Der Ski-Uebnngshiigel im Frühjahr „Annamirl, jetzt konnst
dir's raussuachen, ob mir a Sportg'schäft oder a Lolzhandlung anfangen!"
Ein anonymer Brief
Adresse des Absenders versehen. O Limmel, hatte er
das auch mit dem Brief an Kurzhals getan? Aller-
dings, er hatte einen anderen Amschlag und hob sich
also heraus vor den anderen, aber dennoch — die rein
mechanische Anwendung des Stempels mochte sich ja
auch auf ihn erstreckt haben. Wie war das gewesen?
Nachdenken! Scharf sinnen! Die Erinnerung anspannen!
Pritzlaff kühlte den Kopf unter der Brause, nahm
Baldriantropfen zur Beruhigung und steckte sich eine
Zigarre an. Pfui Deiwel, der Baldriannachgeschmack
vertrug sich schlecht mit der Zigarre! Pritzlaff rieb sich
die Zunge mit dem Taschentuch ab — bäh, bäh! Dann
versuchte er, sich den Vorgang zu rekonstruieren. Lier
links hatte also der zuerst geschlossene Brief an Kurzhals
gelegen, hier vor ihm die andern. Als er die stempelte,
hatte er jedenfalls nicht »ach dem links liegenden Briefe
gegriffen. Also gut, dann war's ja in Ordnung! Aber
nein — er hatte doch auch Marken auf alle fünf Briefe
geklebt, und wenn er sie dann erst gestempelt hatte,
dann war ganz bestimmt auch der verfluchte Brief an
Kurzhals darunter gewesen. Entsetzlich!
Als nun Kurzhals —■ jetzt mußte es schon geschehen
sein! — den Brief bekommen hatte, da hatte er also
auf der Rückseite gelesen: Waldemar Pritzlaff. „Nanu, was will
denn der?" hat er gedacht. Dann hat er die Schmähverse ge-
lesen — daß es solche wären, gestand Pritzlaff in seiner Angst
sich jetzt selber ein — hat dabei jedenfalls empört geschnaubt
und ist schließlich an die Anterschrift gekommen: Ein erstaunter
Beobachter. Aber er als Empfänger ist auch erstaunt gewesen —
über den Blödsinn des Absenders, der sich damit der Vergeltung
auslieferte. Denn natürlich würde Kurzhals nach Vergeltung
lechzen, nach furchtbarer Rache. O, man weiß ja, wie tief ge-
kränkt, wie grausam erbittert verliebte ältere Lerren sind, wenn
über ihre Verliebtheit gespottet wird! Ein rasender Roland
würde Kurzhals sein, der den Beleidiger vor die Schranken des
Gerichtes zerren würde. Das wird eine Verhandlung werden! —
Pritzlaff schlotterte bei dem Gedanke».
Aber was konnte er jetzt tun? Sollte er zu Kurzhals eilen,
sich vor ihm »iederwerfen, seine Füße umklammern und winselnd
und Apoll schlägt selbst die Larse,
fleht mein sehnend Lied zu dir —"
um Verzeihung flehen? Sollte er sagen: „Ich habe gestern einen
akuten Anfall von Verrücktheit gehabt, und da habe ich die Verse
gemacht!"? Oder sollte er eine länger dauernde Geistesverwirrung
simulieren und sich in ein Sanatorium bringen lassen? Nein,
dabei versäumte er zuviel; das kostete auch eine Masse Geld, das
kann man sich nur leisten, wenn man bedeutende Anterschlagungen
begangen oder Betrügereien mit großen Gewinnen verübt hat.
„Ach was, ich bin es gar nicht gewesen!" brüllte Pritzlaff
und haute mit der Faust auf den Tisch, zur Bekräftigung eines
gewaltigen Entschlusses. „Wer will mir Nachweisen, daß ich es
gewesen bin? Auf meiner Schreibmaschine ist der Brief nicht
geschrieben worden, die hat ganz andere Lettern. And welche
olle Maschine dazu benutzt wurde — pah, kein Aas kann das
'rauskriegen. Ich bin es nicht gewesen, ich weiß von nichts. Wenn
auch mein Name nicht Lase ist! And der Stempel? Das ist ja
gerade der Lauptpunkt: mein Stempel ist einem bösen Menschen
in die Lände gefallen. Er hat ihn gestohlen, oder ich habe ihn
verloren — was weiß ich! Aber jener gemeine Mensch hat ihn
zu schändlichem Anfug benutzt. Nicht nur, daß er Kurzhals gegen
mich Hetzen will-nein, noch andere Sachen hat der Schuft
mit dem Stempel angestellt!"
Pritzlaff raste zum Lauptbahnhof, wo sich ein kleines Büro
befand, in dem man Briefe diktieren und auch selber Schreib-
maschinen benutzen konnte. Er ließ sich eine anweisen — das war
nicht so gefährlich, das würde schon nicht herauskommen und
tippte eiligst vier kurze Briefe:
„Delikatessenhandlung Rauchfuß. Wollen Sie mir, bitte,
sofort einen Prima Westfäler Schinken im Gewicht von 12 bis
15 Pfund zusenden."
„Musikhaus Äarmonie. Schicken Sie mir, bitte, für eine
Abendgesellschaft heute ein gutes Grammophon mit etwa 30
Platten — moderne Tänze, Schlager und Operettenpotpourris."
„Beerdigungsinstitut Pietät. Ich möchte Ihnen die Be-
stattung meiner soeben verstorbenen Tante übertragen und bitte
um den Besuch eines Ihrer Lerren."
„Lerrn Kammerjäger Tobias Knobbe. Bei mir sind Wanzen,
deren sachgemäße Vertilgung samt Vernichtung der Brut Sie
gefälligst übernehmen wollen."
Diese Briefe unterschrieb Pritzlaff nicht — er drückte seinen
Stempel darunter, den er dann, mit Bedauern über den Verlust,
hinter ein Läuschen in den nächsten Anlagen warf. Die Briefe
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dir's raussuachen, ob mir a Sportg'schäft oder a Lolzhandlung anfangen!"
Ein anonymer Brief
Adresse des Absenders versehen. O Limmel, hatte er
das auch mit dem Brief an Kurzhals getan? Aller-
dings, er hatte einen anderen Amschlag und hob sich
also heraus vor den anderen, aber dennoch — die rein
mechanische Anwendung des Stempels mochte sich ja
auch auf ihn erstreckt haben. Wie war das gewesen?
Nachdenken! Scharf sinnen! Die Erinnerung anspannen!
Pritzlaff kühlte den Kopf unter der Brause, nahm
Baldriantropfen zur Beruhigung und steckte sich eine
Zigarre an. Pfui Deiwel, der Baldriannachgeschmack
vertrug sich schlecht mit der Zigarre! Pritzlaff rieb sich
die Zunge mit dem Taschentuch ab — bäh, bäh! Dann
versuchte er, sich den Vorgang zu rekonstruieren. Lier
links hatte also der zuerst geschlossene Brief an Kurzhals
gelegen, hier vor ihm die andern. Als er die stempelte,
hatte er jedenfalls nicht »ach dem links liegenden Briefe
gegriffen. Also gut, dann war's ja in Ordnung! Aber
nein — er hatte doch auch Marken auf alle fünf Briefe
geklebt, und wenn er sie dann erst gestempelt hatte,
dann war ganz bestimmt auch der verfluchte Brief an
Kurzhals darunter gewesen. Entsetzlich!
Als nun Kurzhals —■ jetzt mußte es schon geschehen
sein! — den Brief bekommen hatte, da hatte er also
auf der Rückseite gelesen: Waldemar Pritzlaff. „Nanu, was will
denn der?" hat er gedacht. Dann hat er die Schmähverse ge-
lesen — daß es solche wären, gestand Pritzlaff in seiner Angst
sich jetzt selber ein — hat dabei jedenfalls empört geschnaubt
und ist schließlich an die Anterschrift gekommen: Ein erstaunter
Beobachter. Aber er als Empfänger ist auch erstaunt gewesen —
über den Blödsinn des Absenders, der sich damit der Vergeltung
auslieferte. Denn natürlich würde Kurzhals nach Vergeltung
lechzen, nach furchtbarer Rache. O, man weiß ja, wie tief ge-
kränkt, wie grausam erbittert verliebte ältere Lerren sind, wenn
über ihre Verliebtheit gespottet wird! Ein rasender Roland
würde Kurzhals sein, der den Beleidiger vor die Schranken des
Gerichtes zerren würde. Das wird eine Verhandlung werden! —
Pritzlaff schlotterte bei dem Gedanke».
Aber was konnte er jetzt tun? Sollte er zu Kurzhals eilen,
sich vor ihm »iederwerfen, seine Füße umklammern und winselnd
und Apoll schlägt selbst die Larse,
fleht mein sehnend Lied zu dir —"
um Verzeihung flehen? Sollte er sagen: „Ich habe gestern einen
akuten Anfall von Verrücktheit gehabt, und da habe ich die Verse
gemacht!"? Oder sollte er eine länger dauernde Geistesverwirrung
simulieren und sich in ein Sanatorium bringen lassen? Nein,
dabei versäumte er zuviel; das kostete auch eine Masse Geld, das
kann man sich nur leisten, wenn man bedeutende Anterschlagungen
begangen oder Betrügereien mit großen Gewinnen verübt hat.
„Ach was, ich bin es gar nicht gewesen!" brüllte Pritzlaff
und haute mit der Faust auf den Tisch, zur Bekräftigung eines
gewaltigen Entschlusses. „Wer will mir Nachweisen, daß ich es
gewesen bin? Auf meiner Schreibmaschine ist der Brief nicht
geschrieben worden, die hat ganz andere Lettern. And welche
olle Maschine dazu benutzt wurde — pah, kein Aas kann das
'rauskriegen. Ich bin es nicht gewesen, ich weiß von nichts. Wenn
auch mein Name nicht Lase ist! And der Stempel? Das ist ja
gerade der Lauptpunkt: mein Stempel ist einem bösen Menschen
in die Lände gefallen. Er hat ihn gestohlen, oder ich habe ihn
verloren — was weiß ich! Aber jener gemeine Mensch hat ihn
zu schändlichem Anfug benutzt. Nicht nur, daß er Kurzhals gegen
mich Hetzen will-nein, noch andere Sachen hat der Schuft
mit dem Stempel angestellt!"
Pritzlaff raste zum Lauptbahnhof, wo sich ein kleines Büro
befand, in dem man Briefe diktieren und auch selber Schreib-
maschinen benutzen konnte. Er ließ sich eine anweisen — das war
nicht so gefährlich, das würde schon nicht herauskommen und
tippte eiligst vier kurze Briefe:
„Delikatessenhandlung Rauchfuß. Wollen Sie mir, bitte,
sofort einen Prima Westfäler Schinken im Gewicht von 12 bis
15 Pfund zusenden."
„Musikhaus Äarmonie. Schicken Sie mir, bitte, für eine
Abendgesellschaft heute ein gutes Grammophon mit etwa 30
Platten — moderne Tänze, Schlager und Operettenpotpourris."
„Beerdigungsinstitut Pietät. Ich möchte Ihnen die Be-
stattung meiner soeben verstorbenen Tante übertragen und bitte
um den Besuch eines Ihrer Lerren."
„Lerrn Kammerjäger Tobias Knobbe. Bei mir sind Wanzen,
deren sachgemäße Vertilgung samt Vernichtung der Brut Sie
gefälligst übernehmen wollen."
Diese Briefe unterschrieb Pritzlaff nicht — er drückte seinen
Stempel darunter, den er dann, mit Bedauern über den Verlust,
hinter ein Läuschen in den nächsten Anlagen warf. Die Briefe
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Ski-Uebungshügel im Frühjahr" "- und Apoll schlägt selbst die Harfe, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 178.1933, Nr. 4578, S. 263
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg