Fliegende Blätter (177.1932 (Nr. 4556-4561) = 88. Jahrg.)

Der Heufchreck

Ein Heufchreck feinen Schreck verlor,
Da kam er fich unmöglich vor,
Denn dies Gefühl war ihm ganz neu:
Kein Heufchreck mehr, nein, nur
noch Heu !

Doch hat dies Heu fich inftinktiv
Den Schreck, der ihm durchs
Rückgrat lief,

Gleich hinten wieder angeklebt,
Worauf der Heufchreck weiter lebt.

Daniel Docht

Grob

„Gestern haben wir den berühmten
Gedankenleser auf die Probe gestellt. Bei
mir hat er vollständig versagt!"

„Nichts zu lesen da?"

Schellenbaums, das junge Ehepaar,
wohnen in Leidelberg, und der alte Onkel
Kaludrigkeit in Piktupönen bei Tilsit.

Herrschaften, was geschieht? Onkel Kalu-
drigkeit hat sich auf die Bahn gesetzt, ist
Tag und Nacht gefahren und taucht bei
Schellenbaums in Leidelberg auf. Was
ist dem alten Knaben auf einmal einge-
fallen?

Onkel Kaludrigkeit erklärt: „Das Hab ick
schon lange vorgehabt, Kinder. Einmal wollte
ich doch noch hierher. Vor dreißig Jahren
bin ich hier nämlich auf der Lochzeitsreise
gewesen. And da war ich sehr glücklich."

Schellenbaums fragen: „Ja, Onkelchen,
warum hast du denn aber die Tante nicht
mitgebracht?"

„Ich wollte diesmal auch sehr glücklich
sein." —on.

„Leda, Siel Können Se nich: ,Leise — leise, fromme Weise" blasen?"

Eine Aenderung in der Besetzung

Von Peter Robinson

Es ist 7 Ahr 15 Minuten abends oder, wie die mehr fort-
geschrittenen Leute sagen: 19 Ahr 15. Zn einer Viertelstunde —
aber es wird wohl ein paar Minuten länger dauern — soll die
Oper anfangen: „Der Troubadour." Ganz vereinzelt kommen die
ersten Besucher an, und die große Vorhalle ist noch öde und leer;
nur in dem Seitenraum, wo die Abendkasse ist, haben sich zwei
oder drei Dutzend Menschen aneinander gereiht. Sie bilden eine
Schlange. Richtiger wäre Bandwurm, da das Gebilde ja aus
einzelnen Gliedern besteht, aber Bandwurm ist zu häßlich. Schlange
klingt besser.

Da kommt Bullack an. Großartig tritt er durch das Mittel-
portal ein, aber da er dann die Vorhalle so leer sieht, wird ihm
der Weg über die glatten Fliesen schwierig; er muß sich Mühe
geben, in dieser Vereinsamung mit einigem Anstand dahinzu-
schreiten. Bullack ist keineswegs betrunken, er sieht nur einen
leichten Nebel um sich. Er hat bis jetzt mit einigen Freunden
zusammen gesessen, weil heute sein Geburtstag ist, und sich nur
mit Bedauern von ihnen getrennt. Aber er hatte nun einmal
die Karte für die Oper; bereits vor einer Woche hatte er sie im
Vorverkauf erstanden, eben für seinen Geburtstag.

Bullack hat glücklich eine der zum Parkett führenden Türen
erreicht. Da hängt ein Theaterzettel und darunter ein Blatt mit
zwei handschriftlichen Zeilen in dicken Blaustistzügen. Das fällt
Bullack auf. „Nanu?" sagt er und dann, als er gelesen hat:
„Aha! So ist's recht!" And dann eilt er, diesmal wackelnd und
ohne Sorge um Äaltung, an die Kasse.

Die Schlange brummt und schimpft, denn Bullack will nicht
ihr äußerstes Schwanzende, sondern sofort den Kopf bilden, was
gegen die Ordnung ist. Aber Bullack schwenkt seine Karte und
begütigt: „Will nur zurückgeben, meine Herrschaften!" Das ge-
fällt der Schlange, denn das Äaus wird vielleicht gleich ausver-
kauft sein, und also kann man sich freuen, wenn eine Karte zu-
rückgebracht wird.

Bullack feuert die Karte durch das Fensterchen. „Bitte —
Geld zurück!"

Der Kassierer aber nimmt die Karte nicht auf. „Warum,
mein Herr?"

„Ist was geändett, paßt mir nicht. Da steht angeschrieben:
,Wegen Erkrankung des Herrn Zünder hat die Partie des Manrico
Herr Linde übernommen". — Mag ich nicht — Geld wiedergeben."

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