?"
„Ein Lerr!" Diese Antwort war selbstverständlich für den
Dienstmann Anton Borstig.
„Ein Lerr-- ah so!" Fräulein Koselütt war einen Augen-
blick in Versuchung, dem Dienstmann einen ganzen Taler zu geben,
aus einem unklaren Freudegefühl heraus. Aber sie hielt sich zu-
rück und gab wieder zwei Mark, was ja auch ein klotziges Trink-
geld war. Sie hätte gern gefragt: „Wie sah der Lerr aus?" aber
das ging nicht; der Dienstmann hätte sich gewundert, daß sie nicht
einmal wußte, welcher Lerr ihr Blumen schickte.
Aber wer war es denn? Sie kannte keinen Lerrn, der Ver-
anlassung haben konnte, ihr Blumen zu schicken als ein Zeichen
-Ja, als ein Zeichen wofür? Der Verehrung? Aber nein!
Des Wunsches, sich ihr nähern zu dürfen?
Er mußte sie doch kennen, schon öfters ge-
sehen haben. War es jemand aus der Nach-
barschaft ihres Abonnementsplatzes in der
Oper? Oder ein Kunde ihres Geschäfts?
Es kamen da regelmäßig einige Lerren, die
sich auf dem Wege ins Büro Pfefferminz-
plätzchen kauften oder etwas Bitterschoko-
lade. Sollte es gar jener Lerr aus dem
Finanzamt sein, der sich jeden zweiten Tag
kandierten Ingwer holte? Wahrscheinlich
für einen kränkelnden, etwas nervösen Ma-
gen, von der aufreibenden Tätigkeit auf dem
Finanzamt.--
Unter Null
Ist wo die Ehestimmung matt.
Dann sagt der Mann: „Ich hab es satt!“
Und ist die Depression noch krasser,
Dann droht die Frau: „Ich geh ins Wasser!
Und wären alle Wesen kränkbar
Und ähnliches bei Fischen denkbar.
Dann spräch die Fischin : „Hadubrand,
Mit mir ist’s aus: ich geh an Land!“
fl. w.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Jetzt habe ich ihm schon zwei Semmeln gegeben, und immer kommt er wieder."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4519, S. 150
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg