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Zeichnung von H. Frank

MW


„Wenn ick mit's Boot umschmeiße, Holste mir denn 'raus, Oskar?"'
„Da kannste lange warten!"

„Ick Hab' mir aber deine Ahr injesteckt!"


Bockelbergs merkwürdiges Benehmen

also doch noch, obwohl er mich damals, in jener großen Gesell-
schaft, gar nicht beachtet zu haben schien. Ein fabelhaftes Ge-
dächtnis muß er haben. And was für Augen! Daß der Mann
da drüben der Oberforstrat Bockelberg ist, weiß ich ja nur, weil
ich gestern das Schild gelesen habe; sein Gesicht kann ich über
den weiten Platz hinweg nur undeutlich sehen. Aber er muß
mich doch ganz genau gewahren; Augen wie ein Adler muß er
haben. Nun ja, ein Forstmann!

Wirklich angenehm überrascht, verbeuge ich mich und trete
dann ins Zimmer zurück. Ja, nun habe ich hier in der Gegend
doch einen Bekannten, denke ich, und da er mich so liebenswürdig
begrüßt hat, muß ich ihm wohl einen Besuch machen. Aber heute
geht es noch nicht, da habe ich keine Zeit.

Weiter! Du weißt, daß ich ein genau nach der Ahr seinen
Tag abspinnender Mensch bin. Am nächsten Morgen trete ich
genau zur gleichen Minute an mein Fenster. Bockelberg muß auch
seine regelmäßigen Gewohnheiten haben, denn drüben geht die
Tür nach der Altane auf, und er tritt hinaus. And wieder grüßt
er mit munterem Winken, was ich mit einer Verbeugung erwidere.
Denn gleichfalls zu winken, kann ich mich nicht entschließen, weil
ich ein jüngerer Mann bin und Bockelberg ein würdiger Greis.
Aber einen Besuch muß ich ihm nun doch machen; das wird er
jedenfalls erwarten.

Gut. Am Nachmittag um 5 komme ich aus dem Büro zurück
und gehe gleich zu Bockelberg heran. Eine Haushälterin öffnet,
die mich sehr abweisend ansieht und meine sparte nur wider-
strebend nimmt. Sie läßt mich auch nicht eintrete», ich muß draußen
bleiben. Aber wenigstens läßt sie die Tür offen. And da höre ich
nun Bockelbergs Stimme mit einem wilden Geschrei; er tobt ge-
radezu, und greuliche Flüche erreichen mein Ohr. Ich nehme erst
an, daß dies der Haushälterin gilt, über die Bockelberg sich viel-
leicht heute geärgert hat, aber sie kommt ganz gelassen, ja heiter

zurück und hält mir meine Karte wieder hin. „Na, nun nehmen
Sie doch schon!" sagt das Weibsbild grob. „Der Herr Oberforst-
rat kennt Sie nicht und hat keine Lust, neue Bekanntschaften zu
machen. Er läßt Ihnen sagen. Sie sollen ihn ungeschoren lassen."
And dann knallt sie die Tür zu.

Ich kann dir gar nicht beschreiben, mein Lieber, wie ich nun
dastand, und in welcher kläglichen Gemütsverfassung ich abzog,
ja geradezu mich davonschlich. Welche Demütigung hatte ich er-
leben müssen, welche unverdiente Kränkung! Was Hatteich denn
getan, daß mir solche Behandlung widerfahren durfte? Still und
harmlos wie Tell in seinem Schweizerhäuschen — wenigstens be-
hauptet er das in seinem Monologe — hatte ich in meiner netten
kleinen Wohnung am Baltischen Platz leben wollen. Da hatte
ich Bockelberg gesehen, von dem ich annehmen mußte, daß er sich
meiner nicht im geringsten erinnerte. Ich hatte mich ihm nicht
aufdrängen wollen, aber er hatte mich begrüßt, freundlich hatte
er gewinkt, und da wäre es doch unhöflich gewesen, wenn ich mich
nicht bei ihm eingestellt hätte. And nun läßt mich der Kerl ab-
weisen, geradezu hinausschmeißen. Er muß verrückt sein, denn
ein solches Amschwenken der Laune geht doch über das Normale
hinaus. Jedenfalls werde ich mich um den infamen alten Grobian
nicht mehr kümmern.-

Weißt du, ich hatte mich so geärgert, daß ich schlecht schlief
und dann eine halbe Stunde länger liegen blieb; ich ging dann
auch gar nicht ans Fenster, weil ich so spät daran war. Aber
am zweiten Morgen nach der jämmerlichen Abfuhr an Bockel-
bcrgs Tür fchaue ich doch wieder zur gewohnten Minute auf den
leider nicht mit Bäumen oder wenigstens großen Stränchern be-
standenen Platz hinaus. And richtig — der Oberforstrat zeigt sich
auch. And was tut er? Der Kerl grüßt! Er winkt liebevoll, als
wäre gar nichts vorgefallen. Bums — habe ich das Fenster zu-
geknallt. Das werde ich mir doch nicht gefallen lassen. Ich bin
doch kein sogenannter Spielball der Laune eines alten Narren.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wenn ick mit's Boot umschmeiße, holst mir denn 'raus, Oskar?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4558, S. 359

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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