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„Wann wollen wir endlich öffentlich bekannt geben,
daß wir heimlich verlobt sind?"

Nur kein Interview I

Klaus Bock herzlich und strahlend. „Grüß Sie Gott!" sagt er
und schüttelt Bocks rechten Arm, daß er wie ein Pumpen-
schwengel schwingt. „Grüß Sie Gott! Mein lieber Lerr Doktor
— ich weiß natürlich, was Sie wollen; ich
kann mir das schon denken. Aber es geht nicht,
es geht wirklich nicht. Bitte, nehmen Sie Platz,
lieber Lerr Doktor! Trinken Sie einen Ver-
mouth mit mir! Ich dars doch einschenken, nicht
wahr? Ich trinke immer um diese Zeit einen
Vermouth. Geheimrat Mutzenbacher, mein vor-
trefflicher, aufopfernd um mein Wohl besorgter
Arzt, hat mir das geraten."

Klaus Bock, zuerst entmutigt, wird durch die
Einladung wieder hoffnungsfroh.

„Ich gab mich allerdings der unbescheidenen
Erwartung hin, daß Sie, verehrter Meister, mir
einiges erzählen und mir auch gestatten würden,
ein paar Fragen --"

Der Sänger wehrt mit beiden Länden ab.

„Nein, lieber Lerr Doktor: nur kein Interview!

Bitte, bitte! Ich bin grundsätzlich dagegen, unter keinen
ständen bin ich dafür zn haben."

„Das Publikum liest das aber so gern."

„Ich weiß, lieber Lerr Doktor. Aber ich will das nicht unter-
stützen. Das mögen jene eitlen Schwätzer tun, deren es
ja so manche unter den Kollegen gibt. Mir liegt das
nicht. Nur meine künstlerische Leistung soll für die Leute
da sein — als Mensch gehe ich sie, rundheraus gesagt,
einen Dreck an. Ich will mein Leben für mich haben,
nicht für die Oefftntlichkeit. Ich weiß, lieber Lerr Dok-
tor: da will man Anekdoten haben, nette kleine Geschich-
ten aus dem Leben des Künstlers von Kindesbeinen
_ _ aber ich mag sowas nicht vors Publikum
zerren. Sonst-o, was könnte ich Ihnen alles er-

zählen! Denken Sie, lieber Lerr Doktor: Als ich sechs
Jahre alt war und in die erste Vorschulklasse des da-
mals Königlichen Gymnasiums zu Pritzbrück kam, sollte
ich singen: Komm lieber Mai! Mein Lehrer schüttelte
dazu den Kopf und sagte: Na, der Rabe zählt zwar
auch zu den Singvögeln, aber er krächzt doch nur greu-

lich. Du, mein Junge, wirst auch dein Lebe» lang nur greulich
krächzen. Laha, das hat mein Lehrer in der ersten Vorschulklasse
des damals Königlichen Gymnasiums zu Pritzbrück gesagt. Inte-
reffant, nicht wahr? Aber das mag ich nicht erzählen; viele Eltern
von Knaben, die jetzt auch nur greulich krächzen, würden sich
dann Loffnungen machen. Dann auf einmal war mit dem Stimm-
wechsel bei mir auch die Stimme da. Sozusagen: Ich erwachte
eines Morgens und konnte singen. Ich weiß es noch, als wenn
es gestern gewesen ist. Ich war in der Operette ,NanoiL ge-
wesen, heimlich, denn uns Gymnasiasten war der Besuch solcher
Vorstellungen verboten. Angeheuer begeistert war ich, und am
nächsten Morgen sang ich: ,Nanon, zu dir ist mein liebster Gang ll
Ja, und da ging es auf einmal, ich konnte singe». Aber dadurch
kam mein Theaterbesuch heraus, und ich bekam drei Stunden
Karzer. Aber das braucht doch die Welt nicht zu wissen."

Klaus Bock, der einen Notizblock auf den Knien hält, notiert
eifrig. Kracks der Bleistift bricht ihm ab. Auf dem Tisch liegen
ein Dutzend Bleistifte; der Sänger reicht ihm einen. „Bitte,
lieber Lerr Doktor! — Verschwiegen sei auch der Welt, wie ich
dann zur Oper kam. Auf den Wunsch meines guten Vaters,
der leider meinen glanzvollen Aufstieg nicht mehr erlebe» durfte,
widmete ich mich dem Postdienst. Aber, wenn es irgend ging,
besuchte ich die Oper. O, ich habe manches Mal auf mein Abend-
essen verzichtet, um mir eine Eintrittskarte kaufen zu können.
Ja, und dann-dann fuhr ich einmal als junger Postassi-

stent mit der Bahnpost. In Bebra hielt der Zug längere Zeit.
Es war in einer herrlichen Sommernacht, so gegen zwei Ahr.
Ich sah aus meinem Postwagen hinaus, ich schaute auf die im
sommerlichen Dämmern daliegende Landschaft, und da stimmte
ich unwillkürlich das Notturno aus ,Alessandro
StradelltL an: Durch die Täler, über Lügel. —
Eigentlich durfte ich das ja nicht. Denken Sie,
mein lieber Doktor: ein Postassistent singt nachts
auf dem Bahnhof Bebra eine Ariel Auf dem
Gleis nebenan stand ein Zug mit Schlafwagen.
Ja, und da kletterte aus einem Schlafwagen ein
Lerr im Nachtanzug und stürzte auf mich los —
es war der leider zu früh verstorbene treffliche
Intendant Santory. Im Nachtanzug stand er da
und bestürmte mich mit Fragen. Ja, und dann
fuhr auf einmal sein Zug ab. Toll, was? Aber
es war ihm egal — er hatte ja eben einen Tenor
entdeckt. Er mußte sich dann von einem Schaffner
einen Eisenbahnermantel borgen und eine Mütze.
Ach ja, der gute Santony!"

Der Sänger trinkt seinen Vermouth aus und
lächelt träumerisch vor sich hin. „Ja, das sind Geschichten, die
ich der Welt lieber vorenthalte. Sonst würden am Ende, wer
weiß, wie viele Postassistenten in Bahnpostwagen bei nächtlichem
Aufenthalt an wichtigen Kreuzungspunkten singen, in Bebra,

Auch ein Lippen-Stift

Arahne, Großmutter,
Mutter und Kind

Am-

135
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wann wollen wir endlich öffentlich bekannt geben, daß wir heimlich verlobt sind?" "Urahne, Großmutter, Mutter und Kind" "Auch ein Lippen-Stift"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4544, S. 135

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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