Zeichnung von E. Croissant
Zeitbestimmung „Nach meiner Müdigkeit ist es drei Ahr, nach meiner
Uhr vier Ahr und nach meinem Lunger fünf Ahr früh."
Eine Aenderung in der Besetzung
Der Kassierer hat seine Vorschriften. „Bedauere, mein Lerr!
Aenderungen in der Besetzung berechtigen nicht zur Rückgabe
einmal gelöster Karten."
„Oho, da könnten Sie ja machen, was Sie wollen. Man denkt,
man wird den Lohengrin sehen, und aus einmal kommt der Kasperl."
„Das wäre ja etwas ganz anderes, mein Lerr. Wenn heute
nicht, wie angekündigt, der ,Troubadour" gegeben würde, sondern
etwa der ,Freischütz" — dann könnten Sie Ihr Billett zurückgeben."
Bullack schüttelt behaglich den Kopf. „Nee — ,Freischütz" wäre
mir gerade recht. Die Wolfsschlucht ist fein. Da kommt ein
wildes Schwein über die Bühne gelaufen. Sagen Sie mal: Laben
Sie ein ordentliches Schwein? Ein dickes, großes Schwein?"
Jetzt aber mischt sich die Schlange ein; sie will recht schnell
verkleinert werden und die Verzögerung nicht dulden. Es wird
laut geschimpft. Linken im Kassenraum ist noch ein anderer
102
Beamter, wahrscheinlich ein Ober-
kassierer. Er übernimmt die An-
gelegenheit und bittet Bullack, in
das Büro einzutreten — durch ein
Seitenpförtchen. Bullack folgt
gern; er nimmt sich gleich einen
Stuhl, und nun, dauerhaft sitzend,
ist er zu breiter Rede geneigt.
„Wie ich schon sagte: den Frei-
schütz" ließe ich mir gefallen. Aber
das würde sich heute wohl doch
nicht machen lassen; das sehe ich
ein, ich bin ja nicht unvernünftig.
Schädel Na, ein andermal! So-
wie er gegeben wird, komme ich.
Wenn Sie mir garantieren, daß
ein ordentliches Schwein auftritt,
können Sie mir gleich eine Karte
reservieren."
Der Oberkassierer geht nicht
auf das Schwein ein. „Leute ist
also, und gleich wird er anfangen,
der ,Troubadour". Den wollten
Sie doch hören; dazu haben Sie
einen Platz genommen. Nun ist
aber Lerr Zünder, der den Man-
rico singen sollte, eben erkrankt;
an seiner Stelle singt Lerr Linde."
Bullack bleibt hartnäckig. „Das
paßt mir aber nicht. Ich will
Zünder hören. Der kann fabelhaft
brüllen."
Der Oberkassterer geht gutmü-
tig auf das Brüllen ein. „Lerr
Linde wird auch sehr brüllen. Ich
bitte Sie, mein Lerr: Ambesetzun-
gen sind doch immer nötig. Wie
leicht ist ein Sänger oder eine
Sängerin indisponiert. Wenn da
immer alle Leute ihr Eintritts-
geld zurückhaben wollten — —
wo kämen wir da hin! Nein, Am-
besetzungen müssen wir uns na-
türlich Vorbehalten."
„So? Da können Sie ja, wenn
es Ihnen gefällt, den nächsten
Dienstmann holen."
„Sie übertreiben, mein Lerr."
„Schön—dann nicht den Dienst-
mann. Aber z. B. meinen Vetter
Julius. Der bildet sich ein, singen zu können. Der singt überall,
wo er eingeladen ist. Neulich hat er aus einer Gesellschaft bei
Schwetzingers die Arie aus dem ,Postillon von Lonjumeau" ge-
sungen. Sie werden ja wissen: ,-stolz und froh, Postillon
von Lonjumeau". And auch eine Peitsche hat er gehabt und da-
mit geknallt. And dabei hat er, weil die Schnur so lang war,
drei Weingläser umgeschmissen, und der Frau Schwetzinger hat
er um die Ohren gehauen. Die Tränen sind der bedauernswerten
Frau gekommen. Stellen Sie sich vor: wenn Sie meinen Vetter
Julius für einen Ihrer Sänger mal einspringen lassen würden.
Das wäre doch furchtbar! And da sollte man nicht das Recht
haben, sein Billett zurückzugeben? Sowas dürfen Sie nicht machen.
Sie müssen viel mehr Rücksicht auf das Publikum nehmen. Sonst
gehen die Leute in den Tonfilm. Da gibt es keine Ambesetzungen;
da treten die Leute auf, die angezeigt sind. Darauf kann man
sich verlassen, das ist bombensicher." (Fortsetzung Sette i04)
Zeitbestimmung „Nach meiner Müdigkeit ist es drei Ahr, nach meiner
Uhr vier Ahr und nach meinem Lunger fünf Ahr früh."
Eine Aenderung in der Besetzung
Der Kassierer hat seine Vorschriften. „Bedauere, mein Lerr!
Aenderungen in der Besetzung berechtigen nicht zur Rückgabe
einmal gelöster Karten."
„Oho, da könnten Sie ja machen, was Sie wollen. Man denkt,
man wird den Lohengrin sehen, und aus einmal kommt der Kasperl."
„Das wäre ja etwas ganz anderes, mein Lerr. Wenn heute
nicht, wie angekündigt, der ,Troubadour" gegeben würde, sondern
etwa der ,Freischütz" — dann könnten Sie Ihr Billett zurückgeben."
Bullack schüttelt behaglich den Kopf. „Nee — ,Freischütz" wäre
mir gerade recht. Die Wolfsschlucht ist fein. Da kommt ein
wildes Schwein über die Bühne gelaufen. Sagen Sie mal: Laben
Sie ein ordentliches Schwein? Ein dickes, großes Schwein?"
Jetzt aber mischt sich die Schlange ein; sie will recht schnell
verkleinert werden und die Verzögerung nicht dulden. Es wird
laut geschimpft. Linken im Kassenraum ist noch ein anderer
102
Beamter, wahrscheinlich ein Ober-
kassierer. Er übernimmt die An-
gelegenheit und bittet Bullack, in
das Büro einzutreten — durch ein
Seitenpförtchen. Bullack folgt
gern; er nimmt sich gleich einen
Stuhl, und nun, dauerhaft sitzend,
ist er zu breiter Rede geneigt.
„Wie ich schon sagte: den Frei-
schütz" ließe ich mir gefallen. Aber
das würde sich heute wohl doch
nicht machen lassen; das sehe ich
ein, ich bin ja nicht unvernünftig.
Schädel Na, ein andermal! So-
wie er gegeben wird, komme ich.
Wenn Sie mir garantieren, daß
ein ordentliches Schwein auftritt,
können Sie mir gleich eine Karte
reservieren."
Der Oberkassierer geht nicht
auf das Schwein ein. „Leute ist
also, und gleich wird er anfangen,
der ,Troubadour". Den wollten
Sie doch hören; dazu haben Sie
einen Platz genommen. Nun ist
aber Lerr Zünder, der den Man-
rico singen sollte, eben erkrankt;
an seiner Stelle singt Lerr Linde."
Bullack bleibt hartnäckig. „Das
paßt mir aber nicht. Ich will
Zünder hören. Der kann fabelhaft
brüllen."
Der Oberkassterer geht gutmü-
tig auf das Brüllen ein. „Lerr
Linde wird auch sehr brüllen. Ich
bitte Sie, mein Lerr: Ambesetzun-
gen sind doch immer nötig. Wie
leicht ist ein Sänger oder eine
Sängerin indisponiert. Wenn da
immer alle Leute ihr Eintritts-
geld zurückhaben wollten — —
wo kämen wir da hin! Nein, Am-
besetzungen müssen wir uns na-
türlich Vorbehalten."
„So? Da können Sie ja, wenn
es Ihnen gefällt, den nächsten
Dienstmann holen."
„Sie übertreiben, mein Lerr."
„Schön—dann nicht den Dienst-
mann. Aber z. B. meinen Vetter
Julius. Der bildet sich ein, singen zu können. Der singt überall,
wo er eingeladen ist. Neulich hat er aus einer Gesellschaft bei
Schwetzingers die Arie aus dem ,Postillon von Lonjumeau" ge-
sungen. Sie werden ja wissen: ,-stolz und froh, Postillon
von Lonjumeau". And auch eine Peitsche hat er gehabt und da-
mit geknallt. And dabei hat er, weil die Schnur so lang war,
drei Weingläser umgeschmissen, und der Frau Schwetzinger hat
er um die Ohren gehauen. Die Tränen sind der bedauernswerten
Frau gekommen. Stellen Sie sich vor: wenn Sie meinen Vetter
Julius für einen Ihrer Sänger mal einspringen lassen würden.
Das wäre doch furchtbar! And da sollte man nicht das Recht
haben, sein Billett zurückzugeben? Sowas dürfen Sie nicht machen.
Sie müssen viel mehr Rücksicht auf das Publikum nehmen. Sonst
gehen die Leute in den Tonfilm. Da gibt es keine Ambesetzungen;
da treten die Leute auf, die angezeigt sind. Darauf kann man
sich verlassen, das ist bombensicher." (Fortsetzung Sette i04)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zeitbestimmung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4542, S. 102
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg