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Eine gerechte Forderung

Von Peter Robinson

Nickel hat vor der Stadt, kaum hundert Meter vom Afer
des Flusses, ein nettes Läuschen. Sein Nachbar in ebensolch
einem Läuschen ist Kanehlke. Ihre nachbarlichen Beziehungen
sind im Sommer lebhafter als im Winter, weil sich da Gespräche
über den Gartenzaun hinüber einstellen. Nickel, der einem kauf-
männischen Erwerbe in der Stadt nachgehl, ist ein braver Mann
ohne irgendwelche Eigentümlichkeiten. Kanehlke hat einige beson-
dere Anschauungen und Gewohnheiten, zu denen er mit Eifer
andere bekehren möchte.

Es ist ein schöner Sommerabend. Nickel hat den Weg aus
der Stadt am Flusse entlang zu Fuß gemacht, und nun rastet
er, ehe er den Lang zu seinem Läuschen hinaufsteigt, noch ein
Weilchen auf einer Bank, die da am Flusse steht, denn er hat
noch etwas Zeit bis zum Abendessen. Neben sich auf die Bank
hat er ein Paket gelegt, in dem sich ein Paar schöne, ja elegante
Schuhe befinden. Es war höchste Zeit, daß er sich wieder einmal
Schuhe kaufte; er hatte es aus Nachlässigkeit wirklich zu lange
aufgeschoben. Da die Schuhe ans einem Warenhaus stammen,
deutet die Lülle des Pakets nicht auf den Inhalt; es kann ja
auch irgendwas anderes darin sein. Dieser Amstand ist wichtig
bei der Geschichte.

Denn jetzt kommt Kanehlke an. Der hat — nicht als Fach-
mann, nur als Laie — weiter unten am Fluß in den Afergründen
ein wenig botanisiert. Dazu hat er strammes Schuhwerk ange-
legt; Prachtstiefel sind das und noch fast neu. Als Nickel die jetzt
sieht, freut er sich seines Einkaufs und schämt sich seiner alten
Latschen, die durch die heutige Wanderung vollends erledigt und
gerade noch zum Fortschmeißen gut sind.

Kanehlke setzt sich nun zu Nickel. Nach der Begrüßung und
der üblichen Besprechung des Wetters kommt er — danach lechzt
er schon — auf ein Thema, über das er schon wiederholt und erst
gestern besonders leidenschaftlich zu Nickel sich geäußert hat. „Nun,
Lerr Nickel, haben Sie noch darüber nachgedacht? Laben meine
Gründe Sie nicht doch überzeugt? Darf ich fragen: was werden
Sie jetzt zu Abend essen?"

„Ach, nun fangen Sie schon wieder davon an!" sagt Nickel
verdrossen. „Ein tüchtiges Schnitzel Hab' ich mir bestellt. Sie
wissen ja: ich komme erst abends dazu, ordentlich zu essen."

Kanehlke schüttelt sich. „Ein Schnitzel? Gräßlich! And ich
dachte doch, ich hätte gestern eindringlich genug gesprochen. O Lerr
Nickel, habe ich Ihnen nicht vorgehalten, daß die ungeheure An-
zahl der Nervenleidenden, der Lypochonder, der Gemütskranken
fast nur aus Anhängern der Fleischkost sich zu-
sammensetzt? Labe ich Ihnen nicht erklärt, daß
Fleischgenuß erhitzt und also einen ständigen ver-
kappten Fieberzustand bewirkt? Labe ich Ihnen
nicht auseinandergesetzt, daß der menschliche Ma-
gen nur reine Pflanzenkost eigentlich verdaut,
während die Verdauung von Fleisch mehr eine
scheinbare ist, da es sich in Wirklichkeit nur um
eine Fortsetzung des Verwesungsprozesses der
Tierleiche handelt? Labe ich Ihnen damit nicht
klar gemacht, daß der Fleischgenuß einerseits ge-
fährlich, andrerseits widerwärtig ist? And da
wollen Sie jetzt ein Schnitzel essen!"

Nickel hat sich schon gestern über Kanehlke
geärgert; er ärgert sich auch heute und will ge-
rade grob werden und sagen: „Donnerwetter, nun
lassen Sie mich damit in Ruhe!" Aber ep sagt

nur: „Donnerwetter-" dann stockt er, und

nach einer Pause des Aeberlegens fährt er ganz
milde fort: „Donnerwetter, Sie haben wohl doch
recht! Ja, wenn man das alles ernstlich bedenkt!"

Kanehlke ist entzückt; am liebsten möchte er
Nickel streicheln. „Ah, Sie sind schon halb über-
zeugt. Nur die alte böse Gewohnheit ist noch
einer gänzlichen Amkehr im Wege. Lören Sie
mich an, Lerr Nickel! Spricht nicht noch ein an-
derer Gesichtspunkt für die gänzliche Enthaltung
von Fleischgenuß? Ist das nicht auch eine sttt-
liche Forderung? Mit welchem Rechte kommt der
Mensch dazu, Tieren das Leben zu nehmen? Wa-
rum darf es Millionen von Schlachtopfern geben,
damit menschliche Bäuche gefüllt werden? Ladet
damit nicht jeder Fleischesser schwere Schuld auf
sich? Was denken Sie davon, Lerr Nickel?"

Nickel denkt, daß die zur menschlichen Er-
nährung empfohlenen Pflanzen wohl ebensogut
Leben haben; er denkt ferner, daß die Millionen
von Schlachtopfern zum größten Teil ja erst durch
menschliche Zuchtbemühungen in die Welt kom-
men, und er denkt schließlich, daß ja auch viele

«Fortsetzung Seite 294)

„Sind Sie nicht bei Ihrer Fahrt durch den Forst ein paar
kapitalen Spießern begegnet?" — „Nee, Sie sind die ersten."

292
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Sind Sie nicht bei Ihrer Fahrt durch den Forst ein paar kapitalen Spießern begegnet?"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Loukota, Josef
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 178.1933, Nr. 4580, S. 292

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