Zwei Brüder
Wenn man sagen wollte, und viele
Leute tun das auch ohne Aeberlegung, Os-
kar und Willy Polster sähen einander so
ähnlich, wie ein Ei dem andern, so würde
das keineswegs stimmen. Denn zwischen
Eiern sind immer noch Unterschiede, schon
in der Größe. Lausfrauen werden das be-
stätigen. Nein, zwischen Oskar und Willy
Polster ist überhaupt kein Unterschied. Nur
ein Zahnarzt könnte vielleicht einen er-
mitteln, wenn er ihre Gebisse ansehen
würde. Aber das kommt ja nicht so oft
vor.
Dennoch haben sich in den letzten Jah-
ren keine Verwechslungen ergeben. Seit-
dem nämlich Oskar und Willy Polster in
sehr weit auseinander liegenden Stadttei-
len wohnen. Leute aber ist Willy zu seinem
Zwillinge Oskar gekommen, der mal was
mit ihm besprechen muß. Näheres geht
uns hier nichts an.
Da kommt noch ein Besuch zu Oskar
Polster, der Gerichtsvollzieher Trommler.
Oskar sieht ihn schon vom Fenster aus.
„Au verflucht, da rückt er an I" sagt er mit
einer wirklich unschönen Grimasse. „Du
weißt ja nu' Bescheid, Willy. Ich verdufte."
Und damit verschwindet Oskar Polster
durch die Lintertür; Willy Polster aber
kratzt sich den Kops, um nicht ganz unbe-
schäftigt dazusitzen.
Der Gerichtsvollzieher Trommler tritt
ein. „Ja, Lerr Polster, nun hilft das alles
nichts. Sie sind geladen worden, Sie sind
nicht gekommen — — jetzt muß ich Sie
dem Lerrn Amtsrichter vorführen."
„Sie haben die Gewalt," seufzt Willy
Polster. „Linter Ihnen steht die immerhin
bedeutende Macht des Staates, gegen den
ich manches Larte äußern könnte, wenn es
in diesem Augenblick nicht wenig objektiv
erscheinen würde. Tun Sie, mein Lerr, was
Sie tun müssen; erfüllen Sie Ihre Pflicht,
walten Sie Ihres Amtes!"
Eine Stunde später steht Willy Pol-
ster vor dem Amtsrichter Kägebein. Der
betrachtet ihn mit geschäftlicher Gemüts-
kälte und beginnt: „Sie sind also der Kauf-
mann Oskar Polster von hier, Pallisaden-
weg 19-
„Nee, Lerr Amtsrichter, da irren Sie
sich. Ich bin Willy Polster, Lussttenstraße 7.
Bitte - — ich Hab' grade meinen Paß da!"
Das gefällt dem Amtsrichter Kägebein
natürlich gar nicht. „Ja, was ist denn das
für eine Geschichte? Wie kommen Sie denn
hierher?"
„Wie soll ich hergekommen sein? Von
selber doch nicht; der Gerichtsvollzieher hat
mich mitgenommen. ,Lerr Polster" hat er
gesagt, ,nun hilft das alles nichts. Jetzt
muß ich Sie dem Lerrn Amtsrichter vor-
führen". — Na, da Hab ich mir eben ge-
dacht, das müßte so sein."
„Um Gottes Willen, Schatz, was stehst du denn nachts am Küchenherd?"
„Ja, weißt du, ich wollte dich morgen mit „Russischen Linsen" überraschen, und da
schreibt das Kochbuch, daß man eine Nacht lang eingeweichte Linsen kochen muß."
85
„Einen kuriosen Traum Hab' ich ge-
habt," erzählt Gloppkus seiner Gattin beim
Frühstück. „Wir gingen zusammen spazieren,
und du hattest dein neues Kostüm an. Es
hatte geregnet, und die Straße war wie
ein Morast. Da kam ein Auto an uns
vorbeigeflitzt, mitten durch den Dreck-
und da warst du von oben bis unten be-
spritzt."
„Empörend!" schreit Frau Gloppkus.
„Last du dir die Nummer gemerkt?"
2eni ist vom Lausherrn genau instru-
iert, wie Besucher angemeldet werden. Ein-
mal kommt ein sehr aufgeregter Lerr, der
mit Stentorstimme brüllt: „Ist der Lerr
Krause daheim? Ich will dem Burschen
eine runterhaun!"
„In welcher Angelegenheit, bitte?" er-
kundigt sich Leni.
Zeichnung von M, Claus
„Was haben Sie gedacht? Sie werden
mir doch nicht Vorreden wollen. Sie hätten
nicht gewußt, daß hier ein Irrtum des
Gerichtsvollziehers vorlag?"
„Warum denn nicht?" Willy Polster
macht eine Kunstpause; dann spricht er mit
Emphase: „Lerr Amtsrichter-kennen
Sie denn meine Verhältnisse?" —on.
Ein fernes Lief. Wie einsam ist die Welt,
So dunkel steht und schweigt der Buchenhain,
Und über mir der Himmel tief und rein.
Ein bleicher Stern, der schimmernd Wache hält.
Mit leisem Raunen ist der Wind erwacht;
Westlich verglimmt das letzte Tageslicht.
Und meine Seele schwingt sich in die Nacht
Und fliegt so weit— und sucht — und findet nicht.
v. Arnim.
Wenn man sagen wollte, und viele
Leute tun das auch ohne Aeberlegung, Os-
kar und Willy Polster sähen einander so
ähnlich, wie ein Ei dem andern, so würde
das keineswegs stimmen. Denn zwischen
Eiern sind immer noch Unterschiede, schon
in der Größe. Lausfrauen werden das be-
stätigen. Nein, zwischen Oskar und Willy
Polster ist überhaupt kein Unterschied. Nur
ein Zahnarzt könnte vielleicht einen er-
mitteln, wenn er ihre Gebisse ansehen
würde. Aber das kommt ja nicht so oft
vor.
Dennoch haben sich in den letzten Jah-
ren keine Verwechslungen ergeben. Seit-
dem nämlich Oskar und Willy Polster in
sehr weit auseinander liegenden Stadttei-
len wohnen. Leute aber ist Willy zu seinem
Zwillinge Oskar gekommen, der mal was
mit ihm besprechen muß. Näheres geht
uns hier nichts an.
Da kommt noch ein Besuch zu Oskar
Polster, der Gerichtsvollzieher Trommler.
Oskar sieht ihn schon vom Fenster aus.
„Au verflucht, da rückt er an I" sagt er mit
einer wirklich unschönen Grimasse. „Du
weißt ja nu' Bescheid, Willy. Ich verdufte."
Und damit verschwindet Oskar Polster
durch die Lintertür; Willy Polster aber
kratzt sich den Kops, um nicht ganz unbe-
schäftigt dazusitzen.
Der Gerichtsvollzieher Trommler tritt
ein. „Ja, Lerr Polster, nun hilft das alles
nichts. Sie sind geladen worden, Sie sind
nicht gekommen — — jetzt muß ich Sie
dem Lerrn Amtsrichter vorführen."
„Sie haben die Gewalt," seufzt Willy
Polster. „Linter Ihnen steht die immerhin
bedeutende Macht des Staates, gegen den
ich manches Larte äußern könnte, wenn es
in diesem Augenblick nicht wenig objektiv
erscheinen würde. Tun Sie, mein Lerr, was
Sie tun müssen; erfüllen Sie Ihre Pflicht,
walten Sie Ihres Amtes!"
Eine Stunde später steht Willy Pol-
ster vor dem Amtsrichter Kägebein. Der
betrachtet ihn mit geschäftlicher Gemüts-
kälte und beginnt: „Sie sind also der Kauf-
mann Oskar Polster von hier, Pallisaden-
weg 19-
„Nee, Lerr Amtsrichter, da irren Sie
sich. Ich bin Willy Polster, Lussttenstraße 7.
Bitte - — ich Hab' grade meinen Paß da!"
Das gefällt dem Amtsrichter Kägebein
natürlich gar nicht. „Ja, was ist denn das
für eine Geschichte? Wie kommen Sie denn
hierher?"
„Wie soll ich hergekommen sein? Von
selber doch nicht; der Gerichtsvollzieher hat
mich mitgenommen. ,Lerr Polster" hat er
gesagt, ,nun hilft das alles nichts. Jetzt
muß ich Sie dem Lerrn Amtsrichter vor-
führen". — Na, da Hab ich mir eben ge-
dacht, das müßte so sein."
„Um Gottes Willen, Schatz, was stehst du denn nachts am Küchenherd?"
„Ja, weißt du, ich wollte dich morgen mit „Russischen Linsen" überraschen, und da
schreibt das Kochbuch, daß man eine Nacht lang eingeweichte Linsen kochen muß."
85
„Einen kuriosen Traum Hab' ich ge-
habt," erzählt Gloppkus seiner Gattin beim
Frühstück. „Wir gingen zusammen spazieren,
und du hattest dein neues Kostüm an. Es
hatte geregnet, und die Straße war wie
ein Morast. Da kam ein Auto an uns
vorbeigeflitzt, mitten durch den Dreck-
und da warst du von oben bis unten be-
spritzt."
„Empörend!" schreit Frau Gloppkus.
„Last du dir die Nummer gemerkt?"
2eni ist vom Lausherrn genau instru-
iert, wie Besucher angemeldet werden. Ein-
mal kommt ein sehr aufgeregter Lerr, der
mit Stentorstimme brüllt: „Ist der Lerr
Krause daheim? Ich will dem Burschen
eine runterhaun!"
„In welcher Angelegenheit, bitte?" er-
kundigt sich Leni.
Zeichnung von M, Claus
„Was haben Sie gedacht? Sie werden
mir doch nicht Vorreden wollen. Sie hätten
nicht gewußt, daß hier ein Irrtum des
Gerichtsvollziehers vorlag?"
„Warum denn nicht?" Willy Polster
macht eine Kunstpause; dann spricht er mit
Emphase: „Lerr Amtsrichter-kennen
Sie denn meine Verhältnisse?" —on.
Ein fernes Lief. Wie einsam ist die Welt,
So dunkel steht und schweigt der Buchenhain,
Und über mir der Himmel tief und rein.
Ein bleicher Stern, der schimmernd Wache hält.
Mit leisem Raunen ist der Wind erwacht;
Westlich verglimmt das letzte Tageslicht.
Und meine Seele schwingt sich in die Nacht
Und fliegt so weit— und sucht — und findet nicht.
v. Arnim.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Um Gottes Willen, Schatz, was stehst du denn nachts am Küchenherd?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 178.1933, Nr. 4567, S. 85
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg