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Fahndung

Von Curry

Wir saßen in unserm kleinen Privatklub, fünf bessere Lerren,
und warteten auf den sechsten. Keiner sagte etwas, keiner wagte,
die beschauliche Ruhe des andern zu stören, was durchaus dem
Zweck eines Klubs von verheirateten Männern entspricht.

Plötzlich gab es Georg hinter seiner Zeitung einen Ruck.
Er wollte etwas sagen. Vierfaches Stirn-
runzeln antwortete ihm, bevor er noch be
ginnen konnte. Aber er sagte es doch:

„Leißt dein Schwager nicht Scheunen-
tanz, Willi?" fragte er. Willi stieß den
unwilligen Laut des aus der Suhle auf-
geschreckten Wildschweins aus.

„Und mit Vornamen?" inquirierte
Georg weiter. „Konrad?"

Sekunden vergingen. Die Klubleute er-
warteten Katastrophen. Wie konnte Georg
es wagen, Willi hier an seinen Schwager
zu erinnern, mit dem er, wie jedermann
wußte, schwer übers Kreuz stand?

Aber Georg schwenkte unbeirrt sein
rotes Tuch weiter. „Sein Wagen ist ein
gelblackierter Lorch - Achtzylinder, nicht
wahr?"

„Und was soll das?" fauchte Willi.

„Mit der Nummer 762119. Er ist ihm
gestohlen worden, und man fahndet öffent-
lich in den Zeitungen danach."

Niemand sagte ein Wort.

Willi steckte sich umständlich eine Zi-
garre an, leerte ein Glas Portwein, streckte
wohlig die Beine aus und sagte:

„Loffentlich bekommt er ihn wieder I"

Einiges Meckern ließ sich hören.

Einer zitierte halblaut wie für sich:

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!,
während Georg unverblümt Wie? fragte.

„Loffentlich bekommt mein Schwager
sein Auto recht bald wieder!" wiederholte
Willi pointiert. Dann fuhr er fort:

„Wie ich bemerke, schiebt man mir hier
weder allgemein menschenfreundliche Ab-
sichten noch ausgeprägten Familiensinn
unter. Vielleicht bringt es einige Klarheit,
wenn ich erzähle, wie mir mein eigenes Auto
gestohlen wurde, und wie ich es wieder bekam.

Also eines Tages trete ich auf die
Straße, schwinge mich in den Führersitz,
ziehe ein paar Level. Mein Auto macht
einen Ruck, gibt hinten einen Schuß von
sich und röchelt ein wenig. Ich erwache aus
einer leichten Narkose, die auf dem soliden
Untergrund von fünf Cr£me Noisette und sechs Eiskümmeln fun-
diert war.

Jemand war mit meinem königlichen blausilbernen Vierzig-
pferdigen davongefahren und hatte mir dafür etwas stehenlassen,
das entfernt an ein Kreuzungsprodukt von einem Spirituskocher
mit einem Larmonium erinnerte.

Im Kühler kochte das Wasser, und wenn mail sich in die
Polster fallen ließ, intonierte die Federung das schöne Lied:
O du fröhliche!

Die polizeilichen Recherchen waren vergebens, aber die rührige
Tageszeitung „Die Fanfare" nahm sich meiner an und alarmierte

Andankbar

„Dabei hast du so geschimpft, daß ich
den langen Rock angezogen habe!"

das Publikum. Schon am nächsten Tag gelang es einem Klavier-
stimmer, der mit zehn Kollegen auf dem Leimweg war, das
Auto zu stellen. Die forschen jungen Leute schwangen sich während
der Fahrt hinauf und bearbeiteten den Dieb mit Stimmgabeln
und einer Sorte von zweizinkigen Nadeln, die sie zum Aufstechen
der Äammerfilze benutzen. Darauf nahm
die Polizei den Mann, der so viele Löcher
hatte wie ein Bimsstein, in Schutzhaft.

Ich konnte mein Auto unversehrt gegen
Abend aus den Länden der zehn Klavier-
stimmer in Empfang nehmen. Daß die An-
gelegenheit mich fünfzig große Dunkle
kostete, will ich nur nebenbei erwähnen
Selig gondelte ich heimwärts.

Als es am Königsplatz ein längeres
Stop gab, saß plötzlich ein Mann neben mir.

„Lerr," sagte er, „nehmen Sie mich
doch zu einem Arzt mit! Ich bin zwar schon
viermal überfahren worden, aber man ge-
wöhnt sich nie so recht daran, und eben das
war denn doch ein bißchen zu arg. Ich
glaube, meine Milz ist zerrissen."

„Um Gottes Willen, ist Ihnen ein Auto
über den Bauch gefahren?"

„Nee, über das Schienbein."

Ohne mich weiter in anatomische Er-
örterungen über den Sitz innerer Organe
einzulassen, fuhr ich den Mann vor eine
Klinik, aber er hatte es sich inzwischen an-
ders überlegt und wollte nach Lause.

Er wohnte in Rammelsdorf, eine gute
halbe Stunde mit dem Auto.

Vor einer Wirtschaft gebot er Lalt und
pfiff durchdringend auf zwei Fingern. Fünf
Männer stürzten heraus.

„Lurra, Iungens," rief der Mann mit
der geplatzten Milz, „hier ist er. Auf ihn!"

Schon nach Bruchteilen von Sekunden
merkte ich, daß sie m i ch meinten. Aber es
war zu spät, ich wurde überwältigt, man
schnitt mir die Losenträger durch und führte
mich ins Spritzenhaus. Es dauerte lange,
bis ich die Männer dazu brachte, sich meine
Papiere anzusehen und ihnen zu beweisen,
daß ich der rechtmäßige Besitzer des Wa-
gens war. Da ließen sie mich ziehen, aber
die Rammelsdorfer Angelegenheit kostete
mich außer einem zerfetzten Anzug und ei-
nem Stich von einer Mistgabel noch 51
große Nordhäuser Korn.

Auf dem Leimweg kam ich an einer
Waldwiese vorbei. Lier waren Spitzzelte aufgerichtet, Lagerfeuer
brannten, und junge Indianer übten sich im Werfen des Toma-
hawks. Ueber dem Läuptlingszelt hing ein Schild: Iugendbund
Winnetou.

Ehe ich auch nur: Papp! sagen konnte, hatte mich ein o-beiniger
junger Apache, den sie den „geschweiften Mokassin" nannten, mit
dem Lasso aus meinem Wagen herausgefischt. Ich wurde ge-
fesselt und an einen Baum gebunden. Zwei Wächter hockten sich
neben mich. Sie bissen gemeinsam Stücke von einer Touristen-
wurst ab und prüften die Schärfe ihrer Kriegsbeile mit dem
Daumen.


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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Undankbar"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4536, S. 5

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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